Kolumne am Mittag Im Job belastet er die Umwelt, privat steuert Sebastian Vettel dagegen

Von Bruno Bötschi

7.7.2021

«Wir sollten nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Und wir sollten nicht immer von Verzicht sprechen»: Sebastian Vettel, vierfacher Formel-1-Weltmeister.
«Wir sollten nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Und wir sollten nicht immer von Verzicht sprechen»: Sebastian Vettel, vierfacher Formel-1-Weltmeister.
Bild: Keystone

Für viele Menschen steht die Formel 1 im Widerspruch mit einem nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel will beweisen, dass es auch anders geht.

Von Bruno Bötschi

Wann immer sich ein Flug vermeiden lasse, nehme er den Zug oder sein Elektroauto, um zu einem Rennen zu fahren. «Zum Beispiel nach Monza, nach Imola oder vergangenes Wochenende nach Spielberg,» erzählt Sebastian Vettel in einem Interview mit dem «Spiegel».

Ein vierfacher Formel-1-Weltmeister als Umweltschützer? Tönt irgendwie komisch, scheint aber so zu sein.

Daheim im thurgauischen Ellighausen, wo Vettel seit Jahren mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt, ist auf dem Haus eine Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach installiert, «um mindestens tagsüber eigenen Strom produzieren zu können». Den Stromanbieter hat die Familie schon vor Jahren gewechselt, um nur noch erneuerbare Energie zu beziehen.

Auch in Sachen Plastik will der 34-Jährige Vorbild sein. Kunststoff wird vermieden, wann immer es geht. «Mittlerweile trinken wir nur noch gefiltertes Wasser aus dem Hahn.»

Aber das ist längst nicht alles.

Geht der Deutsche einkaufen, hat er immer einen Rucksack oder Ähnliches dabei. «Ich habe mal den Satz gelesen: ‹Es ist nur eine Plastiktüte›, sagten acht Milliarden Menschen. Und schon waren es acht Milliarden Plastiktüten mehr», so Vettel im «Spiegel».

Vollgasbranche Formel 1

Ein viermaliger Weltmeister der energiefressenden Vollgasbranche Formel 1 als Öko-Vorbild – muss Vettel da nicht selber lachen?

«Als ich vor Jahren angefangen habe, auf Nachhaltigkeit zu achten, musste ich mir natürlich die Frage stellen, ob ich nicht ein Heuchler bin.» Er wisse selber, dass er durch seine Arbeit einerseits die Umwelt belaste und andererseits propagiere, die Natur zu schützen.

Vettel habe deshalb zuerst angefangen, seine Gewohnheiten wie etwa die Vielfliegerei zu ändern, bevor er darüber gesprochen habe. Der Pilot kritisiert seither auch immer wieder öffentlich, dass die Formel 1 «schädliche Dinge produziert». Der globalisierte Sport und erst recht der Motorsport sollten viel mehr in eine Vorreiter- und Vorbildrolle schlüpfen.

Rennfahrer sollten zeigen können, dass sie ihre Leidenschaft auf eine zukunftsfähige, für die Umwelt verträgliche Art und Weise ausleben können. Und nicht zulasten anderer.

Seine Kinder haben ihn zum Umdenken bewegt

Aber auch die Vettels sind noch nicht ganz perfekt: So isst ist die Familie nach wie vor Fleisch – aber immerhin keines, das aus Massentierhaltung stammt. Abgekommen ist man hingegen vom Verlangen, alles zu jeder Zeit haben zu müssen und Lebensmittel zu kaufen, die von anderen Kontinenten herangeschafft werden.

Stattdessen fragen sich Sebastian Vettel und seine Frau Hanna Sparter heute: Welche Produkte sind saisonal? Was wächst gerade in unserer Gegend? «Wir wollen einfach nicht so einen grossen ökologischen Fussabdruck hinterlassen.»

Antreiber hinter der ganzen Öko-Sache sind übrigens die beiden Kinder Emily und Matilda. Sie hätten ihm bewusst gemacht, so Vettel im «Spiegel», dass die Zeit voranschreitet – und die Verantwortung gross sei.

Bei all seinen Öko-Bemühungen ist dem deutschen Formel-1-Fahrer aber etwas ganz wichtig: «Wir sollten nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Und wir sollten nicht immer von Verzicht sprechen.» Das sei der falsche Ansatz.

Der richtige wäre, zumindest laut Vettel: «Sich zu fragen, was ich persönlich tun kann, um die Zukunft besser zu machen.»

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – sie dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.