«Tatort»-Check Gibt es die Dortmunder «Katakomben» wirklich?

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15.1.2023

In der ersten Dortmunder «Tatort»-Folge nach Martina Bönisch trauerte Peter Faber nicht nur um seine Kollegin und grosse Liebe, sondern auch um das alte Ruhrgebiet. Doch was hat es auf sich mit «Speicherbecken» und «Katakomben»?

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Schon die erste Szene des Dortmunder «Tatort»-Krimis «Du bleibst hier» war ziemlich grossartig. Ein Zauselbart-Jogger, der sich beim Heranzoomen als Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) erwies, springt im Morgengrauen von einer zehn Meter hohen Mauer in ein gestautes Wasserbecken. Die Kulisse? Offenbar ein altes Industriedenkmal.

Um verlorene Orte wie diesen ging es im nostalgischen Ruhrgebiet-«Tatort». Der Final spielte in einem gigantischen Höhlensystem unter der Innenstadt. Doch gibt es die Dortmunder «Katakomben» wirklich? Was hat es damit auf sich, und warum weiss kaum jemand davon?

Worum ging es?

Peter Fabers verbliebene Kollegen, Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) und Jan Pawlak (Rick Okon), hatten es mit einem blutigen Fall ohne Leiche zu tun. Im Dortmunder Westpark standen die beiden vor einer grossen Blutlache, doch der Körper dazu fehlte.

Allerdings wurde Andreas Richter vermisst, Chef einer Dortmunder Immobilienfirma, die sich durch aggressiven Ankauf und Luxussanierung alter Wohnungen in den letzten Jahren viele Feinde gemacht hatte. Einer der Mieter von Richters Immobilien war Peter Fabers Vater Josef Faber (Wolfgang Rüter), mit dem der Kommissar offenbar seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr gehabt hatte.

Worum ging es wirklich?

Fabers Trauer um Bönisch vermischt sich im Krimi mit der Trauer um eine alte Ruhrgebiets-Kultur. Eine Kultur der kleinen Leute, die mit dem Verlust ihres Lebensraumes und ihrer Lebensart zu kämpfen haben. Mit der Gentrifizierung ihrer Viertel verschwindet nicht nur bezahlbarer Wohnraum, sondern auch eine besondere Nachbarschaftskultur, in der man einander hilft oder im herrlich antiken Friseursalon von Peter Fabers Jugendfreund Martin Engel (Andreas Schröders) gemütlich Zeit verbringt.

Schauspieler Jörg Hartmann, der zum ersten Mal in zehn Jahren Dortmunder «Tatort» ein eigenes Drehbuch für den Pott-Krimi verfasste, stammt aus Herdecke und ist selbst ein Kind des Ruhrgebietes. Insofern wandelt der Autor und Schauspieler hier vor allem auf den Spuren eigener Kindheits- und Jugenderinnerungen.

Darf man in diesem «Speicherbecken» wirklich baden?

«Nein, um Gottes Willen», sagt Jörg Hartmann im Interview mit der Agentur teleschau über die eindrückliche erste Szene des Krimis.« Was der Faber da macht, ist streng verboten. Das Pumpspeicher-Kraftwerk Herdecke ist eines der ältesten der Welt und ein Industriedenkmal. Es stammt aus den 20er-Jahren.» Tatsächlich wäre es saugefährlich, in dieses Becken zu springen. Die Filmszene war entsprechend «gefaked».

«Ich erinnere mich noch aus der Kindheit», erzählt Jörg Hartmann weiter, «dass wir heimlich über die Mauer geklettert sind, um zu gucken. Das hat sich als etwas Faszinierendes, Unheimliches in meinen Kopf eingebrannt. Doch ins Wasser zu hüpfen, hätten wir uns nicht getraut. Das Wasser aus dem Speicher wird ja auch nach unten abgepumpt. Sehr viel tiefer liegt das eigentliche Kraftwerk und der See. Es wäre ein Himmelfahrtskommando da hereinzuspringen.»

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Gibt es die Dortmunder «Katakomben» tatsächlich?

Unter der Dortmunder Innenstadt verborgen liegt in der Tat die grösste Luftschutzanlage Europas, wahrscheinlich sogar der Welt. Als Schutzmassnahme vor Bombardierungen im 2. Weltkrieg wurde hier ein Höhlensystem von knapp fünf Kilometern Länge errichtet, das Schutzräume für 80’000 bis 100’000 Menschen bietet. 

Tatsächlich lebten einige Dortmunder hier während der Bombardements des Ruhrgebiets ein Jahr mehr oder weniger durchgehend unter der Erde. Auf deren Geschichte wird in der Schlussszene des Krimis in den «Erinnerungen» des demenzkranken Vaters Peter Fabers angespielt.

Die insgesamt 19 Zugänge zu den «Katakomben» wurden nach dem Krieg allesamt dicht gemacht. Aus Sicherheitsgründen und weil die Stadt lange Zeit kein Interesse an der Aufarbeitung der teils wenig rühmlichen Bunker-Geschichte hatte.

In einer früheren Version dieses Textes hatten wir irrtümlich geschrieben, dass teilweise wieder Besichtigungen möglich sind. Dies ist falsch: «Führungen für die Öffentlichkeit gab es weder in der Vergangenheit, noch wird es sie in naher Zukunft geben. Illegales Eindringen von Personen wird geahndet», heisst es vonseiten der Stadt Dortmund.

Welche Beziehung hat Schauspieler Jörg Hartmann zu Dortmund?

Schauspieler Jörg Hartmann kam 1969 in Hagen zur Welt und wuchs im benachbarten Herdecke auf. Von dort aus sind es 13 Kilometer nach Dortmund. «Damals sind wir durch Herdecke gestreift», erinnert sich Jörg Hartmann, der heute mit seiner Familie in Potsdam lebt, an seine Kindheit. «Durch die Berge und grossen Wälder in Richtung Speicherbecken, das ja auch am Anfang vom ‹Tatort: Du bleibst hier› eine Rolle spielt. Nach Dortmund bin ich dann erst später gefahren. Als ich älter war und in die Disko gehen wollte. Meistens mit dem Zug. Meine Eltern haben nie ein Auto besessen.»

Auch zum Fussballverein Borussia Dortmund, als deren Sympathisant und Fan sich Hartmann mittlerweile beschreibt, baute er erst als Erwachsener – während der goldenen Trainer-Ära des Jürgen Klopp – eine emotionale Beziehung auf.

Wie geht es beim Dortmunder «Tatort» weiter?

Erst einmal zu dritt. Die Leerstelle Martina Bönisch – Schauspielerin Anna Schudt war vor einem Jahr auf eigenen Wunsch ausgestiegen und ihre Rolle «starb» – wird vorerst nicht neu besetzt. Der nächste, irgendwann im Jahr 2023 laufende «Tatort: Love is Pain» (Drehbuch: Bob Konrad und Hanno Hackfort, Regie: Sabine Bernardi) bringt Peter Faber zurück in den Dienst.

Gemeinsam mit Rosa Herzog und Jan Pawlak muss er den Tod eines Strassenbahnfahrers aufklären, dessen unbekannter Täter sich selbstbewusst in der Überwachungskamera zeigte. Doch wer ist der Mann, und warum hat er die Tat begangen? Mithilfe der Polizistin Beate Gräske (Sar Adina Scheer), einer «Super-Recognizerin» mit der besonderen Fähigkeit, Gesichter wiederzuerkennen, soll der Mörder gefunden werden.


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