50. Geburtstag Regisseur Christopher Nolan – die komplexen Welten eines Genies

Von Fabian Tschamper

30.7.2020

Chris Nolan gehört seit Jahren zu den renommiertesten Regisseuren der Filmbranche.
Chris Nolan gehört seit Jahren zu den renommiertesten Regisseuren der Filmbranche.
Paramount Pictures

Der gefragte Regisseur Christopher Nolan feiert seinen 50. Geburtstag – die Gelegenheit schlechthin, um seine Besessenheit mit dem Konzept der Zeit unter die Lupe zu nehmen. Eine Hommage.

Steven Spielberg ist bekannt für seine Alien-Affinität, Martin Scorsese zeigt seit Jahrzehnten meisterlich die Welt des organisierten Verbrechens. Christopher Nolans eigene Projekte drehen sich indes meist um das Konzept der Zeit. Und nicht nur in einer gänzlich unrealistischen Art und Weise: Beim Film «Memento» (2000), dessen Drehbuch auf einer Kurzgeschichte seines Bruders Jonathan beruht, macht sich der britische Regisseur den Zustand seines Protagonisten zunutze.

Leonard Shelby (dargestellt von Guy Pearce) hat aufgrund eines Traumas sein Langzeitgedächtnis verloren. Er kann sich an nichts erinnern, was länger als zehn Minuten zurückliegt. Damit der Zuschauer, wie der Protagonist, das Gefühl, sich nicht zu erinnern, selbst erfahren kann, laufen die farbigen Szenen chronologisch rückwärts ab. Man befindet sich damit permanent in einer Handlung, ohne deren Vorgeschichte zu kennen, wodurch es erschwert wird, das Gesehene zu ordnen und in Bezug zu setzen. Zum anderen werden Geschehnisse unmittelbar vor dieser Handlung gezeigt. Die dazugehörigen Szenen sind schwarz-weiss, laufen chronologisch vorwärts und über den ganzen Film verteilt.

Es ist faszinierend, anzuschauen, wie Nolan nicht nur die Zeit im Film manipuliert, sondern auch jene seines Publikums.

Carrie-Anne Moss und Guy Pearce in Chris Nolans «Memento».
Carrie-Anne Moss und Guy Pearce in Chris Nolans «Memento».
Newmarket Capital

«Chris Nolan ist ein Genie», sagte der Filmmusiker Hans Zimmer einst, der schon bei mehreren Projekten mit dem Regisseur zusammenarbeitete.

Bis auf Nolans Erstlingswerk «Following» (1998) und seinen dritten Film «Insomnia» (2002) befinden sich alle seine Werke in den Top 250 in der renommierten «International Movie Database» (IMDb).

Bei seinen Filmen dauert es eine Weile, bis man sich den Sachverhalt vorstellen kann. Bestes Beispiel dafür ist «Inception» (2010). Der Film war zehn Jahre lang in Entwicklung, bis ihn Nolan so umsetzen konnte, wie er das wollte. Wie schon bei «Memento» stammt das Drehbuch von ihm selbst.

Nolan entwirft in «Inception» ein komplexes Modell der Beeinflussung des Bewusstseins durch gemeinsames Träumen. Sein Protagonist, Dominick Cobb (Leonardo DiCaprio), hat sich darauf spezialisiert, während eines Traums wertvolle Informationen aus dem Unterbewusstsein der Opfer zu stehlen. Nach einem gescheiterten Auftrag soll Cobb nun eine als unmöglich geltende Inception vornehmen. Er soll also eine Idee, einen Gedanken in das Unterbewusstsein eines Menschen pflanzen. Sollte er erfolgreich sein, darf er wieder in die Vereinigten Staaten einreisen und seine Kinder wiedersehen.

Im Film sieht man klare Einflüsse anderer grosser Werke, die sich mit ähnlicher Materie befassen – wie etwa «The Matrix» oder «2001: Odyssee im Weltraum».

Wiederum ist der Film so konzipiert, dass sich der Zuschauer – wie auch der Protagonist – nicht mehr im Klaren darüber sind, ob sie sich jetzt in einem Traum oder der Realität befinden. Unterstrichen wurde diese surreale Reise mit dem Filmscore von Hans Zimmer, passender weise heisst das bekannteste Stück «Time».

Nolans bis anhin ambitioniertestes Werk ist aber der Weltraum-Streifen «Interstellar». Der fast dreistündige Film kam wiederum aus der Feder seines Bruders Jonathan und ihm selbst. «Interstellar» (2014) handelt von einer dystopischen Zukunft, in der die Menschheit die Erde verlassen und ein neues Zuhause auf einem anderen Planeten finden muss.

In der Nähe von Saturn wurde ein Wurmloch entdeckt, das in eine andere Galaxie zu einem Planetensystem um ein Schwarzes Loch führt. Vor Jahren wurden zwölf Astronauten im Rahmen des Programms «Lazarus» in dieses Wurmloch geschickt, um einen neuen bewohnbaren Planeten zu finden – nur drei haben brauchbare Daten gesendet. Also liegt es an Cooper (Matthew McConaughey) und seiner Crew, diese Planeten zu finden.



Im Verlaufe des Films tangiert Nolan das Konzept der Zeit erneut, diesmal allerdings in einer schwerwiegenderen Form: Das Phänomen wird in der Relativitätstheorie als Zeitdilatation beschrieben. Diese bewirkt, dass alle inneren Prozesse eines physikalischen Systems relativ zum Beobachter langsamer ablaufen, wenn sich dieses System relativ zum Beobachter bewegt. Das bedeutet, dass auch Uhren, die sich relativ zum Beobachter bewegen, langsamer gehen als Uhren, die relativ zum Beobachter ruhen.

Im Kontext des Films zeigt sich dies wie folgt: Der erste Planet, der von Coopers Crew angesteuert wird, befindet sich in der Nähe des angesprochenen Schwarzen Lochs. Hier kommt die Zeitdilatation ins Spiel. Eine Stunde auf diesem Planeten entspricht sieben Jahren ausserhalb der Gravitation des Schwarzen Lochs. Als Dr. Amelia Brand (Anne Hathaway) und Cooper vom komplett mit Wasser überzogenen Planeten zurückkehren, stellen sie schockierend fest, dass inzwischen 23 Jahre vergangen sind.

Es folgt dann Schauspiel der Extraklasse von Matthew McConaughey: Die Astronauten erhalten nämlich regelmässig Videobotschaften ihrer Familien auf der Erde. Nach den 23 Jahren sieht er seine Kinder aufwachsen, er bekommt und verliert einen Enkel und sieht die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihm in den Augen seiner Tochter schwinden – alles innerhalb von Sekunden. Die Kamera ruht dabei meist auf McConaugheys Gesicht – eine Meisterleistung entfaltet sich.

«Interstellar» macht den Zuschauer zu einem emotionalen Wrack. Chris Nolan ist ein Genie.

Auch bei der «Batman»-Trilogie leistete Nolan herausragende Arbeit: hier Heath Ledger als Joker.
Auch bei der «Batman»-Trilogie leistete Nolan herausragende Arbeit: hier Heath Ledger als Joker.
Warner Bros.

Freilich darf man nicht über den Briten sprechen und dabei seine «Batman»-Trilogie vergessen. Nolans «Batman» ist mit Abstand der beste – besser als West, besser als Keaton, besser als Kilmer und definitiv besser als Clooney. Christian Bale mimte den bis anhin überzeugendsten Fledermausmann, der natürlich auch mit unheimlich guten Gegenspielern ergänzt wurde: Liam Neeson und Cillian Murphy in «Batman Begins» (2005), der unvergessene Heath Ledger als Joker in «The Dark Knight» (2008) und der Alleskönner Tom Hardy als Bane in «The Dark Knight Rises» (2012). Der zweite Teil der Trilogie liegt stets auf dem vierten Platz der besten Filme überhaupt.

In naher Zukunft werden wir Nolans «Tenet» im Kino schauen dürfen. Auch da regiert wieder das Konzept der Zeit: Zwei Agenten bekommen den Auftrag, den dritten Weltkrieg zu verhindern. Sie müssen dabei eine Person aufhalten, die die Zeit manipulieren kann. Viel mehr ist nicht bekannt über die Handlung, aber aufgrund der bisherigen Leistungen Nolans – sogar mit Stoff, der nicht aus seiner Feder kommt – dürften wir zuversichtlich sein. Auch wenn wir den Film vielleicht nicht auf Anhieb verstehen, das hat Chris so an sich.

Zurück zur Startseite