Beeindruckende Comics Beeindruckende Comics: Zürcherin zeichnet sich in den Bundestag

von Cilgia Grass

21.8.2018

Die Zürcher Comic-Zeichnerin Serpentina Hagner in ihrem Atelier.
Die Zürcher Comic-Zeichnerin Serpentina Hagner in ihrem Atelier.
ZVG

Mit «Der Märchenmaler von Zürich» landete Serpentina Hagner letztes Jahr einen Überraschungserfolg. Nun liefert die Zürcher Comiczeichnerin den Nachfolgeband ab. Gleichzeitig arbeitet sie an einem Projekt für den Deutschen Bundestag.

«Anfangs glaubte ich an einen Scherz. Erst als ich die Mailadresse gegoogelt habe, merkte ich, dass die Anfrage tatsächlich echt ist»: Serpentina Hagner (61) kann es immer noch nicht richtig fassen, dass sie einen Comic für den Deutschen Bundestag zeichnen soll. Und fühlt sich deswegen verständlicherweise «sehr gebauchpinselt», wie sie «Bluewin» verrät. 

Angeschrieben wurde sie vom Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages, der ihre Arbeiten gesehen hatte und davon angetan war.

Viel verraten oder gar etwas zeigen darf Serpentina Hagner von ihrem neusten Werk allerdings noch nicht. Nur so viel: «Es geht um die Entwicklung des Frauenwahlrechts in Deutschland im Laufe der letzten 100 Jahre.» Nachdem die Frauen in Deutschland 1919 das Wahlrecht erhielten, verloren sie es in der Nazi-Zeit wieder und mussten es sich mühsam zurückerkämpfen. «Deutschland feiert das nun unter anderem mit einer sehr grossen Ausstellung zum Thema in Frankfurt und eben in Berlin durch die Ausstellung mit meiner 20 seitigen Graphic Novel ab Mitte Januar 2019.»

Ihr erster Comic erschien erst 2017

Eine Ausstellung in diesem Rahmen ist umso beachtlicher, weil die Zürcher Künstlerin erst letztes Jahr als Comiczeichnerin ihr Debüt gab. In ihrem Erstling «Der Märchenmaler von Zürich» arbeitet sie Familiengeschichten auf, die ihr ihr Vater erzählt hat: Künstler und Zürcher Stadtoriginal Emil Medardus Hagner (1921-1999). Das Buch wurde in Deutschland mit dem Comicbuchpreis der Berthold-Leibinger-Stiftung ausgezeichnet.

Anfang September erscheint bei Edition Moderne nun der Folgeband «Der Blechbauchmeier». «Wieder erzählt mir mein Vater aus seiner abenteuerlichen Lebensgeschichte», sagt Serpentina Hagner.

Zwischen Sioux-Indianern, Zirkuselefanten und Feuerspuckern

Eine wichtige Rolle spielt wie schon im ersten Band Serpentina Hagners Urgrossmutter Pauline, die insgesamt fünfmal geheiratet hat und auch als ältere Dame noch Liebesgeschichten unterhielt – und die möglichweise einen ihrer Ehemänner umgebracht hat...

Der Leser lernt aber auch Paulines Sohn Jaqui kennen, den Onkel von Miggeli, wie Serpentina Hagners Vater gerufen wurde. Jaqui verkehrte in Zürcher Morphinistenkreisen und nahm sich schon früh das Leben.

Zudem macht man die Bekanntschaft von Paulines Schwester Mina, die ein ausschweifendes Leben führte und Serpentina Hagners Vater als Buben oft ins Winterquartier der Fahrenden und Zirkusleute mitnahm. «Dort, zwischen Parfüm trinkenden Sioux-Indianern, ausgemusterten Zirkuselefanten und nach Petrol riechenden Feuerspuckern trifft mein Vater Miggeli auf den 'Blechbauchmaier' genannten Drehorgelspieler und sein zahmes Äffchen, bei denen er die glücklichsten Jahre seiner Kindheit verbringt», erzählt Serpentina Hagner.

Blättert sich wie von alleine um

Tönt aufregend, schillernd und ein bisschen verrückt – und das ist es auch. Wie schon beim ersten Buch liest man sich atemlos und in einem Zug durch die Familiengeschichte der Hagners. Und wenn man die letzte Seite umblättert, fragt man sich nur eins: Wann kommt der nächste Band? «Aufgeschrieben habe ich über Jahrzehnte vieles. Aber nicht alles ist zur Veröffentlichung gedacht, vieles ist zu privat», sagt Serpentina Hagner. Sie könne sich aber schon vorstellen, sich «in zwei, drei Jahren noch an einem dritten Band zu versuchen». «Ich glaube, dann ist aber Schluss.»

«Der Blechbauchmeier» erscheint Ende August, Anfang September mit etwas Verspätung. Am Samstag, 7. September, ist im Kosmos in Zürich die Buchvernissage. Am 28. Oktober macht Serpentina Hagner für «Zürich liest» auf den Spuren ihrer Familie eine Führung durch die Zürcher Altstadt. Serpentina Hagner: «Die Führung beginnt um 13.00 Uhr im 'Karl der Grosse', wo ich früher lustigerweise mal als Köchin gearbeitet habe, und endet im Landesmuseum.»

Zur Person
Serpentina Hagner wurde 1956 in Zürich geboren. Ihr Name Serpentina stammt aus dem Italienischen und bedeutet «kleine Schlange». Zu verdanken hat sie ihn dem Märchen «Der goldne Topf», in dem die Tochter des Zauberers so heisst, weil sie sich in eine Schlange verwandeln kann. Serpentina Hagner besuchte die Kunstgewerbeschule und war jahrelang als freischaffende Künstlerin tätig. Sie ist aber auch leidenschaftliche Köchin, war früher mal Wirtin und kennt sich mit Wildkräutern und Pflanzen aus. Serpentina Hagners Vater war Emil Medardus Hagner alias Miggel (1921-1999), der sicher selber den Märchenmaler von Zürich nannte. Er war Künstler mit einer blühenden Fantasie und glaubte an mystische Wesen. Allerdings litt er unter seinem Schicksal, ein Kuckuckskind zu sein, und war schwer depressiv.

Zurück zur Startseite