Hollywood-Star zu «Griselda» Sofía Vergara: «Es war schwierig, mich hässlich zu machen»

Marlène von Arx, Los Angeles

26.1.2024

Als grausame «Cocaine Godmother» Griselda Blanco ist Sofía Vergara in der neuen Netflix Miniserie «Griselda» kaum wiederzuerkennen. Im Interview erzählt sie, welchen Preis ihr eigener Bruder als Drogenhändler bezahlte.

Marlène von Arx, Los Angeles

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Sofía Vergara (51) spielt in der neuen Netflix-Serie «Griselda» das kolumbianische Oberhaupt des Medellín-Kartells.
  • Drogenhändlerin Griselda Blanco gehört zu den grausamsten Kriminellen aller Zeiten.
  • Im Interview erzählt Sofía Vergara von ihrem Traum, diese Geschichte zu verfilmen – und warum sie weiss, wie es bei Drogenhändlern abläuft.

Sofía Vergara dürfte die Nase, von der wir später noch hören werden, ganz schön gerümpft haben, als Catherine Zeta-Jones ihr ihre Traumrolle wegschnappte und 2017 Griselda Blanco im Fernsehfilm «Cocaine Godmother» verkörperte.

Seit über zehn Jahren hatte sie selber versucht, die brutale Drogenbaronin zu spielen und ihrem «Modern Family»-Image etwas entgegenzusetzen.

Dabei war ihr die kolumbianische Landsfrau ursprünglich gar kein Begriff: «Ich bin zwar während der Blütezeit der Medellín-Kartelle in Kolumbien aufgewachsen und wir kannten die Gangster beim Namen, aber von ihr hatte ich nie etwas gehört», so Sofía Vergara im Interview. «Erst später hatte ich einen Artikel in einer Zeitschrift über sie gelesen und konnte gar nicht fassen, dass es sie wirklich gab.»

Griselda Blanco war in den Siebziger- und Achtzigerjahren die meist gefürchtete Drogenhändlerin in den USA. Sie hatte sich in Miami eine eigene Organisation aufgebaut und war die erste und einzige Frau, die im Medellín-Kartell so hoch aufstieg. Sie soll drei Tonnen Kokain pro Jahr in die USA geschmuggelt und 80 Millionen Dollar monatlich Gewinn eingestrichen haben.

«Mein Bruder war leider auch im Drogengeschäft»

Die «Madrina» inspirierte Loyalität und Respekt, aber ihre Herrschaft war grausam. Sie liess gar einen ihrer drei Ehemänner ermorden. Schliesslich sass sie über 20 Jahre im Gefängnis und wurde nach ihrer Freilassung selber Opfer eines Anschlags.

Sofía Vergara war einerseits fasziniert von der Figur: «Eine Kolumbianerin, eine Immigrantin, eine allein erziehende Mutter, die sich als Frau durchsetzen musste? Damit kann ich mich gut identifizieren», erklärt die Schauspielerin.

Andererseits weiss sie aus eigener Erfahrung, was Menschen wie Griselda anrichten: «Mein Bruder war leider auch im Drogengeschäft und wurde ermordet. Ich weiss, worum es geht und wie Familien zerstört werden, wie das Umfeld und das ganze Land leidet. Wie konnte eine Mutter von vier Kindern alle Werte und ihre guten Absichten, die sie in meinen Augen ursprünglich hatte, verlieren?»

Erst nach dem Tod von Griselda – sie wurde 2012 beim Verlassen einer Metzgerei in Medellín von einem Auftragskiller erschossen – trieb Vergara ihre Verfilmungspläne voran: «Ich wollte sie zu Lebzeiten nicht glorifizieren, ihre Geschichte musste zuerst ein Ende haben.»

Das Netz findet Vergara «zu schön» für diese Rolle

Schliesslich kontaktierte sie die Macher der Netflix-Serie «Narcos». «Wir wollten Griselda Blancos Geschichte erzählen, wussten aber nicht, wie wir sie in ‹Narcos› einbauen konnten, denn sie brauchte viel Platz», erklärt Drehbuchautor Eric Newman.

Inzwischen ist aus dem Stoff eine eigenständige sechsteilige Netflix-Miniserie geworden. Sofía Vergara überzeugt zwar als unbarmherzige Madrina, aber das Casting des ehemaligen Models sorgte ursprünglich für viel Unmut im Netz.

Es bestehe keine äusserliche Ähnlichkeit zwischen den beiden Frauen, hiess es.

Newman findet die Kritik unfair: «Als Vergleich wurde Sofía ein Polizeifoto der 65-jährigen Griselda gegenübergestellt. Die Schönheitsideale haben sich verändert, aber in den Siebziger- und Achtzigerjahren hatte Griselda durchaus ihre Verehrer!» Sie sei in jüngeren Jahren – und bevor sie 20 Jahre im Gefängnis sass – eine attraktive Frau gewesen, findet auch Sofía Vergara.

Kontroverse Transformation ihrer Nase

Die 51-Jährige, deren Ehe mit «Magic Mike»-Schauspieler Joe Manganiello letztes Jahr auseinanderging, weil er nach ihren Angaben in der spanischen Zeitung «El País» noch Kinder wollte, arbeitete unermüdlich an ihrer Transformation.

Sie heuerte die Schauspiellehrerin Nancy Banks an, die zuvor schon mit Jennifer Aniston und Margot Robbie gearbeitet hatte. Sie veränderte ihre körperliche Haltung und dislozierte schliesslich eine Bandscheibe: «Ich konnte mich einen Tag lang nicht bewegen und brauchte eine Injektion. Darum muss ich mich jetzt für den Rest meines Lebens kümmern, aber es hat sich gelohnt.»

An ihrem Look als Drogenbaronin wurde eineinhalb Jahre getüftelt und erst zwei Wochen vor Drehbeginn waren alle zufrieden.

«Es war schwierig, mich hässlich zu machen», lacht Vergara. Sie trägt eine vergrösserte Nase und falsche Zähne. Sie sei selber ihre strengste Kritikerin, meint Eric Newman: «Mal fand sie, sie sah aus wie ein Pirat aus der Karibik oder wie die Hexe aus ‹Der Zauberer von Oz›.» – «Ich wollte eben wie eine echte Person aussehen», fällt Sofía Vergara ihm ins Wort. «Die Leute sollen nicht denken, ich wolle sie mit einer falschen Nase davon überzeugen, eine ernste Schauspielerin zu sein.»

Aber genau die falsche Nase wird nun online heftig diskutiert. Damit hat nach Bradley Cooper jetzt auch Sofía Vergara ein «Nasen-Gate». Cooper wurde gar Antisemitismus vorgeworfen, weil er sich für die Rolle des Komponisten und Stardirigenten Leonard Bernstein in «Maestro» eine Hakennase ankleben liess.

Bernsteins Kinder verteidigten den Schauspieler in einem Statement: «Es ist wahr, dass Leonard Bernstein eine schöne, grosse Nase hatte. Bradley hat mit der Maske die Ähnlichkeit verbessert und für uns ist das absolut okay. Wir sind sicher, dass es auch für unseren Vater okay gewesen wäre.»

Solche Unterstützung kann Sofía Vergara von der Blanco-Familie nicht erwarten. Griseldas einziger überlebender Sohn Michael hat in Miami bereits Klage eingereicht: Er fordert Schadensersatz, und dass die Serie vom Streamingdienst verschwindet. Er will nämlich die Geschichte seiner Mutter selber in einer Telenovela verbraten.

«Griselda» ist derzeit auf Netflix abrufbar.


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