Kolumne am Mittag Warum Campino süchtig nach Fussball, Liverpool und Jürgen Klopp ist

Von Marianne Siegenthaler

21.10.2020

Gemeinsam sind wir stärker: Sänger Campino und Fussballtrainer Jürgen Klopp in Feierlaune.
Gemeinsam sind wir stärker: Sänger Campino und Fussballtrainer Jürgen Klopp in Feierlaune.
Bild: Instagram/dietotenhosen_official

Campino, Leadsänger der «Toten Hosen», hat eine spezielle Autobiografie geschrieben: Es geht um Fussball, nochmals Fussball und ein bisschen Jürgen Klopp.

Gleich vorweg: Im Buch «Hope Street – wie ich einmal englischer Meister wurde» von Andreas Frege, wie Campino mit bürgerlichem Namen heisst, geht es in erster Linie um Fussball. Und um den FC Liverpool.

Campino hat eine englische Mutter und deshalb den britischen Pass. Aufgewachsen ist er zwar in Deutschland, doch er weilte als Kind und Jugendlicher häufig bei seiner englischen Verwandtschaft. Da hat er wohl auch seine Leidenschaft für den FC Liverpool entdeckt. Doch bis dieser endlich englischer Fussballmeister wurde, musste Campino 30 Jahre lang warten.

Dieses Jahr hat es endlich geklappt. Aber ausgerechnet das entscheidende Spiel hat Campino nicht im Stadion, sondern im TV gesehen. Grund dafür waren die coronabedingten Einreisebeschränkungen in England. Also verfolgte er das Spiel zusammen mit der Familie von Liverpools Trainer Jürgen Klopp auf der Insel Sylt.

Champagner statt Bier

In seinem Buch erzählt Campino, wie es zur Freundschaft mit Jürgen Klopp  kam. Als glühender Liverpool-Fan nahm er zu ihm Kontakt auf, als dieser 2015 Trainer wurde. Ein Freund gab ihm dessen Handynummer, und Campino tippte: «Hi Jürgen, welcome to my club! Please do me a favor and don't fuck up.»

Der Sänger schrieb dem Trainer, dass er eine Dauerkarte habe, und bald schon lud ihn dieser zu sich nach Hause ein. Den Besuch schildert Campino im Buch folgendermassen:

«Bier ist im Kühlschrank», sagte Jürgen. «Oder willst du lieber etwas anderes haben?», fragte Ulla (Frau von Jürgen Klopp, Anmerkung der Redaktion). Anstatt auf das angebotene Bier steuerte ich auf eine offene Flasche Rosé-Champagner zu, die auf dem Tisch stand. «Ich nehme einen Schluck davon, wenn ich darf.» Ein Riesenfehler, Jürgen zieht mich heute noch damit auf. Damals sagte er: «Champagner? Ich dachte, du bist Punkrocker!» Riesengelächter in der Runde.

Musik (fast) kein Thema

Tatsächlich ist in der 368 Seiten dicken Autobiografie die Musik beziehungsweise seine Band, die «Toten Hosen», nur am Rande ein Thema. Beispielsweise, wenn er mit seinen Musikkollegen an ein Fussballspiel geht. Oder er mit ihnen eine Benefiz-Veranstaltung organisiert, um seinen zweiten Lieblingsverein, Fortuna Düsseldorf, zu unterstützen.



Immerhin erfahren die Lesenden fast nebenbei auch einiges über Campinos deutsch-englische Lebensgeschichte. Wie er mit fünf Geschwistern in Düsseldorf aufwuchs. Und wer in etwa seinen Jahrgang hat (1962), wird bei der Lektüre das eine oder andere Déjà-vu erleben. Das Fussballdrama 1989 in Sheffield beispielsweise, wo 96 Fans im Gedränge starben. Oder die Subkultur des Punks, der ab Ende der 1970er-Jahre von Düsseldorf aus deutsche Musikgeschichte schrieb.

Aber Achtung: Wenn Liverpool verliert, kann es sein, dass der Sänger seine Contenance verliert und so sehr gegen einen Abfallkübel tritt, dass er mit einem Gips auf die Bühne muss. In die Quere kommen sollte man ihm besser ebenso wenig, wenn die Übertragung eines Spiels nicht funktioniert.

«Hope Street – wie ich einmal englischer Meister wurde» ist weniger eine Autobiografie als vielmehr eine Liebeserklärung an den Fussball im Allgemeinen und den FC Liverpool im Besonderen. Wer mit Fussball nichts am Hut hat, wird die 368 Seiten kaum durchstehen.

Bibliografie: «Hope Street – wie ich einmal englischer Meister wurde», Campino, Piper,  368 Seiten, ca. 32.90 Fr.

Zur Autorin: Marianne Siegenthaler ist freie Journalistin und Buchautorin. Wenn sie grad mal nicht am Schreiben ist, verbringt sie ihre Zeit am liebsten im, am und auf dem Zürichsee.


Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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