Interview Darum spielt Max Hubacher den Frauenmörder von Bern

Lukas Rüttimann

3.10.2018

Er scheut sich nicht vor heiklen Rollen: Nach dem Verdingbub und einem schwulen Fussballer spielt Max Hubacher, 25, in «Der Läufer» den Frauenmörder von Bern.

Max Hubacher, in «Der Läufer» spielen Sie Jonas Widmer. Diese Figur ist an Mischa Ebner, den Frauenmörder von Bern, angelehnt. Sie haben es sicher schon oft gehört: Warum um Himmels Willen diese Rolle?

Diese Frage wurde mir tatsächlich schon sehr früh und sehr oft gestellt, sogar in meinem Umfeld. Aber mich interessieren nun einmal Rollen, die weitergehen als normal. Ich liebe Figuren, bei denen ich mich mit dem Innenleben eines Menschen befassen muss. So kann ich auch für mich selber einen Schritt weiterkommen. Ich glaube nicht daran, dass ein Mensch böse geboren wird. Irgendetwas hat ihn böse gemacht, irgendetwas hat diesen Hass auf Frauen ausgelöst. Dieser Frage wollte ich mich stellen.

Die Bilder zum Schweizer Film «Der Läufer»

Sind Sie dahintergekommen, was Mischa Ebner zum Mörder gemacht hat?

Jeder von uns hat seine Dämonen. Jonas – wie die Figur von Mischa Ebner im Film heisst – versucht mit seinem Umfeld über sie zu sprechen. Letztlich schafft er es aber nicht, sich mitzuteilen. Das ist der Unterschied zu meiner Person: Ich habe meine Ankerleute, ich fühle mich geborgen. Wenn das fehlt, können fatale Entwicklungen ihren Gang nehmen.

Wurde Ihnen abgeraten, die Rolle anzunehmen?

Ja, aber das war nicht das erste Mal. Fast immer gab es bisher Leute, die meinten: 'Bist du dir sicher? Ist das eine gute Idee?' Solche Zweifel bestärken mich nur. Selbst bei Mario, dem schwulen Kicker, warnte man mich, dass ich auf der Schwulenschiene landen könnte. Aber ich habe mir fest vorgenommen, niemals Klischees zu spielen.

Gibt es Grenzen? Würden Sie auch jemanden wie den Vierfachmörder von Rupperswil spielen?

Eine der Aufgaben als Schauspieler besteht für mich darin, meine Figuren nicht moralisch zu werten. Ich habe aber kürzlich das Buch über Anders Breivik, den Amokläufer von Utøya, gelesen. Über ihn läuft derzeit ein Film im Kino. Das Buch hat mich richtig fertiggemacht. Einen wie Breivik könnte ich momentan zumindest auf keinen Fall spielen.

Was ist der Unterschied zwischen Ebener und Breivik?

Es geht nicht um den Unterschied. Ich finde, dass eine Rolle in dieser Richtung reicht. Ich möchte mich nicht wiederholen. Ich suche mir Herausforderungen und will diese meistern. Bei «Der Läufer» war das extrem genug.

Inwiefern?

Ich hatte Angst vor dem Film. Mit gutem Grund, wie sich gezeigt hat: Diese Rolle war psychisch und physisch absolut heftig. Ich habe noch nie einen so intensiven Dreh erlebt.

Konnten Sie nach einem Drehtag abschalten?

Manchmal besser, manchmal schlechter. Gewisse Szenen haben mich weiter beschäftigt. Zum Glück drehten wir in Bern, wo ein Grossteil meines Umfelds lebt. Das hat mir geholfen.

Wie haben Sie die Geschichte von Mischa Ebner persönlich erlebt?

Ich war noch ein Bub. Aber für meine Eltern war das Ganze sehr nah. Vielleicht war es ein Vorteil, dass ich damals noch klein war. So konnte ich eine gewisse Distanz wahren.

Der Film lässt einen ratlos zurück.

Ich möchte niemandem vorschreiben, was er daraus ziehen soll. Mir ist eingefahren, wie nah, roh, brutal und konsequent der Film ist, ohne dass er Gewalt verherrlicht. Aber «Der Läufer» ist kein Thriller – kein Krimi, der die Zuschauer unterhalten soll.

Ein Vergnügen ist es nicht, diesen Film zu schauen. Einverstanden?

Absolut. Auch für mich war es kein angenehmes Gefühl, ihn auf der Leinwand zu sehen. Aber es muss Filme geben, die nicht nur unterhalten wollen. Filme, die fordern, die anstrengend sind. Als Schauspieler möchte mich ausserhalb meiner Komfortzone bewegen.

Heisst das, Sie würden eine Rolle in einem Publikumsfilm ablehnen? Sehen wir Max Hubacher nie in einer romantischen Komödie?

Doch natürlich! Wenn mir das Buch gefällt und die Figur greifbar ist, würde ich nicht nein sagen. Ich habe nichts gegen Blockbusterfilme. Nur wenn sie kleineren Filmen das Geld wegschnappen, die sonst keine Chance auf eine Finanzierung haben, finde ich das schwierig. Ganz abgesehen davon: Am Theater in Leipzig hat man mich fast nur in lustigen Rollen sehen können. Dort bin ich als Ross mit Krücken und Stiefeln über die Bühne galoppiert.

Sie gelten zusammen mit Luna Wedler als die grosse Schweizer Filmhoffnung. Wie wohl fühlen Sie sich mit diesem Etikett?

Natürlich fühle ich mich geehrt. Aber es gibt noch ganz viele andere Gesichter, die diese Ehre genauso verdienen. Ich versuche einfach, mir treu zu bleiben und immer weiter zu gehen.

«Der Läufer» mit Max Hubacher in der Hauptrolle läuft ab diesem Donnerstag, 4. Oktober, in den Schweizer Kinos.

Die Kino-Highlights im Oktober
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