Nach der nationalen 1.-August-Sendung auf SRF weiss TV-Experte Gion Mathias Cavelty: Es braucht Sven Epiney mehr denn je.
«Wie geit's eigentlich wiiter – mit üs allne, mit de Schwiiz?»
Diese Frage eines ernsthaften, nachdenklichen Mannes hing wie ein Damoklesschwert über der nationalen 1.-August-Sendung «Lueget vo Berg und Tal», die gestern Abend auf SRF 1 ausgestrahlt wurde.
Ja, es sind unsichere, bittere, traurige Zeiten momentan – für uns alle, für die Schweiz. Aber dieser ernsthafte, nachdenkliche Mann ... irgendwie hatte ich das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben. Und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Das war doch der Sven! Sven Epiney! Der war doch früher überall! Heisst: Wann immer man das Schweizer Fernsehen einschaltete, tauchte er mit 100prozentiger Garantie auf! Stets wirkte er ein bisschen überdreht/übermotiviert. Doch das ist lange her ... und offenbar hat der Zahn von Corona auch an ihm genagt.
«Sven! Sag es uns! Sag uns, wie es mit uns allen weitergeht!», flehte ich in Richtung Fernsehbildschirm. «SAG ES!»
Doch Sven sagte es nicht. Respektive sagte er: «Das isch e Frag, wo mir nid chöi beantworte. No steit's i de Stärne. Aber egal was chunnt: Mir schaffe das!»
Verboten seicht
Was dann effektiv kam: Adrian Stern mit dem Song «Mir schaffe das» (Zitat: «Mir sind im gliiche Boot/Aber ufem falsche Dampfer»). Ich habe es dann auch tatsächlich geschafft, ihn mir bis zum Ende anzuhören. Das Lied war schon sehr, sehr, sehr seicht. Seicht wie die ganze Sendung. Eigentlich verboten seicht.
Warum nicht den philosophischen, grüblerischen Sven Epiney einfach mal 100 Minuten lang wild drauflosphilosophieren und -grübeln lassen? Bestimmt wäre er zu überraschenden, mutigen, radikalen Lösungen für die Probleme der gesamten Menschheit gekommen! Das wäre doch die wahre Berufung von Sven Epiney. Sein wahres Talent. Nicht so vorformulierte Sätze mit unlustigen Pointen in die Kamera sprechen wie eben jenen mit «das steht in den Sternen» und dann kommt Adrian Stern. Das bist nicht du, Sven!
100 Minuten wurde auf dem Motorschiff «Lugano» auf dem Luganersee herumgetuckert; dies unter dem Motto «Wir sitzen alle im gleichen Boot». In Einspielern wurden «stille Alltagsheldinnen und -helden aus allen Sprachregionen» und ihre Lieblingsorte in der Schweiz portraitiert (darunter eine freiwillige Telefonseelsorgerin oder der Genfer Miterfinder des hydroalkoholischen Händedesinfektionsgels); die Boot-Metapher wurde ausgiebig bemüht («Heute feiern wir unseren Willen, zusammenzubleiben – im gleichen Boot»); Boot, Boot, Boot, Boot, Boot; zusammenbleiben, zusammenhalten, zusammenstehen; irgendwann konnte man es nicht mehr hören.
Die Lieblingsorte: allesamt ultra-provinziell – ein 17-Seelen-Dörfchen im Nirgendwo, ein Brätel-Plätzchen am Ufer der Saane, die Taubenlochschlucht, ein Bauernhof mit apfelfressenden Gäulen, ein halbzerfallenes Tessiner Villaggio, ein Wasserfällchen. Herzig bis zum totalen Overkill. Grosstadt ist pfui!
Absolut nix blieb haften
Es gab dermassen viele Portraits von stillen Helden, Talkgäste auf dem Deck des Schiffes (Alain Berset, Mujinga Kambundji, Nino Schurter, Daniele Finzi Pasca, Christian Stucki), Moderatoren (aus jedem Landesteil eine/r) und musikalische Einlagen, dass absolut nix haften blieb.
(Was mich als romanischsprachigen Bündner dann doch gefreut hat: Wie gut sich die Rumantschia verkauft hat. Moderatorin Corina Schmed von RTR war soooooooooo sympathisch!)
Doch das Damoklesschwert, das über dem Motorschiff «Lugano» schwebte, war jederzeit spürbar.
Sven! Rette uns! Du bist unsere einzige Hoffnung!
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