Interview Joey Kelly: «Kenne Schweizer Fans, die können ... das ist Wahnsinn»

Von Carlotta Henggeler

22.1.2020

Die Kelly-Brüder Angelo und Joey sagen im «Bluewin»-Interview, wer der Chef ist, warum sie die Schweiz lieben und was ihnen Luxus bedeutet.

Draussen nieselt's, es ist nass und grau: Das hält keinen echten Kelly-Family-Fan davon ab, Stunden vor dem Gig anzustehen. Auf der XXL-Bühne läuft der Soundcheck auf Hochtouren. In den Katakomben des Hallenstadions wärmt sich die Kelly Family auf. Joey (47) und Angelo (38) sitzen gut gelaunt in ihrer Garderobe und freuen sich auf ihre Schweizer Anhänger – die gebildetsten überhaupt, wie sie sagen. 

1974 wurde die Kelly Family von Eurem Vater Daniel gegründet. In den 90ern seid Ihr Superstars gewesen. Zwischendurch hat sich die Band aufgelöst. Heute steht Ihr als bekannteste Musik-Familie wieder vor den Fans. Was hat sich für Euch alles verändert?

Joey: Wir waren auch schon früher in Zürich, haben auf der Strasse gespielt. Zwischen 2002 und 2004 waren wir als Kelly Family nicht mehr aktiv, haben pausiert. 14 Jahre später, also vor zweieinhalb Jahren war unser Comeback. Wir sind jetzt älter – ich kann das Ganze heute viel mehr geniessen.

Ihr seid alles Persönlichkeiten. Wie gut funktioniert es, zusammen auf der Bühne zu stehen?

Angelo: Auf der Bühne funktioniert es am besten. Da sind wir uns am meisten einig. Wir sind aber auch bekannt dafür, dass wir so unterschiedlich sind. Es gibt Leute, die kommen zum ersten Mal zum Konzert und denken: Ihr seid wahnsinnig, ihr macht Pop, Hardrock und Folk. Wir dürfen alles machen, was wir wollen. Die Leute akzeptieren das nicht nur, sie erwarten das von uns. Wir sind die Diversity-Band schlechthin. Wir machen das als Einheit, weil wir das glauben und auch auf der Bühne spüren. Wenn wir uns nicht einig sind, dann ist es eher hinter der Bühne, wir sind eine Familie, wie alle andere auch – da gibt es auch mal Meinungsverschiedenheiten. 

Ihr seid ein Familienunternehmen. Wer ist Euer CEO?

Joey: Als mein Vater noch gesund war, war er der Chef. Dann gab es verschiedene Bereiche und verschiedene Zuständigkeiten. Seit zweieinhalb Jahren ist Angelo unser musikalischer Leiter, der auch fürs Business zuständig ist.

Euer Repertoire ist gross. Habt Ihr einen Lieblingssong?

Joey: Ja, auf dem aktuellen Album «Over the Hump» gefällt mir «We Had A Dream» von Jimmy super, den finde ich sehr stark. Oder Angelos «I Can't Help Myself».

Angelo: Ich spiele ja noch Schlagzeug, da gibt es Songs, die spiele ich gern, höre sie mir aber nicht gern an. Meine eigene Musik höre ich zu Hause nicht. Man hört Musik, um sich inspirieren zu lassen. Mit der eigenen Musik drückt man sich eher aus. 

Womit inspirieren Sie sich?

Angelo: Ich höre querbeet, sammle Schallplatten. So geniesse ich Musik am meisten, ich habe über 2'000 Schallplatten, davon ist etwa die Hälfte Bebop-Jazz aus den 50ern und 60ern. Sonst ist alles dabei, von Grunge bis zu den Singer & Songwritern der Welt.

Eure Konzerte sind Mehrgenerationen-Konzerte – Eure Fans von früher kommen inzwischen mit ihren Kids.  

Angelo: Dieses Mal, wenn wir die Arenen füllen, ist auch das Publikum dabei, das uns auf der Strasse zuhörte. Wir haben die älteren, die auch Kinder haben, deren Onkel, die ganze Familie. Als es in den 90ern durch die Decke ging, hat man uns vor lauter hysterischem Gekreische nicht mehr gehört. Wir uns auch nicht. 

Joey: Total, wir hätten nicht gedacht, dass Konzerte ohne Gekreische möglich sind (lacht).

Eine Mehrgenerationenband.

Angelo: Ich finde den Begriff gut. Wir sind ja auch eine Mehrgenerationenband, Joey ist 20 Jahre älter als ich (lacht). Im Ernst: Zwischen mir und Katy sind 20 Jahre dazwischen, also sind zwischen uns auch mehrere Generationen. 

Wie ist es für Euch, in der Schweiz aufzutreten?

Angelo: Es ist ein sehr loyales Publikum, es gibt Länder, die sind uns sehr treu geblieben, dazu gehört auch die Schweiz. Wir sind dankbar. Generell sagt man, die Schweizer seien ein ruhiges Volk. Also bei unseren Konzerten stimmt das nicht. Bei uns geht es gut ab.

Joey: Ich finde die Schweiz das schönste Land in Europa.

Angelo: Das hast du gestern in Belgien auch gesagt (Gelächter).

Joey: Wir waren gar nicht in Belgien, wir waren in Stuttgart.

Und, mögt Ihr jetzt die Schweiz?

Joey: Mein Mittelpunkt ist in Deutschland, wegen der Familie meiner Frau. Wäre das nicht, würde ich in der Schweiz leben. Du hast Frankreich, Italien, Österreich und Deutschland um die Ecke. Tolles Essen, tolles Wetter – und es ist ein sicheres Land.

Angelo: Unsere Schweizer Fans sind die gebildetsten Fans, die es überhaupt gibt. Wir denken immer, wir können viele Sprachen. Ich kenne Schweizer Fans, die können fünf Sprachen. Das ist der Wahnsinn …

Angelo: Was die Schweiz an Lebensqualität bietet, ist unschlagbar! Diese Berge, die Seen, das Wetter – alles. 

Die Kelly Family war finanziell schon einmal am Ende. Was bedeutet Euch Luxus?

Angelo: Wenn man Zeit hat, hat man wenig Geld und umgekehrt. Daher ist für mich Luxus, Zeit für die Familie zu haben. Unsere Branche ist ein Rauf und Runter. Deshalb werde ich auch mal Nein sagen bei Anfragen, auch wenn diese gutes Geld bringen würden. 

Joey: Für mich bedeutet es Lebensqualität, Gesundheit und Freiheit, Reisen, Kultur, Familie und Zeit. Geld ist Mittel zum Zweck, es erleichtert gewisse Sachen. Aber es erfüllt nicht.

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