Warum sollen Korallen die Menschen in der Schweiz etwas angehen? Titouan sagt: «Ein Grossteil des Sauerstoffs, den wir alle atmen, kommt von ihnen. Keine Riffe, kein gesunder Ozean, kein Sauerstoff.»
Korallen pflanzen, Schritt für Schritt: 1. Von Sturm oder Strömung abgebrochenes Korallenstück im Wasser finden.
2. Korallenstück auf ein Bambusstöckchen montieren. 3. Für einen Monat in die Korallenschule geben (analog Baumschule, ca. 100 Korallen auf einem Unterwasser-«Tisch» aus Metallgitter).
4. Koralle auf das tote Riff stecken.
Titouan Bernicot ist auch passionierter Freediver. Das Korallengärtnern wird übrigens ohne Unterwasser-Sauerstoff durchgeführt.
Das Korallengärtnern finanziert sich durch Korallenpatenschaften. Wer eine abschliesst, erhält ein Foto seiner Koralle mitsamt den genauen Koordinaten.
Das Haus, in dem Titouan seine ersten drei Lebensjahre verbrachte. Obwohl Titouans Eltern mit ihrer Perlenfarm durchaus selber Abenteurer sind, waren sie nicht besonders glücklich über seinen Entscheid, die Business-Schule abzubrechen. Sie sagten: «Wir unterstützen dich, aber wir werden dich ab sofort nicht mehr finanzieren.»
Das Zuhause von Titouan Bernicot und den Coral Gardeners: Mo’orea.
Titouan Bernicot – der Korallen-Gärtner
Warum sollen Korallen die Menschen in der Schweiz etwas angehen? Titouan sagt: «Ein Grossteil des Sauerstoffs, den wir alle atmen, kommt von ihnen. Keine Riffe, kein gesunder Ozean, kein Sauerstoff.»
Korallen pflanzen, Schritt für Schritt: 1. Von Sturm oder Strömung abgebrochenes Korallenstück im Wasser finden.
2. Korallenstück auf ein Bambusstöckchen montieren. 3. Für einen Monat in die Korallenschule geben (analog Baumschule, ca. 100 Korallen auf einem Unterwasser-«Tisch» aus Metallgitter).
4. Koralle auf das tote Riff stecken.
Titouan Bernicot ist auch passionierter Freediver. Das Korallengärtnern wird übrigens ohne Unterwasser-Sauerstoff durchgeführt.
Das Korallengärtnern finanziert sich durch Korallenpatenschaften. Wer eine abschliesst, erhält ein Foto seiner Koralle mitsamt den genauen Koordinaten.
Das Haus, in dem Titouan seine ersten drei Lebensjahre verbrachte. Obwohl Titouans Eltern mit ihrer Perlenfarm durchaus selber Abenteurer sind, waren sie nicht besonders glücklich über seinen Entscheid, die Business-Schule abzubrechen. Sie sagten: «Wir unterstützen dich, aber wir werden dich ab sofort nicht mehr finanzieren.»
Das Zuhause von Titouan Bernicot und den Coral Gardeners: Mo’orea.
Er pflanzte Korallen, um die Lebensgrundlage seiner Insel zu sichern. Nun will er den Meeresschutz revolutionieren. Titouan Bernicot ist NGO-Gründer, CEO – und 22 Jahre alt.
In der neuen Serie «Morgenmenschen» porträtieren wir Personen, die Lösungen für eine enkeltaugliche Zukunft bieten, entwickeln und erkämpfen. Menschen, die bereits heute die Welt von morgen leben. Hoffentlich.
Titouan Bernicots Leben liest sich zunächst wie jenes der Disney-Prinzessin Moana: Behütet aufgewachsen auf einer kleinen polynesischen Insel, im Einklang mit dem Pazifik vor der Haustür, bemerkt die inzwischen fast erwachsene Schlüsselperson plötzlich, dass etwas nicht stimmt. Bei Moana sind die Fische verschwunden. In Titouans Fall war deren Habitat, die Korallen, quasi über Nacht abgestorben. Beide kommen zum selben Schluss: etwas dagegen zu tun.
2016. Der Tag, der alles veränderte, war einer wie jeder andere auf Mo’orea, Schwesterinsel Tahitis, Französisch-Polynesien. Titouan, 16-jährig, fuhr mit seinen Freunden auf dem zusammengesparten Aluminiumboot zum Surfen. Aus Spass wurde schnell Irritation: Wo noch kurz zuvor alle Farben des Regenbogens im Sonnenlicht geschillert hatten, herrschte nun gespenstische Blässe. Die Korallen waren Opfer der Korallenbleiche geworden. Titouan tauchte hinab zum Riff: «Ich stupste eine Koralle an und sie zerfiel zu Staub.»
Erbleichte Korallen lassen sich nicht retten
Titouan verstand nicht, was mit seinem home reef passiert war. Er recherchierte, rief einen befreundeten Meeresbiologen an. Ihm wurde erstmals bewusst, was Korallen überhaupt sind: Tiere. Genauer: festsitzende, in Kolonien vorkommende Nesseltiere, die symbiotisch mit Algen leben. Diese Algen sind sehr temperaturempfindlich. Erwärmt sich das Wasser nur ein klein wenig mehr als sonst, werden die Algen giftig, die Koralle stösst sie ab, übrig bleibt ein erbleichtes, sterbendes Skelett – daher: Korallenbleiche. Ist eine Koralle einmal erbleicht, kann sie nicht mehr gerettet werden.
Korallen: Zahlen und Fakten
• Korallenriffe sind laut Uno die am stärksten gefährdeten Ökosysteme der Welt. 20 % sind bereits unwiderruflich verloren, 70 % stark gefährdet.
• 40 % der Menschen leben weniger als 100 km vom Ozean entfernt. Der Verlust der Korallen würde für sie massive ökologische, soziale und ökonomische Probleme bedeuten.
• Korallen-Moleküle werden für viele wichtige Medikamente genutzt – einige werden gerade erst entdeckt.
«Ich realisierte: Das Korallenriff gibt mir und unserer Insel alles im Leben. Fische zum Essen, Schutz vor Stürmen, Wellen zum Surfen, Touristen als finanzielle Lebensgrundlage. Die Hälfte des Sauerstoffs, den wir alle atmen, stammt von gesunden Ozeanen.»
Er erinnerte sich daran, wie ein Meeresbiologe ihm einmal gezeigt hatte, wie herumschwimmende Korallenstücke einfach wieder eingepflanzt werden können. Also begann Titouan, Korallen auf das tote Riff zu pflanzen. Aus einem Korallenstück von der Dimension eines Daumens kann sich innert Monaten eine fussballgrosse Koralle bilden. Mit den Korallen kehrten auch die Fische zurück. Ein sinnstiftendes Hobby zwar, aber auch ein Wettlauf gegen die Zeit.
Abbruch der Business-Schule
Titouan wollte mehr tun, «aber», so erzählt er in seinem französisch gefärbten Englisch, «von den Erwachsenen hörte ich bloss: Studiere Meeresbiologie, und wenn du fertig bist, kannst du dann forschen. Ich dachte: Ich soll sieben Jahre meines Lebens verschwenden, um dann beweisen zu können, was ich mit meinen eigenen Augen sehe?» Weil er kein Wissenschaftler werden wollte und seine Vorbilder Namen haben wie Elon Musk oder Steve Jobs, ging er trotzdem noch nach Bordeaux auf die Business-Schule. Brach diese jedoch bald ab, denn alles, was er tun wollte, war, Korallen zu pflanzen.
2018. Einige Gelegenheitsjobs und ein Crowdfunding später: Coral Gardeners war geboren. Titouan kümmert sich um die Finanzierung, seine Kindheitsfreunde pflanzen fleissig Korallen. Heute zählt das Sozialunternehmen über 20 Angestellte aus aller Welt. Das Kernteam, die Gärtnerinnen und Gärtner, befindet sich nach wie vor auf Mo’orea. Sie sind verantwortlich dafür, dass 40'000 ehemalige Korallenbruchteile dem Riff heute neues Leben einhauchen. 2025 sollen es eine Million sein.
Anfänge auf der Perlenfarm
Titouan Bernicot lernte gehen, schwimmen und sprechen in seinen ersten drei Lebensjahren auf einer quasi einsamen Nachbarinsel auf der Perlenfarm seiner Eltern. Später, auf Mo’orea brachte er sich Freediven, Surfen und Wasserfotografie selber bei.
Das Salzwasser ist sein Kraftort, sein Habitat. Womöglich haben die zwei Burnouts, die ihn 2019 ereilten, auch damit zu tun, dass der Korallengärtner heutzutage nur noch wenig Zeit im Wasser verbringt: «Es ist anstrengend, ohne Erfahrung eine Organisation zu leiten, zu schauen, dass alle zufrieden sind und ihr Bestes geben.»
Zur Autorin
zVg
Gabriella Alvarez-Hummel ist freie Journalistin. Die «Morgenmenschen»-Serie verbindet zwei ihrer Faibles: Porträts und Enkeltauglichkeit.
Gleichzeitig hat der heute 22-Jährige grosse Ziele: «NGOs arbeiten mir zu langsam. Ich will den Meeresschutz revolutionieren, das erste Meeresschutz-Social-Business gründen, das weltweit tätig ist. Die ganze Welt soll wissen, was eine Koralle ist. Man kann nur schützen, was man kennt. Gleichzeitig werden wir tote Riffe durch das Korallengärtnern in Zusammenarbeit mit der Forschung wieder zum Leben erwecken.»
Fanpost von Lewis Hamilton
National Geographic berichtete über die Korallengärtner aus Mo’orea. Freedive-Legende Guillaume Néry kommt regelmässig vorbei, um zu helfen. Kürzlich schrieb Lewis Hamilton per Instagram-Direktnachricht, er wolle auch bald Korallen pflanzen kommen. Titouan erwähnt das beiläufig.
In den vergangenen Jahren ist so viel passiert, dass Dinge wie diese schon fast normal für ihn sind, allerdings nie selbstverständlich: «Ich weiss, dass ich Glück habe, an solch einem schönen Ort zu leben und zu tun, was ich liebe», und zeigt dabei aus dem Bürofenster in Richtung Palmen, Pazifik – und sein Riff.
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