Marie Kondo «Ordnung im Zuhause schützt uns vor der chaotischen Welt»

fts

9.1.2023

Die 38-jährige Japanerin Marie Kondo hat einen weltweiten Aufräum-Boom ausgelöst.
Die 38-jährige Japanerin Marie Kondo hat einen weltweiten Aufräum-Boom ausgelöst.
Seth Wenig/AP/dpa

Ihr Name ist Synonym für «ausmisten». Doch Marie Kondo räumt nicht nur mit materiellen Habseligkeiten auf, auch in der Seele soll für Ordnung gesorgt werden. Wie bewahren wir sie in einer Zeit der Krisen und des sich stapelnden Abfalls?

fts

Marie Kondo, geboren 1984 in Tokio, ist eine Aufräumexpertin. Ihre Bücher übers Ordnungschaffen wurden in mehr als 25 Sprachen übersetzt und weltweit millionenfach verkauft. Auf Netflix ist Kondo in mehreren Formaten dabei zu sehen, wie sie das Durcheinander ihrer Kunden beseitigt.

Mittlerweile hat sich Kondo auch übers Aufräumen hinaus zur Marke gemacht. Auf Ihrem Onlineshop verkauft sie etwa Wellnessartikel und Wohnaccessoires. In ihrem neuen Buch erklärt sie, wie man seinen Tag aufräumt, gliedert und mit kleinen Ritualen auch da Ordnung schafft, wo niemand das Chaos sieht: in der Seele.

Im Interview mit dem «Spiegel» erzählt die 38-Jährige, wie uns das stets steigende Chaos in der heutigen Welt beeinflusst – und ob es sie, deren Nachname als Verb für «aufräumen» verwendet wird, zur Verzweiflung führt.

Die Pandemie hat uns gezwungen, länger und häufiger zu Hause zu sein. Da dürften einige Menschen den Koller gekriegt haben – und haben ausgemistet, aufgeräumt oder doch noch mehr Dinge angeschafft?

«Ich hatte den Eindruck, dass die Menschen eher am Aufräumen und Ausmisten interessiert sind. Viele Menschen wissen nach dem Ausmisten nämlich sehr deutlich, was in ihr Zuhause gehört und was nicht. Sie werden selektiver. Das heisst aber auch, dass sie grundsätzlich nicht mehr so viel überflüssiges Zeug kaufen», sagt Kondo.

Kondo: eine Heuchelei, kein Minimalismus

Die Tendenz der Menschen heutzutage sei aber, dass immer mehr Dinge angeschafft werden – Kondo predigt aber das Ausmisten. Bewusst auf Habseligkeiten verzichten, für Ordnung sorgen. Dies führe dazu, dass wir wieder mehr Freude an den Dingen haben, die uns umgeben.

Doch genau für dieses Kredo bekam Marie Kondo auch Kritik. Sie predige das Ausmisten – im Englischen to kondo – und gleichzeitig verführe sie in ihrem Onlineshop zu neuem Konsum.

Kondo kontert: «Ich habe noch nie jemandem empfohlen, etwas Neues in meinem Onlineshop zu kaufen. Wenn jemand ausgemistet hat und danach zufrieden ist, dann ist das wunderbar. Ich sage aber auch nicht, dass jeder so minimalistisch wie möglich leben sollte. Oder dass man möglichst viel wegwerfen muss. Ich glaube, dass uns Gegenstände Freude bereiten können. Und wir uns wieder erlauben müssen, für dieses Gefühl empfänglich zu sein.»

Viele Menschen brauchen viele Dinge

Die aktuellen Krisen der Welt – Corona, Ukrainekrieg, Inflation, Rezession – werden im Interview mit der 38-jährigen Japanerin ebenfalls angesprochen. Suchen die Menschen bei einer chaotischen Weltlage die private Ordnung mehr?

Dabei setzt Marie Kondo Ordnung mit Kontrolle gleich. Wir würden ein Stück Kontrolle zurückgewinnen: «Schliesslich können wir in der Welt häufig wenig beeinflussen, aber in unserer direkten Umgebung ist das anders. Es kann uns sehr helfen, wenigstens sie zu ordnen. Und es kann beruhigend wirken, unserem Zuhause mit Wertschätzung zu begegnen. Es beschützt uns ja vor dieser chaotischen Welt.»

Umgekehrt ist Kondo der Meinung, viele Menschen bräuchten viele Dinge, um sich angemessen auf eine Krise vorbereiten zu können – somit sei die ungewisse Zukunft ein bisschen weniger beängstigend. Ob und wann wir damit zu weit gehen würden, könne auch sie nicht beantworten.

Die Bücher und die Philosophie von Marie Kondo thematisieren zwar physische Ordnung, doch die psychische ist genauso wichtig. Sollte sie durch ein inneres Chaos unruhig sein, bringe sie ihr Umfeld zuerst in Ordnung. Hilft das nicht, schreibt sie alles auf, was sie bedrückt. Schliesslich sortiert sie dies, ordnet ihre aufgeschriebenen Gedanken.

«Das mag simpel sein. Aber so organisiere ich mein Herz», erklärt Kondo.

Die Marie-Kondo-Challenge von blue: Wir falten T-Shirts so herzig klein, dass sie in ein Schächtelchen passen
2:08

Die Marie-Kondo-Challenge von blue: Wir falten T-Shirts so herzig klein, dass sie in ein Schächtelchen passen

Wir haben zum Start der neuen Netflix-Staffel von Ordnungs-Königin Marie Kondo ihre berühmte Falttechnik gelernt. Super schwer oder bubieinfach? Wir haben den Selbsttest gemacht.