Interview«Man ist schon ansteckend, bevor man sich krank fühlt»
Runa Reinecke
14.2.2019
Grippe und Erkältung haben die Schweiz fest im Griff – Tendenz steigend. Eine Infektiologin erklärt, wie man sich vor einer Ansteckung schützt und warum es auch jetzt noch Sinn macht, sich gegen die Influenza impfen zu lassen.
Überall wird gehustet und geschnieft. Im Interview mit «Bluewin.ch» verrät die Spitalärztin Christina Orasch unter anderem, wie man eine echte Grippe von einer starken Erkältung unterscheidet – und warum ein Luftbefeuchter im Winter in jedes Büro gehört.
Frau Orasch, wurden Sie in diesem noch jungen Jahr selbst schon von einem Infekt erwischt?
Nein, zum Glück noch nicht. Gegen Grippe habe ich mich impfen lassen, und bisher habe ich auch keinen anderen Infekt erwischt.
Woher weiss ich, ob ich an einer Grippe oder «nur» an einem grippalen Infekt erkrankt bin?
Im Vergleich zum grippalen oder viralen Infekt, also dem, was man auch schlicht «Erkältung» nennt, sind die Beschwerden einer Grippe im Regelfall deutlich ausgeprägter. Akute Symptome wie hohes Fieber, ein allgemeines Schwächegefühl, Glieder- und Muskelscherzen setzen meist innerhalb von kurzer Zeit, geradezu wie aus heiterem Himmel, ein. Der Allgemeinzustand ist deutlich schlechter als bei einer Erkältung, und es kann eher zu ernsthaften Folgekrankheiten wie einer Lungen- oder Hirnhautentzündung kommen. Wie schwer eine Grippe verläuft, hängt auch davon ab, wie gut das eigene Immunsystem funktioniert.
Genügen ein Gespräch mit der Patientin/dem Patienten und eine körperliche Untersuchung, um einen anderen Infekt auszuschliessen?
Die Symptome sind natürlich ein wichtiger Anhaltspunkt. Um wirklich sicher sein zu können, machen wir einen Abstrich des Nasen-Rachen-Raums. Dieser wird sofort im Labor analysiert, und etwa eineinhalb Stunden später wissen wir, ob es tatsächlich die Grippe ist.
Zeigt der Test auch, um welchen Influenza-Typ es sich handelt?
Ja, wir sehen, ob wir es mit einem Influenza-Virus des Typs A oder B zu tun haben. Im vergangenen Jahr zirkulierte vor allem ein Stamm des Virustyps B. Leider war der Schutz davor in manchen Grippeimpfstoffen nicht vorhanden, weshalb überdurchschnittlich viele Menschen trotz Impfung an der Influenza erkrankt waren. In diesem Jahr ist bisher vor allem ein Stamm des Typs A aktiv, und der aktuell verwendete Impfstoff deckt jeweils zwei Stämme des Typs A und B ab. Der Schutz ist also optimal.
Wer sich für diese Saison noch impfen lassen möchte, ist ziemlich spät dran …
Wir impfen immer bis zum Ende der Grippesaison, obwohl es besser ist, sich einen Monat immunisieren zu lassen, bevor es richtig losgeht.
Einen Monat?
Ja, denn sobald der Impfstoff verabreicht wurde, beginnt der Körper damit, schützende Antikörper zu bilden. In den darauffolgenden Tagen und Wochen baut sich der Impfschutz sukzessive auf. Je mehr Antikörper vorhanden sind, wenn man mit dem entsprechenden Virus in Kontakt kommt, desto geringer ist die Gefahr, zu erkranken. Und selbst wenn es einen erwischt, verläuft die Grippe dann nicht so schwer. Optimal ist, wenn man sich in der Zeit von Ende Oktober und Anfang November impfen lässt, also bevor die Grippe im Dezember, oder wie in diesem Jahr im Januar, gehäuft auftritt.
Kann sich jeder gegen die Grippe impfen lassen?
Schwangere sollten unbedingt gegen Grippe geimpft werden, da sie im Zusammenhang mit der Schwangerschaft immungeschwächt sind und häufiger eine schwere Grippe mit Komplikationen erleiden. Säuglinge ab einem Alter von sechs Monaten können ebenfalls gegen Grippe geimpft werden. Vorher sorgen die Antikörper der geimpften Mutter für einen sogenannten «Nestschutz». Bei vielen älteren und kranken Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann eine Grippe sehr schwer bis tödlich verlaufen. Geimpft zu sein, ist für sie deshalb besonders wichtig. Das Problem ist, dass der Impfschutz bei dieser Patientengruppe oft nicht ausreichend funktioniert. Deshalb liegt es auch in der Verantwortung gesunder Menschen, andere durch ihren eigenen Impfschutz vor einer Ansteckung zu bewahren. Das ist die so genannte «Herdenimmunität»
Einige Menschen scheuen die (Grippe-)Impfung, da sie sich vor Nebenwirkungen fürchten …
Nebenwirkungen können nach jeder Impfung auftreten. Meistens handelt es sich dabei jedoch um leichte Nebenwirkungen wie lokale Reaktionen, etwa die Rötung oder Schwellung der Injektionsstelle. Es gibt sogar Studien, die zeigen, dass bei einer Placebo-Injektion mit reiner Salzlösung gleich viele Nebenwirkungen aufgetreten sind wie nach einer echten Impfung. Bei manchen Menschen kann es nach der Grippeimpfung zu leichtem Fieber oder einem schwachen Krankheitsgefühl kommen. Das ist die sogenannte Impfgrippe. Sie ist ein gutes Zeichen, denn sie ist ein Hinweis für die Aktivierung des Immunsystems, das Antikörper bildet.
Warum ist es wichtig, sich jedes Jahr impfen zu lassen?
Influenzaviren verfügen über die Eigenschaft, zu mutieren. Das heisst, sie verändern sich immer wieder und werden deshalb von bereits vorhandenen Antikörpern nicht erkannt. Es besteht kein lebenslanger Schutz, wie es etwa bei den Windpocken der Fall ist. Es macht also aus infektiologischer Sicht keinen Sinn, die Grippe «durchzumachen», denn der so produzierte Schutz hält nicht an. Ganz im Gegenteil, man setzt sich dadurch nur einer unnötigen Gefahr aus.
Auch Erkältungen können sehr unangenehm werden. Warum kann man sich dagegen nicht impfen lassen?
Während bei den Influenzaviren, die für die Grippe verantwortlich sind, nur gewisse Typen zirkulieren, sind es bei den Erkältungsviren etwa 200 verschiedene, die ebenfalls mutieren. Entsprechend schwierig ist es, einen Impfstoff zu entwickeln. Und es macht grundsätzlich mehr Sinn, gegen die gefährlichen Grippeviren einen Impfstoff zu entwickeln, als gegen die normalerweise ungefährlichen Erkältungsviren.
Hängt die Schwere der Erkrankung nur davon ab, um welches Virus es sich handelt, oder sind auch andere Faktoren relevant?
Wie eine Erkrankung verläuft, ist zum einen davon abhängig, mit welchem Virus man zu kämpfen hat. Auch die Konstitution des Immunsystems ist entscheidend. Bei einer Immunschwäche ist man für eine Infektion besonders gefährdet. Da diese Viren über die Schleimhäute, also über den Nasen- und Rachenraum in den Körper gelangen, ist von Bedeutung, wie «aufnahmefähig» die Schleimhäute sind, wenn sie mit dem Virus in Kontakt kommen. Bei trockenen Schleimhäuten oder wenn man direkt angeniest wird, ist das besonders gefährlich.
Ist es möglich, andere zu infizieren, obwohl man sich selbst noch gar nicht krank fühlt?
Ja, denn man ist schon ein bis zwei Tage ansteckend, bevor sich die ersten Grippesymptome bemerkbar machen. Auch wenn die Grippesymptome bereits abgeklungen sind, scheidet man die Viren noch aus und kann andere Menschen anstecken. Die Menge der ausgeschiedenen Viren beginnt etwa fünf Tage nach Symptombeginn abzunehmen.
Kann ich mich, wenn ich bereits erkältet bin oder eine Grippe habe, mit einem weiteren Erkältungs- oder Grippevirus anstecken?
Das ist durchaus möglich! Die Schleimhäute sind entzündet und werden dadurch noch aufnahmefähiger für andere Viren. Zwar ist das Immunsystem aktiviert, aber es ist auf das bereits aufgetretene Virus ausgerichtet.
Was raten Sie unseren Leserinnen und Lesern, abgesehen von einer Grippeimpfung, um nach Möglichkeit von einem Infekt verschont zu bleiben?
Vermeiden sie den direkten Kontakt zu erkälteten Personen. Am besten halten Sie rund einen Meter Abstand. Halten Sie ihre Schleimhäute feucht, etwa mit einem Luftbefeuchter zu Hause oder im Büro, und waschen Sie sich regelmässig mit Seife die Hände.
Dr. med. Christina Orasch studierte Humanmedizin an der Universität Fribourg und der Universität Bern. Sie ist seit 20 Jahren als Ärztin tätig. Als Fachärztin für Infektiologie und Innere Medizin leitet sie seit 2014 die Abteilung Infektiologie & Spitalhygiene an der Hirslanden Klinik St. Anna in Luzern.
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