Schweizer in L.A. III Serien-Regisseurin Brauen sagt: «Der Druck ist enorm»

Von Marlène von Arx

5.4.2020

Yangzom Brauen, Bernerin mit tibetischen Wurzeln, wollte Hollywood als Schauspielerin erobern. Aber jetzt startet startet sie dank eines Tricks als Serien-Regisseurin durch.

Yangzom Brauen ist mit ihrer ersten «MacGyver»-Episode gerade noch fertig geworden, bevor auch Hollywood dichtmachte. Fernsehserien haben ihre Jahreszeiten: «Im März, spätestens April sind die Staffeln normalerweise abgedreht, und im Juli geht’s dann mit den neuen los», erklärt Yangzom Brauen.

Die Regisseurin mit schweizerisch-tibetischen Wurzeln meldet sich deshalb jetzt aus La Quinta, zwei Auto-Stunden ausserhalb von Los Angeles. In ihrem Haus in der Wüste fühlt sie sich während der Corona-Krise momentan am sichersten: «Mir ist eigentlich erst jetzt so richtig bewusst geworden, was man den ganzen Tag so alles anfasst – vom Liftknopf bis zum Zapfhahn an der Tankstelle. Das mit dem Händewaschen macht also wirklich Sinn.»

Schrittweise hinein gekämpft

Yangzom Brauen ging als Schauspielerin nach Hollywood, hat sich aber inzwischen als Regisseurin von Serien einen Namen gemacht. In dem relativ kleinen Kreis von Serien-Regisseuren hat sie sich schrittweise hinein gekämpft: Zuerst drehte sie die Komödie «Who Killed Johnny?» mit Kollegen Carlos Leal und Melanie Winiger bei sich zu Hause, dann einen Kurzfilm über Kindersoldaten («Born in Battle»). Bei einem Screening von «Born in Battle» lernte sie den TV-Regisseur Dennis Smith von «NCIS: Los Angeles» (deutscher Titel «Navy: CIS L.A.») kennen.



Er verriet ihr den Trick ins Business: Man müsse einem etablierten Episoden-Regisseur eine Weile bei der Arbeit über die Schulter schauen, und dann bekäme man vielleicht eine Chance, es einmal selber zu versuchen.

«Ich habe mich dann in regelmässigen Abständen um eine solche Beschatter-Position bei ihm beworben, bis er endlich zusagte», erinnert sich Brauen lachend.

Vor zwei Jahren gaben ihr die Produzenten dann tatsächlich grünes Licht, eine Episode von «NCIS: Los Angeles» mit Chris O’Donnell und LL Cool J zu inszenieren. Natürlich habe es ihr auch geholfen, in Zeiten von #TimesUp eine Frau und eine Minderheit zu sein. «Aber zuerst musste ich beweisen, dass ich etwas kann.»

Inzwischen hat sie bereits fünf Episoden für diese Krimi-Serie gedreht. In einer konnte sie ihrer Landsfrau Tina Masafret eine kleine Nebenrolle verschaffen. Dazwischen hat sie je eine Episode von «Hawaii Five-0», «MacGyver» und «Station 19» abgedreht.

«Der Druck ist enorm. Wenn man die Arbeit nicht top macht, kriegt man danach keinen Job mehr», bringt die Bernerin auf einen Punkt, was für sie jedes Mal neu auf dem Spiel steht. «Vor allem, wenn man für eine neue Show angefragt wird: Da arbeiten eingespielte Teams, und dann kommt eine, die sie nicht kennen. Aber ich mag Herausforderungen.»



Als besondere Herausforderung entpuppte sich die «Grey’s Anatomy»-Spinoff-Serie «Station 19». Es ist Yangzom Brauens erste Arbeit für den Sender ABC und für das Shonda Rhimes’ TV-Imperium Shondaland, das nun auch Serien für Netflix produziert. Ihre dramaturgisch anspruchsvolle Episode wurde von «Grey’s Anatomy»-Showrunnerin Krista Vernoff geschrieben, eine der mächtigsten Frauen im Serien-Fernsehen. Und als ob das nicht schon genug Stress gewesen wäre, kam noch ein Schicksalsschlag hinzu.

«Am ersten Drehtag starb meine Grossmutter und ich brach auf dem Set zusammen», so Brauen. «Ich wurde sofort umarmt und gefragt, ob ich nach Hause muss. Aber das wollte ich nicht. Ich verabschiedete mich in den letzten Jahren immer von meiner Mola, als sei es das letzte Mal.»

Brauens 103-jährige Grossmutter war ein wichtiger Bestandteil der Familie: Yangzom schilderte Molas Flucht mit der Tochter aus Tibet und ihre Übersiedelung ins Land ihres Schwiegersohnes im Buch «Eisenvogel».

Nepal muss warten

«Nach Abschluss der Dreharbeiten bin ich dann in die Schweiz. Das ganze war natürlich auch sehr hart für meine Mutter, die ihr ganzes Leben mit Mola verbracht hat. Sie hat eine grosse Leere hinterlassen.» Im April wollte die Familie nun Molas Asche nach Nepal bringen, aber das musste wegen des Coronavirus verschoben werden.

Die Filmemacherin nutzt die Zeit nun, am Dokumentarfilm über ihre Grossmutter weiterzuarbeiten, ein Projekt, das sie mit ihrem Vater, dem Ethnologen Martin Brauen, begonnen hat: «Es geht jetzt hauptsächlich darum, mal alle Aussagen, die ich im Film haben will, zu übersetzen und zu untertiteln, damit sich auch ein Cutter damit befassen kann, der nicht tibetisch spricht.»

Denn wenn es in Hollywood wieder los geht, hofft Yangzom Brauen auf einen nächsten Meilenstein: Krista Vernoff hat eine Serie über die Aktivistin Erin Brockovich zu Faden geschlagen. Wenn der Sender nach der Pilot-Folge das Okay zur Serien-Produktion gibt, will Yangzom Brauen bei den ersten Regisseurinnen sein, die für eine Episode angeheuert werden.

Und wie wird sie in zwei Wochen unter gegebenen Umständen ihren 40. Geburtstag feiern? «Bekannten von mir gehört ein rustikaler Wohnwagen. Er steht ganz abgeschieden in der Natur. Dort werde ich die Unendlichkeit geniessen.»

Die «Star Wars»-Drehorte.

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