Helena Zengel im Interview«Wegen den Golden Globes habe ich am Montag frei bekommen»
dpa/che
24.2.2021 - 11:21
Sie ist erst zwölf Jahre alt, hat aber schon mit Tom Hanks gespielt und ist nun für einen Golden Globe nominiert. Wie geht es der Schülerin Helena Zengel aus Berlin vor dieser grossen Verleihung in Hollywood? Ein Interview.
Eigentlich ist Helena Zengel in Berlin, aber bei dem Video-Interview hat sie das Bild einer kargen, steinigen Landschaft hinter sich. Das sieht aus, als würde die zwölfjährige Schülerin mitten in der Prärie sitzen – ähnlich wie in dem Western «Neues aus der Welt», in dem sie an der Seite von Tom Hanks spielt. Für ihre Leistung ist sie für einen Golden Globe als beste Nebendarstellerin nominiert.
Bevor die Globes am 28. Februar in Hollywood vergeben werden, erzählt Helena Zengel, wie sie sich auf die Award-Nacht vorbereitet, welche Rolle Tom Hanks weiterhin in ihrem Leben spielt und ob der Erfolg sie verändert hat.
Helena Zengel, hast du schon Pläne für die Globe-Nacht, die du nicht in Hollywood, sondern in Berlin verbringst? Weisst du, was du anziehen willst? Stellst du Popcorn bereit?
Helena Zengel: Die Verleihung geht ja relativ lange und meist sind die Schauspieler eher gegen Ende dran. Für das Outfit haben wir einen Designer. Das wird so eine Art Jumpsuit, aber mit einem neumodischen Style. Ich werde mir bestimmt Popcorn holen! Wir sind dann in einem sehr schönen Hotel – ich glaube, das wird bestimmt eine richtig tolle Nacht!
Zur Person: Helena Zengel
Gregor Fischer/dpa
Helena Zengel, 2008 in Berlin geboren, gab ihr Filmdebüt bereits als Fünfjährige in dem Spreewaldkrimi «Mörderische Hitze». Im Alter von neun Jahren stand sie dann für Nora Fingscheidts «Systemsprenger» über ein wütendes und traumatisiertes Mädchen vor der Kamera und gewann dafür unter anderem 2019 einen Deutschen Filmpreis als beste Hauptdarstellerin. Es folgte ein Angebot aus Hollywood – und Zengel drehte neben Tom Hanks den Western «Neues aus der Welt», der derzeit bei Netflix zu sehen ist und später noch in die Kinos kommen soll.
Die Preise werden nach unserer Uhrzeit mitten in der Nacht von Sonntag auf Montag verliehen. Wie bleibst du so lange wach?
Montag habe ich frei bekommen für die Schule. Ich werde am Samstag versuchen, erst ganz spät ins Bett zu gehen, damit ich dann am Sonntag möglichst lange schlafen kann. Mein Frühstück ist dann im Hotel vor der Golden-Globe-Verleihung. Mein Körper soll sich darauf einstellen können, indem ich mittags schon schlafe. Das wird bestimmt lustig! Verleihungen finde ich immer richtig cool.
Schon mit deinem vorigen Film ‹Systemsprenger› hattest du viel Erfolg, und jetzt bist du sogar für einen Golden Globe nominiert. Hat das dein Leben irgendwie verändert?
Klar, wenn man so einen tollen Erfolg hat und für die Golden Globes nominiert ist, ist das Wahnsinn! Das ist wirklich unglaublich und ich freue mich noch immer mega, mega doll und bin total dankbar dafür. Aber trotzdem bin ich ganz normal. Ich bin ja auch noch Schulkind und erst zwölf Jahre alt. Diese grosse und krasse Hollywood-Parallelwelt, die geniesse ich schon auch sehr – und trotzdem möchte ich einfach am Boden bleiben.
Aber das ist sicher nicht immer einfach, oder?
Tatsächlich find ich's nicht so schwer, am Boden zu bleiben. Tom Hanks zum Beispiel ist ein totales Vorbild, er hat sich von total arm hochgearbeitet. Und er hat nie vergessen, wo er angefangen hat. ‹Also: Selbst wenn man plötzlich in Hollywood steht, finde ich es immer ganz wichtig, dass man sich daran zurückerinnert. Dass man weiss: Jeder fängt klein an und auch wenn man gross rauskommt, muss man nicht abheben und wie eine arrogante Ich-weiss-nicht-was herumlaufen. Man wird auch mehr gemocht, wenn man ganz natürlich bleibt.›
Wir haben tatsächlich noch sehr, sehr viel Kontakt, das ist bestimmt nicht die Regel bei ihm und ich bin natürlich super dankbar dafür. Wir schreiben uns E-Mails, SMS – die Amerikaner haben ja meist kein WhatsApp – und telefonieren auch jede Woche, meist über Skype. Er ist wie ein Onkel für mich. Wir verstehen uns wirklich sehr, sehr gut.
Und das machst du alles auf Englisch?
Ja, er kann ja kein Deutsch! Er kann jetzt ‹Milschkaffee› und ‹Pflaumenkompott›, aber das bringt mir nicht so viel.
Du hattest dich ja nach ‹Systemsprenger› mit einer Reise belohnt. Wie war das jetzt: Hast du die ganze Gage gespart oder dir etwas Besonderes gegönnt?
Nö. Ich habe ein Pferd, wir haben eine hübsche Wohnung. Aber jetzt spare ich es erstmal. Vielleicht für später, für meinen Führerschein, fürs Auto, fürs Moped. Ich will ja irgendwann auch richtig schön leben. Bei ‹Systemsprenger› hatte ich mir gewünscht, dass wir eine grosse Reise machen. ‹Systemsprenger› hat sehr viel Spass gemacht, aber das war ein taffer Dreh. Viereinhalb Monate, jeden Tag ausser Sonntag am Set, das war ein sehr intensiver Film. Da hat Mama mir versprochen, dass wir danach richtig schöne Wellness-Ferien machen. Und dann sind wir mit dem Kreuzfahrtschiff einmal um Italien, Spanien und die Region gefahren. Das war sehr schön.
Das Mädchen, das du im Film ‹Neues aus der Welt› spielst, ist oft traurig oder verzweifelt. Wie machst du so etwas?
‹Wie› ist für mich eine schwierige Frage. Ich glaube nämlich, man wird als Schauspieler geboren. Klar, man ist nicht Baby und fängt direkt an. Aber ich glaube, wenn man's hat, hat man's. Ich gehe ans Set, tippe an den Kopf und dann geht's los, (...) dann bin ich voll in meiner Welt, in meiner Drehwelt und einfach total glücklich mit allem. Und wenn es heisst ‹Cut›, dann ist es vorbei. Und dann bin ich wieder ein zwölfjähriges Mädchen, springe herum. Für mich ist das etwas ganz Natürliches und dabei zugleich einfach mein Traumberuf.
Du legst einfach einen Schalter um oder brauchst du einen Moment, um da reinzukommen?
Ich sage nicht ‹Ich bin traurig› und dann so (macht trauriges Gesicht). Aber – das sagen mir auch alle – für mich ist das sehr einfach, in die Rolle rein und aus der Rolle raus zu kommen. Klar, es dauert vielleicht mal, bis man in einer Szene richtig weinen kann, aber prinzipiell: Ja, geht es für mich ziemlich schnell. Ich weiss, welche Szene kommt, ich bin konzentriert und mache es. Ich glaube, das ist, was die Leute an mir mögen, auch am Set: Ich bin in dem Sinne nicht kompliziert. Ich muss nicht erst in eine Ecke gehen und mich eintrauern, sondern ich mach's halt und fertig!
Was magst du denn an der Schauspielerei?
Das richtig Tolle ist dieser Kick, wenn es heisst ‹...und, bitte›. Dann gehst du in diese Szene und springst vor einem Green-Screen von ganz oben runter auf ein Trampolin und denkst ‹Boah, ich habe diese Szene gemacht.› Und im Film sieht's aus, als würdest du von einer Klippe springen. Ich mag aber einfach auch die Leute, die du kennenlernen kannst, die Länder, die du siehst, die Tiere, mit denen du drehen darfst. Einfach alle Erfahrungen, die man so macht. Das ist einfach meine Leidenschaft.
Das Schöne in dem Beruf ist auch: Man kann nichts falsch machen, sondern nur anders. Das ist so eine Kunst, du kannst so viele Rollen spielen, ich finde das einfach einen atemberaubenden Job. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal eine richtig grosse Schauspielerin sein würde. Dass ich da jetzt aber auf dem Weg bin, ist schon richtig toll.
Wie ist es jetzt mit neuen Projekten? Wirst du überrannt mit Angeboten aus Hollywood?
Wir haben im Moment schon einige viele Angebote und auch viele engere Gespräche. Man wird definitiv bald Neues von mir hören, aber leider darf ich dazu noch nichts sagen.
Schon bald nach der Golden-Globe-Verleihung werden die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben. Sind die Oscars der nächste Stopp? Denkst du an so etwas?
Ja, klar, ich weiss, die Oscars werden kommen und es wäre natürlich cool, wenn der Film nominiert werden würde oder sogar ich – dann würde ich wahrscheinlich tot umfallen! Da hätte ich keine Worte, das wäre unglaublich krass. Aber wie ich schon gesagt habe: am Boden bleiben, nicht drauf versteifen und cool bleiben. Wenn ich jetzt mit zwölf alles erreiche, was man als Schauspieler erreichen will, dann gibt's ja auch keine Luft mehr nach oben.