Interview Patrick Stewart: «Ich hatte Angst vor meinem Vater»

Von Marlène von Arx, Los Angeles

28.1.2020

Sir Patrick Stewart und Sir Ian McKellen (rechts) verstehen sich seit Jahren sehr gut.
Sir Patrick Stewart und Sir Ian McKellen (rechts) verstehen sich seit Jahren sehr gut.
Keystone

Neue Serie mit fast 80: Sir Patrick Stewart erklärt, wie der Brexit die Serie «Star Trek: Picard» inspiriert hat – und bei welcher Gelegenheit er mit Ian McKellen knutscht und mit Hugh Jackman Händchen hält.

Herr Stewart, willkommen zurück, Captain Jean-Luc Picard!

Wenn ich korrigieren darf: Picard ist pensioniert. Und als er sich pensionieren liess, war er Admiral.

Okay, Picard ist zurück, pensioniert und lebt auf einem Weingut. Weil Sie selber gerne Wein trinken?

Ich mag Wein, aber ich verstehe nichts davon. Meine Frau ist die Expertin. Es regt mich immer auf, wenn der Sommelier automatisch mir den Wein zum Probieren gibt.

Obwohl es im Trend liegt, beliebte Kino- und TV-Figuren nach vielen Jahren wiederzubeleben, ist ein Erfolg nicht garantiert. Sie hatten 17 Jahre Picard-Pause. Worauf muss man bei solchen Reboots achten?

Oh, das ist mir jetzt etwas peinlich: Von diesem Trend wusste ich gar nichts. Ich hatte nicht das Gefühl, ich müsste viel überlegen, wer Jean-Luc Picard heute ist. Seit der zweiten Staffel von «Next Generation» wusste ich nicht mehr, wo ich aufhöre und er anfängt. Er ist halt älter geworden, wie ich auch. Treppenlaufen ist jetzt ein gefährliches Abenteuer!



Es brauchte also nicht viel, Sie wieder an Bord zu bringen?

Doch doch. Ich wurde auch schon oft angefragt, die Rolle wieder zu spielen, aber ich lehnte immer ab. Ich hatte das Gefühl, ich hätte nichts mehr Neues zu Picard beizutragen. Aus purer Höflichkeit bin ich zum Meeting, hörte 45 Minuten lang ihren Ideen zu und sagte auch dieses Mal zuerst Nein.

Was hat Sie umgestimmt?

Zwei Tage später bekam ich einen 35-seitigen überarbeiteten Vorschlag, in dem viele meiner Ideen eingebracht waren. Das hat mich zu einem zweiten Meeting bewogen. Unsere Welt, vor allem die USA und Grossbritannien mit seinem tragischen Brexit, haben sich in den letzten Jahren so sehr verändert, wieso sollte sich die Welt von Picard und der Föderation nicht auch verändern?

Können Sie das etwas weiter erläutern?

Die Föderation ist nicht mehr zuverlässig und vertrauenswürdig. In der neuen Welt von «Star Trek: Picard» gibt es die Gefahr der Isolation, ein grosses Flüchtlingsproblem, eine Tendenz Richtung Faschismus. Wir beziehen uns also auf die Aktualität – was der «Star Trek»-Vater Gene Roddenberry selig früher strikt ablehnte. Aber keine Sorge: Wir haben den Segen seiner Familie.

Ein paar «Next Generation»-Kollegen wie Brent Spiner und Jonathan Frakes haben Gastauftritte. Wie war es, die alte Garde wiederzutreffen?

Einfach köstlich. Sie sind meine engsten und ältesten Verbindungen in Hollywood. Als wir 1987 anfingen, änderte sich mein Leben quasi über Nacht. Kein Aspekt meines Lebens blieb von «Star Trek» unberührt.

Inzwischen sind Sie ein «Sir» und im Sommer werden Sie 80 Jahre alt …

… genau. Ich bin ein Kriegsbaby. Ich habe mal ausgerechnet, dass ich vermutlich in der Nacht gezeugt wurde, bevor mein Vater, der Major bei den Fallschirmspringern war, einrücken musste. Aber ich hatte nie den Mut, meine Mutter zu fragen, ob ich richtig gerechnet habe.

Wow, Major bei den Fallschirmspringern?

Ja, sogar Sergeant Major. Er kämpfte bei der Schlacht von Monte Cassino. Er war ein Superstar. Der Mann, der seinen Job jetzt innehat, bemerkte einmal bewundernd, mein Vater sei sicher ein ganz aussergewöhnlicher Mensch gewesen. So hatte ich es gar nie betrachtet, denn ich hatte Angst vor ihm. Er war nicht immer nett.

Profitierten Sie von seinem Superstar-Status?

Nach seinem Kriegseinsatz wurde ihm die Stelle des Chef-Türstehers im prominentesten Luxushotel in London angeboten – Wohnung im Hotel inklusive! Aber er nahm das Angebot nicht an. Meine Mutter hatte Angst, in die Stadt zu ziehen und wollte im Dorf in Yorkshire bleiben. Ich frage mich manchmal, wie anders mein Leben verlaufen wäre, wenn ich in diesem Prunkpalast aufgewachsen wäre.



Wie werden Sie Ihren runden Geburtstag feiern?

Meine Frau organisiert eine Feier in Los Angeles und eine in London, weil Ian McKellen dort ist. Ich war letztes Jahr an seinem 80. Geburtstag, so soll er auch an meinen kommen. Ansonsten wird mein achtzigstes Jahr vor allem mit «Star Trek: Picard» ausgefüllt sein. Danach möchte ich wieder auf die Bühne. Kein Film und keine Fernsehserie ersetzt die Einmaligkeit einer Vorstellung vor einem Publikum.

Sie und Ian McKellen sind dicke Freunde. Wie muss man sich ein Treffen zwischen Ihnen beiden vorstellen?

Wenn wir uns treffen, umarme ich ihn und küsse ihn auf den Mund. Es ist wie ein Heimkommen. Er ist lieb, humorvoll und im Gegensatz zu mir hochgebildet. Er hat in Cambridge studiert. Ich verliess meine Schule, die vor allem Kohlebergwerk- und Stahlarbeiter hervorbrachte, bereits mit 15. Ian wurde auch viel früher in den Ritterstand gehoben als ich und im Theater ist er sowieso mein Idol. Wir haben «Warten auf Godot» zusammen gespielt und suchen ein weiteres gemeinsames Stück.

Können Sie sich auch eine Rückkehr zur «X-Men»-Familie vorstellen?

Wenn wir «Logan» nicht gemacht hätten, in dem Wolverine und Charles Xavier beide das Zeitliche segneten, wäre ich schon bereit, nochmals in den Rollstuhl zu sitzen. Aber sowohl Hugh Jackman wie ich haben uns bewusst von diesen beiden Rollen verabschiedet. Deshalb kamen wir an der Premiere in Berlin sogar ins Schluchzen. Die letzten acht Minuten während der Vorführung waren so emotional, wir hielten sogar Händchen.

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