Düstere AussichtenUnsere Umwelt wird resistent – und wir haben das Nachsehen
Von Runa Reinecke
21.11.2019
Immer mehr Menschen sterben, weil Antibiotika ihre Wirkung verlieren. Doch das ist nur ein Teil eines Problems. Steuern wir auf eine unabwendbare Katastrophe zu?
Wer ab und an in sonnigen und warmen Gefilden die Ferien verbringt, ist ihr schon begegnet: der Kakerlake. Erwärmen mögen sich die wenigsten für das flinke, lichtscheue Krabbeltier, das sich auch in der Schweiz zunehmend heimisch fühlt. Nicht ganz zu Unrecht, denn wenn es um Nahrungsquellen geht, ist das Insekt alles andere als wählerisch: Es hält sich in Kloaken auf oder frisst sich durch alles, was das faulige und verwesende Angebot in Müllcontainern zu bieten hat.
Gerät die Schabe, wie man sie auch nennt, danach mit dem Menschen in Kontakt, wird sie zum Taxi für Viren, Bakterien und Pilze. Das Spektrum der Krankheiten, die sie dabei übertragen kann, erstreckt sich von Durchfall über Salmonelleninfektionen bis hin zu Hepatitis A, Milzbrand oder Tuberkulose. Auch Allergien kann der Kontakt mit der Schabe auslösen.
Verständlich, dass man alles daransetzt, diesen Schädling zu eliminieren. Gelingen soll das mithilfe von Insektiziden. Doch die kleinen Tiere zeigen sich von der chemischen Keule zusehends unbeeindruckt. Viele handelsübliche Schädlingsvernichter haben ihre tödliche Wirkung verloren, ein Umstand, den Wissenschaftler der Purdue-Universität in Indiana, USA, genauer untersuchten.
Immun gegen Gift
Sie traktierten Kakerlaken über den Zeitraum von einem halben Jahr mit unterschiedlichen Strategien: entweder mit einem Wirkstoff, einer Mixtur aus zwei Wirkstoffen oder abwechselnd mit drei unterschiedlichen Giften. Während die Anzahl der Schädlinge bei der Wechselexposition immerhin stabil blieb, zeigte der Mix aus zwei Stoffen überhaupt keine Wirkung.
Kam nur ein einzelnes Insektizid zum Zuge, überlebten bis zu zehn Prozent der Kakerlaken. Der anschliessende Laborbefund ergab, dass die Tiere, denen eine Chemikalie nichts anhaben konnte, wenig später auch gegenüber anderen Wirkstoffklassen immun wurden. Das führte dazu, dass die Resistenzen um das vier- bis sechsfache innerhalb einer Generation angestiegen waren. Es bedarf also einer neuen Kampfstrategie, damit wir in Zukunft nicht von den kleinen Sechsfüsslern überrannt werden.
Gefährlicher Winzling
Ohne Bakterien wären wir nicht lebensfähig, doch einige von ihnen können uns krank machen. Lange gab es keine wirksamen Therapien gegen schädliche Mikroorganismen. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts führte der deutsche Mediziner Paul Ehrlich das Schmalspektrum-Antibiotikum Arsphenamin zu Behandlung von Infektionsleiden beim Menschen ein.
Wenige Jahre später erlangte der schottische Biologe Alexander Fleming mit seinem Penicillin Berühmtheit. Das neue Wundermittel rettete vielen Menschen mit bisher kaum behandelbaren Erkrankungen wie Syphilis oder Tuberkulose das Leben. Im Laufe der Jahrzehnte wurden neue, noch wirksamere Antibiotika entwickelt, verschiedenste, teilweise bedrohliche Infektionskrankheiten konnten geheilt, manche komplett ausgerottet werden.
Arznei ohne Wirkung
Nun zeigt sich die Kehrseite, die der inflationäre Umgang mit dem einst revolutionären Medikament mit sich bringt. Während der vergangenen Jahrzehnte ist die Allzweckwaffe gegen bakterielle Infektionen – zumindest partiell – stumpf geworden. Dazu trägt auch der unsachgemässe Gebrauch der Arznei bei: Werden nicht alle Erreger abgetötet, lernen die Überlebenden, ihren Angreifer zu tolerieren. Sie werden resistent und geben diese Errungenschaft an ihresgleichen weiter.
Wie sich der allzu leichtfertige Umgang mit Antibiotika auswirkt, zeigen jüngst veröffentlichte Zahlen der US-Gesundheitsbehörde CDC. Laut diesen sterben in den Vereinigten Staaten jedes Jahr etwa 35'000 Menschen an den Folgen einer Infektion mit antibiotikaresistenten Keimen.
Unbesiegbare Keime
Auch in der Schweiz kommen jährlich etwa 300 Menschen durch bakterielle Infektionen ums Leben, weil keine Antibiotikatherapie mehr anschlägt. Obwohl es dringend neuer, wirksamer Medikamente dieser Art bedarf, investiert die Pharmaindustrie kaum noch in die Erforschung solcher Wirkstoffe. In den 1960er-Jahren wurden die Fluorchinolone entwickelt – seit dieser Zeit kam keine neue Antibiotikaklasse mehr auf den Markt, denn mit den Bakterienkillern lässt sich heute kein Geld mehr verdienen.
Umso wichtiger ist es, die Keime mittels Desinfektionsmittel abzutöten, damit sie sich gar nicht erst weiterverbreiten können. Doch auch hier wiegen wir uns in falscher Sicherheit, wie eine Studie, die 2018 im Fachjournal «Science Translation Medicine» publiziert wurde, belegt.
Problemfall Desinfektionsmittel
Normalerweise machen auf Alkohol basierende Desinfektionsmittel Bakterien, Pilzen und einer Vielzahl von Viren den Garaus. Anders beim Darmkeim Enterococcus faecium. Die australischen Forscher belegten, dass sich das Bakterium weder durch Antibiotika noch durch gängige Desinfektionsmittel bekämpfen lässt, die in Arztpraxen und Spitälern eingesetzt werden.
Dass Bakterien und Desinfektionsmittel sogar eine unheilige Allianz miteinander eingehen können, bewiesen Wissenschaftler der National University of Ireland. Mittelpunkt des Forschungsinteresses: Pseudomonas aeruginosa, ein Keim, der besonders häufig in Spitälern anzutreffen ist.
Immerhin ... ein Hoffnungsschimmer
Die Forscher setzten das Bakterium dem Desinfektionsmittel Benzalkoniumchlorid aus und steigerten die Dosis stufenweise. Wurde zu wenig Desinfektionsmittel verabreicht, überlebten einige Keime. Diese setzten die Wissenschaftler im Anschluss dem Antibiotikum Ciprofloxacin aus. Das Erstaunliche: Obwohl das Bakterium noch nie mit dem Antibiotikum in Kontakt kam, war es gegen das Medikament resistent.
Ohne neue, wirksame Antibiotika sehen wir einer düsteren Zukunft entgegen. Das haben auch Forscher der Universität Zürich und der Polyphor AG erkannt und entwickelten mit POL7306 eine neue Antibiotikaklasse, die vor allem gegen multiresistente Keime wirken soll. Wie potent es tatsächlich ist, wird sich in zukünftigen Tests beim Menschen zeigen.
Sogar eine Sonderversammlung der UN beschäftigte sich bereits mit der weltweit wachsenden Antibiotikaresistenz.
Bild: ARTE / Broadview Pictures
Ausufernde Massentierhaltung wie hier in einer Hühnerzuchtfarm in Vietnam wird für die Entwicklung der Resistenzen verantwortlich gemacht.
Bild: ARTE / Broadview Pictures
Der Mikrobiologe Timothy Walsh (links) von der Universität Cardiff nimmt weltweit Proben. Immer wieder stösst er auf Keime, die ihm bislang nicht bekannt waren.
Bild: ARTE / Broadview Pictures
Erschreckend! In einem Krankenhaus in Bangladesch trifft der Mikrobiologe Timothy Walsh auf Patienten, die wegen resistenter Keime mit dem Tod ringen.
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