Fahrtest Findet Tesla mit dem Model Y aus der Nische heraus?

dpa

7.6.2020

Beim Image und Börsenwert hat Tesla die etablierten Autohersteller längst überholt. Doch bei den Verkaufszahlen ist der Elektro-Pionier noch immer ein Nischenhersteller. Das Model Y soll das nun ändern.

Elon Musk ist auf dem Höhenflug – nicht nur, weil dem Tesla-Chef mit seinen SpaceX-Weltraummissionen vor Kurzem ein Durchbruch gelang. Sondern vor allem, weil er auch auf der Erde einen rasanten Aufstiegskurs fährt.

In kaum mehr als zehn Jahren hat der Amerikaner der PS-Welt seinen Glauben an die Elektromobilität aufgezwungen und Tesla von einer visionären Bastelbude zu einem ernstzunehmenden Automobilhersteller gemacht – nicht umsonst hat die Gesamtproduktion gerade die erste Million erreicht.

Nun kommt auch das Model Y zum Laufen, das zum meistverkauften Tesla werden soll. Bei uns kommt der Hoffnungsträger zwar erst im nächsten Sommer in den Handel, und das Basismodell für geschätzte 50'000 Franken gibt es ebenfalls nicht vor 2021.



Doch E-Auto-Vermieter Stefan Moeller konnte sich bereits Zugang zum ersten europäischen Grauimport verschaffen – und überliess uns kurz das Steuer für eine Testfahrt.

Auf der SUV-Welle

Beim Schritt aus der Nische geht Tesla kein Risiko ein. Deshalb bauen die Amerikaner auf das Segment mit den weltweit grössten Wachstumsraten und haben das Model Y als kompaktes SUV gezeichnet. Während konventionelle Geländewagen gerne robust und bullig auftreten, macht der Stromer einen betont schnittigen, fast filigranen Eindruck. Trotzdem bietet er bei etwa 4,75 Metern Länge und 1,63 Metern Höhe reichlich Platz. Auch in der zweiten Reihe haben Erwachsene genügend Knie- und Kopffreiheit, und mit der verstellbaren Rücklehne findet jeder eine bequeme Sitzposition.

Zudem macht der Kofferraum seinem Namen diesmal alle Ehre: Die Klappe ist am Dach angeschlagen und entsprechend gross, und wenn man die Sitze flachlegt, passen über 1'700 Liter hinter die Luke, den «Frunk» im Bug nicht mitgerechnet. Nur wo Tesla die als Option versprochene dritte Sitzreihe unterbringen will, das erschliesst sich einem nicht so recht.

Technische Basis für das Model Y ist das Model 3, das allerdings zwei handbreit flacher, etwas kürzer und schmaler ist. Von ihm übernimmt das SUV auch das nackte Ambiente mit dem riesigen Tabletcomputer als einzigem Anzeige- und Bedienelement, hinter dem man sich fast verloren fühlt. Aber umso besser ist der Ausblick – erst recht, weil man höher sitzt und durch grössere Scheiben schaut. Und das Ein- und Aussteigen ist natürlich auch bequemer.

Fahrleistungen wie ein Sportwagen

Auch der Antrieb wird vom Model 3 übernommen. Hier wie dort gibt es deshalb ein «Long Range»- und ein «Performance»-Model und später eine «Standard»-Version. Während letztere nur einen Motor an der Hinterachse bekommt und wohl keine 400 Kilometer Reichweite bieten wird, gibt es für die Modelle in der Startaufstellung pro Achse einen Motor und grössere Akkus: Für den 62'000 Franken teuren Long Range verspricht Tesla deshalb bis zu 505 Kilometer WLTP-Reichweite.

Das noch etwas teurere Performance-Modell soll in 3,7 Sekunden von null auf Tempo 100 sprinten und eine Spitzengeschwindigkeit von 241 km/h erreichen. Dafür sind aber nur 480 Kilometer drin.

Zwar spürt man das stolze Gewicht und den etwas höheren Schwerpunkt. Doch ist das Model Y nicht nur schneller als kommende Konkurrenten wie der BMW iX4 sowie der VW ID4 und seine Plattformbrüder bei Audi, Skoda und Seat. Sondern er ist auch überraschend sportlich abgestimmt. Die Lenkung direkt, das Fahrwerk straff – so sorgt auch E-Mobilität für jede Menge Fahrspass.



Abzug bekommt das Model Y allerdings in der B-Note. Denn für ein Auto dieser Preisklasse wirken die Materialien etwas unzulänglich. Der Lack hat unterschiedliche Farbtöne und die Fugen im Blech oder an den Kunststoffkonsolen einen bisweilen eher willkürlichen Verlauf.

Fazit: Hoffnungsträger mit Hindernissen

Gefällige Form, gängiges Format, angesagte Fahrzeuggattung, spektakuläre Fahrleistungen und zumindest die Aussicht auf einen fairen Preis – so hat das Model Y tatsächlich die Chance, Tesla weiter aus der Nische zu führen. Dass die Amerikaner das Auto in Deutschland – in der neuen Gigafactory bei Berlin – produzieren wollen, könnte ihnen zudem einen Vorteil auf dem europäischen Markt verschaffen.

Doch hat die Sache einen Haken: Weil die Fabrik erst im nächsten Jahr fertig wird, sind die Konkurrenten zum ersten Mal vor Tesla auf dem Markt und der Vorreiter muss das Feld von hinten aufrollen. Und dass VW und Co. statt halbherziger Umbauten jetzt auch dezidierte E-Autos ins Rennen schicken, wird die Sache nicht leichter machen.

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