True-Crime-Serie «The Ripper»Für einmal dreht sich nicht alles um den Täter
Von Monika Rufener
19.1.2021
Das Genre True Crime ist so beliebt wie umstritten, der Grat zwischen sinnvoller Aufarbeitung und Pietätlosigkeit schmal. Obwohl die neue Netflix-Serie «The Ripper» vieles richtig macht, gibt es Kritik.
Das True-Crime-Genre erfreut sich seit Jahren grosser Beliebtheit. Neue Podcasts und Youtube-Formate schiessen wie Pilze aus dem Boden – mal mehr, mal weniger professionell. Auch Netflix hat spätestens seit Serien wie «Making a Murderer» und «Don’t F*** with Cats» das enorme Hit-Potenzial von Crime-Dokumentationen für sich entdeckt.
Mit der steigenden Popularität wurde jedoch auch die Kritik lauter: Das True-Crime-Genre sei effekthascherisch und befriedige vor allem die Sensationsgelüste der Zuschauer, was angesichts des durch die Taten verursachten Leids alles andere als angebracht ist. Der grösste Kritikpunkt ist zudem die oftmals starke Fokussierung auf den Täter. Den Opfern und Angehörigen hingegen wird kaum je eine Stimme gegeben.
Diskriminierung durch die Polizei
Die Macher der True-Crime-Serie «The Ripper» (dt. Titel «Der Yorkshire Ripper») scheinen sich diese Kritik zu Herzen genommen zu haben: Die vierteilige Dokumentation beleuchtet eine Mordserie, die England zwischen 1975 und 1980 in Angst und Schrecken versetzte. Insgesamt 13 Frauen fielen einem Mann namens Peter Sutcliffe zum Opfer, den die Boulevard-Presse als «The Ripper» bezeichnete.
Die Dokumentation konzentriert sich dabei nicht auf die seelischen Abgründe, die möglichen Motive und das Leben des Täters. Sie lässt hauptsächlich Angehörige der Opfer, Überlebende und andere Zeitzeugen zu Worte kommen. Dies hat einen, in True-Crime-Formaten seltenen, Perspektivenwechsel zur Folge.
Die Serie thematisiert unter anderem die Diskriminierung, welche die Angehörigen der Opfer erfahren mussten, da einige der Frauen ihren Lebensunterhalt auf dem Strassenstrich bestritten. So bezeichnete die Polizei die Opfer unter anderem als schlechte Mütter und «leichte Mädchen». Einen weiteren Schwerpunkt der chronologisch erzählten Geschichte stellt zudem die Frauenbewegung dar, welche durch die schlechte und teils schlichtweg sexistische Polizeiarbeit zunehmend mobilisiert wurde.
Serientitel ist «unverantwortlich und unsensibel»
Trotz der guten Ansätze muss sich die Dokumentation mit Kritik auseinandersetzen. Angehörige – unter anderem auch solche, welche in der Kurzserie auftreten – kritisieren die Titeländerung von Netflix. Die Serie hiess ursprünglich «Once Upon a Time in Yorkshire» (zu Deutsch: «Es war einmal in Yorkshire»), wurde dann aber vom Streamingdienst kurzerhand in «The Ripper» umbenannt.
In einem offenen Brief, der in der «Sunday Times» veröffentlicht wurde, schreiben Familienangehörigen, der Übername «The Ripper» habe sie in den vergangenen vier Jahrzehnten traumatisiert. Er trage zur Glorifizierung der brutalen Taten von Peter Sutcliffe bei und sei auch wegen der inhaltlichen Bedeutung äusserst problematisch: «Bitte denken Sie daran, dass sich das Wort ‹Ripper› auf das Zerreissen von Fleisch bezieht und die wiederholte Verwendung dieses Ausdrucks unverantwortlich, unsensibel und eine Beleidigung für unsere Familien und das Vermächtnis unserer Mütter und Grossmütter ist», so ein Zitat aus dem offenen Brief.
Einige Angehörige betonen, dass sie nicht in der Dokumentation mitgemacht hätten, wenn sie bereits vorher von der Titeländerung gewusst hätten. Gemäss «The Independent» äusserte sich Netflix nur mit einem kurzen Statement zum Vorwurf der Glorifizierung: «Dies ist keine Serie über Sutcliffe, sondern eine sensible Aufarbeitung der Verbrechen im Kontext des Englands der späten 1970er-Jahre.»
Sutcliffe selbst hat die Diskussion um die Titeländerung und die Veröffentlich der Netflix-Dokumentation über seine Verbrechen nur knapp nicht mehr miterlebt. Der Serienmörder verstarb am 13. November 2020 an den Folgen einer Covid-Infektion.
«The Ripper» (dt. Titel «Der Yorkshire Ripper») ist seit dem 16. Dezember auf Netflix verfügbar.