Gianna Nannini «Ich würde keine berühmte Mutter wie mich wollen»

Von Carlotta Henggeler

30.11.2022

Gianna Nannini kommt für zwei Konzerte in die Schweiz. Mit blue News spricht sie über ihre Deutschkenntnisse, ihr Skandalcover «America» mit der Freiheitsstatue samt Dildo – und ihr Leben als Mutter und Rockstar.

Von Carlotta Henggeler

Mit frisch gewaschenem und zerzaustem Haar sitzt Gianna Nannini vor dem Laptop. Als blue News die Italienerin erreicht, ist sie in London und arbeitet an ihrem neuen Album.

Seit vielen Jahren lässt sie ihre Alben in England produzieren, die Briten hätten bei Albumproduktionen in Sachen Technik die Nase vorn, sagt Nannini. Bald geht es auf Tour.

Gianna, du bist bald in Zürich (1. Dezember) und in Genf (2. Dezember) live zu sehen. Was verbindet dich mit der Schweiz?

Als Kind brachten mich meine Eltern in die Schweiz zum Skifahren. Ich war auch bergsteigen auf dem Corvatsch und auf anderen Gipfeln. Zudem assoziiere ich damit die schönen Blumendekorationen an den Fenstern.

Eine schöne Erinnerung. Hast du in diesen Jahren ein bisschen Deutsch gelernt?

Ich kann ein paar Fluchwörter (lacht). Nein, im Ernst: Mir gefällt die Sprache sehr, ich habe zwei Songs von Brecht/Weill 1987 auf Deutsch in Hamburg gesungen. Allerdings klingt mein Deutsch wie jenes einer italienischen Touristin.

Wie hältst du dich fit für die Bühne?

Ich mache Triathlon, ich habe auch an einem Wettkampf teilgenommen. Um ein Konzert stimmlich durchstehen zu können, musst du richtig atmen. Und wenn du Triathlon trainierst, arbeitest du auch mit der Atmung. Das ist meine Medizin.

Du hast an einem Wettkampf teilgenommen, wie war das?

Ich wurde Erste!

Gratuliere!

In Barcelona habe ich einen Supersprint hingelegt und auch gewonnen. Ja, ich muss allerdings sagen, dass ich in meiner Kategorie allein angetreten bin. Ich hatte meiner Assistentin erst erzählt, dass ich gewonnen habe – und sie erst nach einem Monat aufgeklärt. Das war ein grosser Spass! Momentan trainiere ich für einen Sprint für nächstes Jahr. Vielleicht komme ich auch in die Schweiz an einen Triathlon, aber bei euch ist es so kalt – und vor dem Zürichsee fürchte ich mich.

Einer deiner grössten Hits heisst «America» und ist auf dem Album «California» von 1979 zu hören. Auf dem Plattencover thront die amerikanische Freiheitsstatue, in der Hand hält sie einen Vibrator. Das löste einige Kontroversen aus.

In «America» geht es um Masturbation, um die Unterwerfung der Frau und darum, dass die Leute immer nach Amerika schauen und dort alles cooler finden, die Musik und die Filme.

Das Cover war aber schon als Provokation gedacht?

Ich habe die Plattencovers immer während meiner Albumproduktionen entworfen. Sie müssen in erster Linie meine Emotionen in dem Moment widerspiegeln. Aber ja, «America» war eine Provokation, es geht um die Unterwerfung Italiens nach dem Atlantikpakt, der noch immer besteht. Dabei müssen wir uns überhaupt nicht an Amerika und ihrer Kultur orientieren. Wir haben unsere eigene Musikphilosophie, unseren eigenen Rock und Blues.

Schon bald stehst du in der Schweiz auf der Bühne. Hast du ein Ritual, bevor du loslegst?

Ich mache immer ein paar Minuten Qigong, um mich zu fokussieren.

Kommt deine Tochter mit auf Tour? Penelope ist jetzt zwölf Jahre alt.

Nein, sie bleibt zu Hause. Sie ist gross und muss zur Schule. Anfangs findet sie das Tourleben cool, herumgefahren zu werden und auswärts zu essen. Aber nach einer Weile hat sie es satt. Ausserdem will ich, dass sie ihr eigenes Leben lebt.

Ein Leben mit einer berühmten Mutter.

Ja, ich würde eine bekannte Mutter wie mich nicht wollen. Ich achte darauf, dass es für sie nicht wichtig ist, was ich mache. Ich will keine Tochter, die zu sehr an mir hängt. Als sie noch kleiner war und die Leute immer Selfies mit mir wollten, hängte sie sich an meine Beine, weinte und schrie: «Das ist ganz allein meine Mutter.» Es störte sie. Heute macht sie die Selfies.

Hat Penelope ein Lieblingslied von dir?

Sie kennt alle meine Lieder und mag sie auch alle. Ein Lieblingslied? Das ist jetzt eine schwierige Frage. Vielleicht «Io e te», der Song entstand in meiner Schwangerschaft, sie hat ihn quasi im Bauch mitbekommen. 

Und Idole?

Sie mag Taylor Swift, ich bin auch ein Fan von ihr. Aber Idole? Ihre Mamma ist ihr Idol (lacht).

Gianna, welcher Song ist perfekt in deinen Augen?

«My Way» von Sid Vicous. Auf Italienisch übersetzt klingt er nicht so gut.  Schade.


Gianna Nannini tritt am 1. Dezember 2022 im Hallenstadion Zürich auf und am 2. Dezember im Théâtre du Léman in Genf. Weitere Infos dazu gibt es hier.


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