Der Fussball schreibt viele Geschichten. Schöne und weniger schöne. Der Fussball schreibt aber gelegentlich auch unglaubliche Geschichten. Wie jene des 19-jährigen Gambiers Ebrima Darboe.
Es sind traumhafte Mai-Tage, die er gerade erlebt. Am 2. Mai debütierte Ebrima Darboe in der Serie A, wurde als Einwechselspieler bei der 0:2-Niederlage der AS Roma gegen Sampdoria Genua für die letzten sieben Minuten aufs Feld geschickt. Vor einer Woche ersetzte der Youngster dann beim 3:2-Sieg der Römer gegen Manchester United nach 30 Minuten den verletzten Chris Smalling, behauptete sich auf höchstem Level und erhielt danach von allen Seiten Komplimente für seinen Auftritt.
Was wiederum direkte Folgen hatte. Bei Romas 5:0-Sieg am letzten Sonntag gegen Crotone stand Darboe erstmals in der Startaufstellung und erneut überboten sich die italienischen Gazetten anschliessend gegenseitig beim Kreieren von Lobeshymnen. Zudem wurde der defensive Mittelfeldspieler von den Fans auch noch zum Mann des Spiels gewählt. Beeindruckend ist neben seiner Technik die für sein Alter bereits ausgeprägte Spielintelligenz und Abgebrühtheit.
Auch im Spitzenspiel gegen den souveränen Meister Inter (1:3) durfte er am Mittwochabend erneut von Anfang an ran, was dann schon fast einem Ritterschlag gleichkommt.
Die Flucht vor der Hungersnot und dem Krieg
Von ungefähr kommt Darboes Coolness kaum. Denn wenn man, wie er in seinem noch jungen Leben, schon so viel Leid und Schmerz erlebt hat, dann können einem auch Fussballspiele gegen Manchester United oder Inter Mailand nicht wirklich beunruhigen und schon gar nicht aus der Bahn werfen. Sondern man kann diese besonderen Momente wohl umso mehr geniessen. «Der Trainer hat mir einfach gesagt, ich soll meine Lockerheit behalten und das habe ich versucht zu tun, um dem Team zu helfen», sagt der Betroffene selbst.
«Vor fünf Jahren war ich noch in Afrika und habe diese Spieler im TV gesehen. Jetzt bin ich selbst da draussen und spiele gegen einige von ihnen, das ist unfassbar», zeigte sich Darboe beeindruckt. Damals, vor fünf Jahren, begann in Gambia auch seine lange Reise in die Ungewissheit.
Er entfloh dem Krieg und der Hungersnot, verliess mit der Hoffnung auf ein besseres Leben im zarten Alter von 14 Jahren schweren Herzens und unter Tränen die Familie. Seine geliebte Mutter, seinen Bruder und seine zwei Schwestern. Der Vater war schon zuvor gestorben. «Es gab nicht genug zu essen für uns alle», erinnert sich das heutige Fussball-Juwel an die schweren Zeiten in der Heimat zurück.
Zunächst ging es in einem überfüllten Bus ins 3500 Kilometer entfernte Libyen. Dort geriet der Teenager dann in die falschen Hände von Menschenhändlern, wurde geschlagen und missbraucht. Und dann gab es auch noch Probleme mit seinem Visumantrag für Italien und so musste er in einem völlig überladenen Flüchtlingsboot den Weg nach Sizilien antreten.
Zurück zum Fussball nach drei Jahren Pause
In Italien angekommen, erhielt Darboe endlich seriöse Hilfe in einem SPRAR-Center, einer Schutzorganisation für Flüchtlinge und Asylsuchende. Er wurde zu einer Familie in Rieti gebracht und begann nach einer dreijährigen Pause auch wieder mit Fussballspielen. Nach all dem Leid, den seelischen und körperlichen Schmerzen und der Lebensgefahr, der er sich permanent ausgesetzt hatte, begann nun sein märchenhafter Aufstieg.
Darboe wurde von Scouts der AS Roma entdeckt und in die Landeshauptstadt geholt. 2019 debütierte er schliesslich in der U21 und entwickelte sich zu einem Eckpfeiler des Nachwuchsteams. Seit dieser Saison darf er mit der ersten Mannschaft trainieren und verdient inzwischen 50'000 Euro jährlich, von denen er fast den ganzen Betrag nach Hause schickt. Und dann kam eben der Mai 2021, mit dem Debüt in der Profi-Equipe, mit den Auftritten im grossen Scheinwerferlicht.
«Ich musste durch eine lange Reise gehen und es war teilweise sehr hart, um hierhin gelangen zu können. Doch seit ich in Italien bin, hat sich mein Leben komplett verändert und dafür bin ich einfach nur dankbar», sagt der afrikanische Flüchtling. Als das Happy End seiner unglaublichen Geschichte sieht er seine ersten Matches mit der ersten Mannschaft der AS Roma aber noch nicht: «Ich habe noch nichts erreicht und noch einen langen Weg vor mir.»
Wenn sich aber jemand mit langen Wegen auskennt und sich davon nicht abschrecken lässt, dann ist das Ebrima Darboe.
Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – sie dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.