35. Jubiläum Wie rassistisch ist «Otto – der Film»?

dpa/fts

19.7.2020

Otto Waalkes (l.) und Günther Kaufmann als US-Soldat in einer Szene des Films «Otto – Der Film» (1985).
Otto Waalkes (l.) und Günther Kaufmann als US-Soldat in einer Szene des Films «Otto – Der Film» (1985).
Wolfgang Jahnke/Rialto Film /dpa

Vor 35 Jahren kam «Otto – der Film» ins Kino. In der Blödelkomödie fallen auch rassistische Begriffe für einen Schwarzen. Ein Beispiel, wie stark sich Humor wandelt. Eine Spurensuche.

«Otto – der Film» gehört neben «Der Schuh des Manitu», «Fack ju Göhte» oder «Honig im Kopf» zu den erfolgreichsten deutschen Kinoproduktionen. Zusammengezählt hatte die Komödie mit Otto Waalkes in den 1980ern laut Filmfirma fast 15 Millionen Kinozuschauer in Ost und West. Kinostart in der Bundesrepublik war am 18. Juli 1985 und in der DDR ein Jahr später – am 24. Juli 1986. Viele, die den 35 Jahre alten Streifen heute anschauen, zucken an einigen Stellen wegen der Wortwahl zusammen. Besonders die Szenen mit einem Schwarzen in Uniform zeigen exemplarisch, wie sehr Humor im Wandel ist.

«Aaaah, schwarze Füss!» ruft ein von Günther Kaufmann dargestellter Soldat einmal aus – und verwendet dann fragend an Otto die rassistische Bezeichnung für Schwarze, die heute mit dem Begriff «N-Wort» umschrieben wird. Auch Otto hat das Wort zuvor schon benutzt und dem Mann erläutert: «Schwarzer Kopf, schwarzer Bauch, schwarze Füss.» Otto zieht die Socken aus, um seine dreckigen Füsse zu zeigen, worauf Kaufmanns Figur lachend versteht und eben fragt: «Du Neger?»

In einigen Kinos soll der Film passend zum Jubiläum ab 30. Juli wieder gezeigt werden. Er ist auch bei Streamingdiensten im Angebot, allerdings nur bei Netflix zurzeit im Abo enthalten. Ein Sprecher von Netflix für Deutschland, Österreich und die Schweiz sagt, der Film sei zuletzt kaum angeschaut worden und fliege Ende Juli wegen auslaufender Lizenz sowieso aus dem Programm.

Anti-rassistische Intention hineingezaubert

Das Stadtmagazin «tip Berlin» kommentierte neulich, es sei verstörend, den Otto-Film heute anzugucken: «An mehreren Stellen im Film werden schwarze Menschen diffamiert. Das N-Wort fällt und es gibt eine ganze Szene, in der Otto gemeinsam mit einem dunkelhäutigen US-Soldaten (gespielt von Günther Kaufmann) einen Trickbetrug durchzieht und den afroamerikanischen GI, den er auch noch ‹Herrn Bimbo› nennt, einer älteren Dame als Sklaven verkauft.»



Die Produktionsfirma Rialto Film in Berlin wehrt sich gegen diese Sichtweise: «Die Szene in ‹Otto – der Film›, in der Otto und ein dunkelhäutiger GI versuchen, einer unfassbar törichten Person einen Sklaven zu verkaufen, ist möglicherweise ein sehr frühes Beispiel für anti-rassistische Komik im deutschen Film», sagt Geschäftsführer Matthias Wendlandt auf Nachfrage.

«Die Drehbuchautoren Bernd Eilert, Robert Gernhardt und Pit Knorr sind als Mitglieder der Neuen Frankfurter Schule und Gründer der Satirezeitschrift ‹Titanic› über den Verdacht rassistischer Haltung erhaben, ebenso wie Otto Waalkes selbst.» Ihre Darstellung einer völlig unreflektiert, in selbstverständlichem Rassismus verhafteten «Sklaven-Käuferin» sei «eine deutlich erkennbare Satire».

Leichtfertiger Umgang unter Weissen

«Wer diese groteske Szene als rassistisch empfindet, bringt offensichtlich ein Vorurteil mit, das sich durch die blosse Nennung bestimmter Begriffe gerechtfertigt wähnt, ohne die Absicht, den Zusammenhang und eine andere Deutung auch nur in Betracht zu ziehen.»

Der Verein Initiative Schwarze Menschen in Deutschland hält jedoch dagegen. «Dass selbst bei solch offenkundigen rassistischen Inhalten noch geleugnet wird beziehungsweise eine anti-rassistische Intention ‹reingezaubert› wird, ist symptomatisch für das mangelnde Rassismusverständnis», sagt Sprecher Tahir Della.



Damit wird deutlich, wie die Rassismusdebatte inzwischen die Gesellschaft spaltet. Die Meinungen stehen sich meist recht unversöhnlich gegenüber. Auf der einen Seite steht der Appell, Rassismusbetroffenen mehr zuzuhören, sie überhaupt zu Wort kommen zu lassen und auf umstrittene Begriffe einfach zu verzichten; auf der anderen Seite gibt es die Einstellung bei vielen Weissen, mit dem schweren Vorwurf des Rassismus werde zu leichtfertig umgegangen.

An einer Stelle kommt in «Otto – der Film» Rassismus sogar zur Sprache. Als Otto in einer Rockerkneipe über die Witzfrage «Wie pinkelt ein Eskimo?» und aus der Hose fallende Eiswürfel lacht, bekommt er gesagt: «Uralt und ausserdem rassistisch.» Viele Gags im Film waren schon damals aus alten Bühnenshows wiederaufgewärmt.

Otto ist auch während Corona fleissig

Tahir Della meint: «Aus meiner Sicht muss beim Aufarbeiten beziehungsweise Abbau rassistischer Verhältnisse auch der Bereich Humor in den Blick genommen werden. Wenn diskriminierender Humor normalisiert wird, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn es zu Schlimmerem kommt. Und Traditionen, die diskriminieren, verletzen und ausgrenzen, sind nicht erhaltenswert.»

Drehbuch-Mitautor Bernd Eilert sagt eine Anfrage zu seinem Otto-Filmklassiker ab. Auch Otto selbst lehnt zurzeit nach Angaben seiner Sprecherin jedes Interview ab. Der 71-Jährige sei zu beschäftigt, drehe unter Corona-Bedingungen «Catweazle». Der Film über den kauzigen Magier, unter anderem mit Julius Weckauf («Der Junge muss an die frische Luft»), soll Weihnachten ins Kino kommen.

Interessant und wohl symptomatisch für das ganze Thema Rassismus: Vor 35 Jahren war es einfach meistens keins in den Medien. Die Deutsche Presse-Agentur schrieb beispielsweise im Juli 1985, es handle sich um «eine hintersinnige Komödie ganz nach Otto-Art»: «Der Film erzählt in launiger und lockerer Form eineinhalb Stunden lang die Geschichte eines jungen Mannes, der von der Nordsee kommt und in der Südsee buchstäblich landet. Dabei plagt den Hauptdarsteller eine Sorge nach der anderen, denn, sooft er ein Problem aus dem Weg geräumt hat, wachsen drei neue nach (...) das ostfriesische Schlitzohr nimmt nach der Art eines modernen Hofnarren alles aufs Korn, was die heutige Gesellschaft als negative Erscheinungsformen zu bieten hat.»

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