Teil 30 Jedem seine Taktik (30/40)

Wohlan denn! Im Fussball finden sich unzählige strategische Möglichkeiten, um zum Erfolg zu kommen, mit oder ohne Offsidefalle, mit Viererabwehrkette oder Libero, mit Mann- oder Raumdeckung, offensiv oder defensiv.

Im Verlaufe der Fussballgeschichte sind die diversen Taktiken immer zahlreicher, komplizierter und spitzfindiger geworden.

Bei der Raum- oder Zonenabwehr beispielsweise ist jeder Verteidiger für seine Seite oder zumindest für einen gewissen Abschnitt verantwortlich also für den Gegner, welcher sich in dieser Zone präsentiert. Der Raum wird ‹eng gemacht›, das heisst, dem Gegner wird wenig Platz zur Entwicklung seines Spiels gewährt. Manndeckung bedeutet, dass der Verteidiger auf einen ganz bestimmten Spieler aufpassen muss und ihn auf Schritt und Tritt bewacht, wo immer er sich auch aufhält. «Der wäre mir wohl auch noch auf die Toilette gefolgt» tönt es dann manchmal von frustrierten Stürmern.

Mann- oder Raumdeckung? Offensiv oder defensiv Ausrichtung? Es gibt dazwischen noch jede Menge Mischformen, welche den Rahmen hier aber sprengen würden.

Die grundsätzliche Organisation einer Mannschaft zeigt sich in ihrem Spielsystem. Dieses wird durch drei Zahlen bezeichnet, welche die Anzahl Verteidiger, Mittelfeldspieler und Stürmer in dieser Reihenfolge angeben. Am häufigsten wird heute im 4-4-2-System gespielt, das heisst also mit 4 Verteidigern, 4 Mittelfeldspielern und 2 Stürmern. Daneben gibt es aber auch das 3-5-2, das 4-5-1 oder das offensive 4-3-3. Die Summe ergibt immer 10 (die 10 Feldspieler). Defensive Spielweisen (mit wenig Stürmern) werden von den Zuschauern mit Ausdrücken wie ‹Betonmischer›, ‹Abbruch-GmbH› oder ‹Morgarten-Stil› verunglimpft, weil Tore eben in erster Priorität verhindert werden (Catenaccio: 5-3-2!). Umgekehrt kommt manch ein Team auch mit seinem theoretischen 3-Mann-Sturm in der Realität kaum vom Fleck und zu Torchancen. Letztlich ist die Diskussion ohnehin akademisch: Das 4-3-3 mit leicht zurückhängendem rechten Flügel ist mit dem 4-4-2 mit offensivem rechtem Mittelfeldspieler identisch …

In der Praxis sieht es meistens anders aus

Bei drei Stürmern halten die beiden Flügel und der Mittelstürmer ihre Positionen relativ beständig ein. Sind nur zwei Stürmer, die so genannten beiden Sturmspitzen, nominiert, machen diese untereinander aus, wer sich wann links und rechts aufhält. Besonders erfolgsversprechend ist dann das Kreuzen: Um die Gegenspieler zu verwirren, spurtet der eine der beiden Stürmer von links nach rechts, der andere von rechts nach links vorwärts. Das 4-5-1 -System mit nur einer einzigen Sturmspitze muss nicht so defensiv sein, wie es aussieht: Die beiden äusseren der fünf Mittelfeldspieler haben viel freien Raum für Vorstösse und mutieren so zu verkappten Flügeln. Auf der Taktik-Tafel der Trainer entstehen eindrucksvolle Diagramme und Tabellen, geschmückt mit gestrichelten Linien, Symbolen und Pfeilen, welche die möglichen Laufwege der einzelnen Spieler darstellen. Diesen geistigen Höhenflügen steht die Realität auf dem Platz gegenüber: Wann sind die Spieler wirklich einmal so gruppiert wie auf der grandios gestalteten Taktiktafel? Fast nie! Vielleicht beim Anspiel … Man müsste das Video einer Partie schon akribisch genau absuchen, bis man die entsprechende Konstellation endlich einmal findet.

Täuscht das Gefühl oder wurde früher offensiver gespielt? Schauen wir uns doch einfach mal das gute alte Tischfussballspiel an. Was entdecken hier unsere entzückten Augen? 2 Verteidiger, aber 5 Mittelfeldspieler und 3 Stürmer. Na also! Hoch lebe der ‹Töggelikasten›! Auch, weil es bei ihm garantiert nie ein Offside gibt!

«Beni Thurnheer erklärt ...»
Wissen Sie, was ein «Hattrick» ist? Kennen Sie die Details der Offside-Regel?
Mit «Beni Thurnheer erklärt …» startet auf Bluewin und innerhalb der Menus von Swisscom TV eine neue Rubrik zur Fussball-WM in Russland, die auf witzige Art und Weise Licht ist ins dunkel bringen soll. Für Laien lehrreich, aber auch für Experten lesenswert, schildert die Reihe vierzig Sujets rund ums Thema Fussball - damit man die kommenden Wochen beim Fachsimpeln mitreden kann …