Interview Drogen? «Patrick Melrose»-Star Benedict Cumberbatch machts anders

von Marlène von Arx

29.5.2018

Humorig kaputte und leicht irre Typen zu spielen, liegt ihm. Das hat er schon in «Sherlock» bewiesen. Jetzt ist Benedict Cumberbatch zurück im TV – als versnobter Suchthaufen. Privat hat er mit Drogen aber nichts am Hut. Das Interview.

Bei Benedict Cumberbatch (41) läufts rund: «Avengers: Infinity War», in dem er als Doctor Strange zu sehen ist, ist inzwischen auf Platz 5 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Und im Fernsehen überzeugt er aktuell als drogensüchtiger Snob, der als Kind vom Vater sexuell misshandelt wurde, in der Serie «Patrick Melrose». Selber Vater zweier Söhne erklärt der Brite im Interview, wieso er diese Rolle unbedingt spielen wollte, welche Avengers ihm am nächsten stehen und in welcher Beziehung er sich ein bisschen fad findet.

Etwas noch vorneweg: «Bluewin» trifft Benedict Cumberbatch am Tag nach der «Avengers: Infinity War»-Weltpremiere in Los Angeles. Und er möchte gleich von Anfang an etwas klarstellen: «Entschuldigen Sie, aber man feiert ja nicht jeden Tag die Weltpremiere eines 'Avengers'-Film, daher bin ich ein bisschen verkatert. Aber zu 'Patrick Melrose' passt das ja.»

«Bluewin»: Stimmt, denn in der ersten Episode der Mini-Serie «Patrick Melrose» sind Sie quasi nonstop betrunken oder auf Drogen. Oder beides. Wie haben Sie sich auf diese Spirale in den Abgrund vorbereitet?

Benedict Cumberbatch: «Patrick Melrose» basiert auf den Büchern von Teddy, also Edward St. Aubyn, und ist autobiographisch. Er war sehr offen mit mir, was das anging. Er ist inzwischen auch ein Freund geworden. Dazu habe ich mit einem Ärzte-Team über die Gründe und die Psychologie von Sucht gesprochen, welche Drogen in welcher Abfolge genommen werden - das ist eine richtige Wissenschaft - sowie über das Benutzen der Drogen-Utensilien bis zum spastischen Effekt danach. Ich kenne das alles ja nicht aus eigener Erfahrung, aber ich wollte, dass alles stimmt.

Sind Sie selber nach etwas süchtig oder von etwas besessen?

Nein, das war ich auch nie. Ich hatte immer viele verschiedene Interessen. Darauf bin ich nicht sonderlich stolz. Ich hätte mich gerne für einen Fussball-Club begeistert oder wäre ein Super-Fan einer TV-Serie gewesen, aber für mich gab es das nicht. Es gab auch keine Comic-Spielzeug-Sammlung. Sorry, in dieser Beziehung bin ich ein bisschen fad.

Mit Alkohol und Drogen wird oft psychisches Leid überdeckt. Wie behandeln Sie Ihre psychischen Schmerzen?

Ich habe nichts so Schlimmes erlebt wie Patrick Melrose, also sind auch keine extremen Massnahmen erforderlich. Aber ich meditiere. Und ich tanze zur Aufheiterung oder schaue «Die Simpsons».

Was hat Sie also an dieser reichen, aber unglücklichen und misshandelte Figur Patrick Melrose gereizt?

Die fünf Patrick-Melrose-Bücher, auf denen die Mini-Serie beruht, gehören zu den ganz grossen literarischen Werken des 21. Jahrhunderts. Nicht nur stilistisch, sondern auch als Einblick in das menschliche Befinden. Es ist die Geschichte einer Eltern-Kind-Beziehung. Von Misshandlung, Sucht, Entzug, Rettung - und trotz all der düsteren Themen unglaublich humorvoll und mit Hoffnung am Ende. Es gibt für einen Schauspieler also enorm viel Material darin.

Stimmt es, dass Sie sich via Internet um die Rolle beworben haben?

In gewisser Weise. Ich habe in einem Interview auf der Reddit-Webseite auf die Frage, welche Rollen ich denn in Zukunft gerne spielen würde, geantwortet: Irgendwann mal Hamlet und Patrick Melrose - oder sonst eine Rolle aus deren Büchern. Ich war sicher, dass jemand über die Verfilmung nachdachte. Es war das erste Mal, dass ich quasi einen Stein in den See plumpsen liess und mal schaute, wie weit ihn der Welleneffekt tragen würde. Und siehe da: Es kam den potentiellen Produzenten zu Ohren, und sie haben darauf sofort meinen Agenten kontaktiert.

Ist es schwierig für Sie, sich am Abend auf die Familie zu konzentrieren, wenn Sie sich tagsüber mit so einer krassen Geschichte auseinandersetzen?

Nein, ich lasse meinen Job auf dem Set zurück. Bei mir läuft derzeit ganz schön viel ausserhalb der Arbeit - zum Glück, so muss ich mich gar nicht so sehr bemühen, die Rolle am Abend abzuschütteln. Ich finde, es lohnt sich, diese dunklen Seiten aufzusuchen, denn es gibt ein Licht am Ende des Tunnels. Und es ist wichtig, dass die, die so etwas tatsächlich durchgemacht haben, sehen, dass wir ihre Erfahrungen ernst nehmen. Auch wenn der Stoff manchmal witzig verpackt daherkommt.

Sie haben inzwischen zwei Söhne. Wie hat das Ihre Weltsicht verändert?

Ich rede in der Öffentlichkeit nicht über meine Kinder oder wie ich mich als Vater sehe. Aber so viel kann ich sagen: Jede Lebenserfahrung lehrt einen letztlich etwas Neues. Teddy ist ein wunderbarer Vater, insbesondere wenn man bedenkt, was für furchtbares Leid er durch seinen Vater erlebt hat.

Erinnern Sie sich gerne an Ihre eigene Kindheit?

Ja, ich hätte mir keine bessere wünschen können. Wenn ich einen halb so guten Job wie meine Eltern mache, bin ich auf dem rechten Weg.

Was ist Ihre früheste Kindheitserinnerung?

Meine früheste Erinnerung ist wohl, dass ich im Garten der Grossmutter von der Schaukel gefallen bin. Ich weiss noch, wie der Horizont auf einmal kippte. Ich schlug mit dem Kopf auf den Pflastersteinen auf. Es tat recht weh und ich bekam Eis aufgelegt. Das hat meine Mutter bestätigt. Und das erklärt vielleicht auch vieles (lacht).

Sie haben eingangs «Avengers: Infinity War» erwähnt. Die Star-Dichte ist da ja enorm. Mit wem sind Sie besonders befreundet?

Die Avengers sind tatsächlich wie eine grosse Familie, aber wie bei den grossen Familientreffen stehen in der Ecke irgendwelche Cousins, die man gar nicht kennt. Tom Holland und Tom Hiddleston sind sicher Freunde und Sebastian Stan, den ich kennenlernte, als er in London den ersten «Captain America» drehte.

Es hiess, selbst die Schauspieler hätten keine ganzen Drehbücher bekommen. Wie ist es für Sie, an so einer geheimen Mission zu arbeiten?

Mich betraf das nicht. Ich brauchte eine Übersicht, die habe ich bekommen und wie sich an der Premiere bestätigte, war das auch die tatsächliche End-Version. Übrigens: Ich bekam einen Hard Copy-Ausdruck. Also bitte, Russland, oder wer auch immer: Bitte nicht meinen Computer hacken! Da ist kein Gold drin!

«Patrick Melrose» läuft ab Dienstag, 29. Mai, um 21.15 Uhr auf Sky 1 HD. 

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