Sinnvoll oder gefährlich? Kochen im Geschirrspüler – so schmeckt es wirklich

Von Kerstin Degen

25.4.2019

Entsteht zwischen Tellern, Gläsern und Besteck künftig ein Drei-Gänge-Menü? Noch habe ich Zweifel ...
Entsteht zwischen Tellern, Gläsern und Besteck künftig ein Drei-Gänge-Menü? Noch habe ich Zweifel ...
Bild: iStock

Energiesparen liegt im Trend, und wer Ressourcen schonen will, muss seine Gewohnheiten halt auch mal ändern. «Bluewin»-Redaktorin Kerstin Degen steht gern am Herd, dennoch wagt sie den Versuch. Ob das Sonntagsessen aus dem Geschirrspüler geschmeckt hat?

Den freien Platz im Geschirrspüler nutzen, um keine Energie zu verschwenden, so lautete die Motivation der italienischen Bloggerin und Kochbuchautorin Lisa Casali – sie gilt als eine der Vorreiterinnnen dieser ungewöhnlichen Garmethode. 

Meine erste Reaktion – igitt!! Kochen zwischen dreckigen Tellern und Kaffeetassen?

Doch meine Neugier wurde geweckt, und ich willige ein, mich und meine Familie als Versuchskaninchen zur Verfügung zu stellen – obwohl, Leerraum im Geschirrspüler? Den gibt's in einem vierköpfigen Haushalt eher selten.

Wie kocht die Spülmaschine

Das Kochen in der Spülmaschine funktioniert wie bei einem Dampfgarer. Intensivprogramme mit Temperaturen über 65 Grad eignen sich beispielsweise für Gemüse, erklärt Casali das Prinzip. Sparprogramme zwischen 45 bis 60 Grad hingegen sind optimal für das Garen von Fleisch und Fisch.

Ich koche eigentlich viel zu gerne, um frische Zutaten in Flüssigkeit ertränkt in ein Glas zu geben, und während des Kochens die Yogamatte auszurollen.
Ich koche eigentlich viel zu gerne, um frische Zutaten in Flüssigkeit ertränkt in ein Glas zu geben, und während des Kochens die Yogamatte auszurollen.
Bild: zVg

Während beim Braten oder Garen im Kochwasser wichtige Vitamine und Nährstoffe in Bratfett und Wasserdampf entweichen, bleiben sie bei der Geschirrspülmethode beinahe vollständig erhalten. Denn das Gargut ist ja luftdicht verpackt. 

Und noch ein Vorteil: Die Zutaten, Fisch und Fleisch im Speziellen, bleiben saftiger – dank der hohen Luftfeuchtigkeit und der konstanten Temperatur.

Sonntagsessen aus dem Geschirrspüler

So weit, so gut. Luftdicht verschraubbare Einmachgläser habe ich, Alufolie auch, also ran an die Menüplanung. Couscous, vielleicht Reis, Lachsfilet, Ratatouille, Eier – und welches Fleisch schmeckt denn auch dampfgegart?

Am Ende entscheide ich mich für pochierte Eier auf Cherrytomaten, Lachsfilet mit Dill und Zitrone, Dorsch mit Spinat und Tomaten, Ebly-Quinoa-Mix, Rüebli, Ratatouille, ein paar Babykartoffeln, und dann lege ich spontan noch ein ganzes Nussschinkli dazu.

Die Zutaten fülle ich in die Einmachgläser, gebe Gemüse- oder Fischbouillon dazu und ab und an einen Schuss Olivenöl. Lachs und Kartoffeln wickle ich in drei Lagen Alufolie – wahnsinnig ökologisch, aber ich trau der Sache einfach nicht ...

Foodbloggerin Lisa Casali präsentiert ihre Sardellenterrine aus der Spülmaschine.
Foodbloggerin Lisa Casali präsentiert ihre Sardellenterrine aus der Spülmaschine.
Bild: unicum.de

Dann fülle ich meinen Geschirrspüler und drücke das Knöpfchen. Das Programm heisst bei mir Pro, wird 70 Grad heiss und läuft etwa 2,5 Stunden. Jetzt heisst es also abwarten.

Von Däumchendrehen und fehlenden Sinnesfreuden

Zu Beginn finde ich es ja noch ganz toll, das Abendessen wird gekocht, ganz ohne mein persönliches Zutun. Dankbar für die gewonnene Zeit rolle ich seit Langem mal wieder meine Yogamatte aus. Doch nach einer knappen Stunde Entspannung fange ich langsam an, mich zu langweilen. Ehrlich! Ich mag es einfach, selbst am Herd zu stehen und mit der Zugabe von mehr oder weniger Hitze zu beeinflussen, was wann seinen Garpunkt erreicht. 

Auch die Kinder vermissen den Essensduft im Haus und wundern sich, ob das Nachtessen heute vielleicht ausfällt. Meine Antwort, dass der Geschirrspüler heute für uns kocht, quittieren sie mit einem ungläubigen Nasenrümpfen.

Um unsere knurrenden Mägen abzulenken, spielen wir noch ein paar Runden Rummikub – bis uns das abschliessende Pfeifen des Geschirrspülers zu Tisch ruft.

Schonkost wider Willen

Voller Vorfreude und Neugier machen wir uns an die Arbeit, schütten hier ein bisschen Wasser ab, rühren einmal kräftig um und leeren den Inhalt in die vorbereiteten Teller. Der Fisch sieht gar nicht so übel aus, denke ich noch, während ich die «pochierten» Eier mit Cherrytomaten vom Glas direkt in die Pfanne schütte. Das «Rührei aus dem Geschirrspüler» schmeckt dann auch mit am Besten.

Kartoffeln und Ratatouille sind dermassen knackig, dass sie wohl zur nächsten Mahlzeit nochmal im Kochtopf (und auf dem Herd!) landen.

Auch die Rüebli sind praktisch roh und trotz Zwiebeln und Gemüsebouillon ziemlich fad, das Ebly-Quinoa-Gemisch schmeckt auf den ersten Biss ganz gut, doch dann wird's irgendwie furchtbar pampig.

Ich habe die Gerichte bewusst so angerichtet, wie sie aus dem Geschirrspüler kamen. Zugegeben, von der Sterneküche ist das weit entfernt, aber visuell auch nicht ganz so schlimm, wie erwartet.
Ich habe die Gerichte bewusst so angerichtet, wie sie aus dem Geschirrspüler kamen. Zugegeben, von der Sterneküche ist das weit entfernt, aber visuell auch nicht ganz so schlimm, wie erwartet.
Bild: zVg

An den Fisch wage nur ich mich heran, allerdings mit grösster Skepsis. Glasig ist er nicht, das heisst er müsste eigentlich gar sein. Doch so richtig heiss ist das Essen aus dem Geschirrspüler nicht, und obwohl besonders der Lachs ganz gut schmeckt, kann ich lauwarmen Fisch nicht mit Genuss essen. 

Also weg damit. Zum Glück finden wir noch ein paar Cracker, Frischkäse, Gurken und Rüebli im Kühlschrank. Und, wer hätte das gedacht, das spontan dazugelegte Nusschinkli rettet unser Sonntagsessen und mich davor, eine hungrige Meute ins Bett zu schicken.

Fazit

Zugegeben, ich hätte mich ja an Casali's Rezepte halten können, anstatt selbst kreativ zu werden, vielleicht hätte es damit geklappt. Hier gibt's beispielsweise ihr Rezept für Sardellen-Terrine aus dem Spüli. 

Die gewonnene Zeit kann für viele ein Gewinn sein, mir fehlen aber Sinnesfreuden und Genuss. Statt nach Essen duftet's in der Küche nach Spülglanz, und gedämpftes Essen erinnert mich irgendwie immer an Spitalaufenthalte und Altersheime. 

Meine traurige Bilanz: Fisch, Spinat, Tomaten, Ebly-Quinoa, Rüebli und Zwiebeln wandern vom Teller direkt in den Kompost. Die korrodierte Alufolie landet im Recyclingsack. Der Geschirrspüler läuft, voll mit Weckgläsern und kaum benutzten Tellern, zum dritten Mal an diesem Tag. 

Was im Single-Haushalt funktionieren mag, wird sich meiner Meinung nach kaum zum Trend für Familien entwickeln. Denn von Nachhaltigkeit und Ressourcen schonen kann hier kaum die Rede sein.

Energiesparen leicht gemacht
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