Aufreger «Benedetta» in Cannes Auch 300 Jahre später sind die lesbischen Nonnen vielen zu viel

Von Gianluca Izzo, Cannes

15.7.2021

Regisseur Paul Verhoeven macht seinem Ruf als Provokateur alle Ehre. «Benedetta», sein Drama über lesbische Nonnen, ist der Aufreger am  Filmfestival in Cannes.

Von Gianluca Izzo, Cannes

Überraschend ist es keineswegs, dass Paul Verhoevens neues Nonnen-Drama Furore macht an den Internationalen Filmfestspielen von Cannes. Der holländische Regisseur ist für kontroverse Werke bekannt, etwa «Basic Instinct» oder das Vergewaltigungsdrama «Elle».

Sein neuester Streich «Benedetta» basiert vage auf der wahren Geschichte einer italienischen Nonne. Benedetta Carlini wurde im 17. Jahrhundert von der Kirche exkommuniziert und verfolgt, nachdem sie eine lesbische Affäre mit einer Schwester aus dem Kloster einging.

Meister der Provokation

Dieses historische Ereignis bietet genug Zündstoff für Verhoeven, um sein Feuerwerk an Obszönitäten und Provokationen zu starten. Mit der katholischen Kirche geht er schonungslos ins Gericht und scheut in keiner Szene davor zurück, sich über sie lustig zu machen. Er treibt es damit so weit, dass sein Film auch als Satire aufgenommen und verstanden werden muss. In manchen Szenen stellt sich die Frage, ob er sich selbst nicht mehr ernst nimmt und mit seinem Publikum spielt, nach dem Motto «Ihr wollt Skandale? Hier habt ihr sie!»

Der Trailer zu «Benedetta».

Youtube

Gott und Liebe

Bereits in der Eröffnungsszene wird Benedetta (Virginie Efira) als Mädchen mit aussergewöhnlichen Eigenschaften vorgestellt. Ihr Vater bringt sie deswegen ins Kloster. In ihrer ersten Nacht fällt während des Gebets die Statue der heiligen Maria auf ihren Körper. Weil Benedetta wie durch ein Wunder unversehrt bleibt, halten auch die Nonnen sie für ein heiliges Wesen.

Als Erwachsene ist Benedettas Liebe zu Gott grenzenlos. Sie entwickelt eine unbändige Leidenschaft und grosse Lustgefühle. In ihren Albträumen wird sie von Schlangen oder wilden Männern attackiert und beinahe misshandelt, bevor Jesus sie in Form eines edlen weissen Ritters rettet.

Als eines Tages die ungezogene junge Bartolomea (Daphné Patakia) im Kloster landet, fühlt sich Benedetta sofort zu ihr hingezogen. Während sie ihr dabei helfen will, die Nähe zu Gott zu finden, finden die beiden stattdessen die Nähe zueinander. Was in der Kirche eigentlich als Blasphemie gilt, wird für Benedetta zur stärksten Ausdrucksform ihrer Liebe zu Gott.

Das Liebesspiel der beiden Nonnen geht so lange gut, bis die Äbtissin des Klosters (Charlotte Rampling, Mitte) Verdacht schöpft und den päpstlichen Boten in die Geschichte einweiht.
Das Liebesspiel der beiden Nonnen geht so lange gut, bis die Äbtissin des Klosters (Charlotte Rampling, Mitte) Verdacht schöpft und den päpstlichen Boten in die Geschichte einweiht.
GUY FERRANDIS / SBS PRODUCTIONS

Am Puls der Zeit

«Benedetta» ist zweifellos einer der Aufsehen erregendsten Filme des Jahres. Am Filmfestival in Cannes spaltet er die Meinungen der internationalen Presse wie kein anderer Wettbewerbsbeitrag. Während einige Journalist*innen ihn als Meisterwerk betrachten, sorgt er bei anderen für Zorn und Empörung. Bei aller Provokation und Kontroverse trifft das düster inszenierte, aber auch humorvolle Historiendrama mit der gleichgeschlechtlichen Liebesbeziehung den Nerv der heutigen Zeit.