Reality-TV-Trend Darum öffnen so viele Hollywood-Stars ihre Türen

Von Marlène von Arx

25.2.2023

Einst war die Privatsphäre ihr höchstes Gut, inzwischen machen immer mehr Hollywood-Stars da mit, wo sich sonst nur Möchtegern-Sternchen tummelten: im Reality-TV-Genre. Was bewegt sie dazu? 

Von Marlène von Arx

Hat er das nötig? Diese Frage haben sich wohl viele gestellt, als Sylvester Stallone verkündete, er und seine Familie würden die Tore zu ihrem Luxusanwesen öffnen und für die Reality-Serie «The Family Stallone» Kameras bei sich zu Hause einlassen.

«Wir machen das definitiv nicht wegen des Geldes», wies er in einem SiriusXM-Interview solche Spekulationen von sich. «Sondern um zusammen zu sein und um zu zeigen, wie verrückt es ist, in einem Frauenhaushalt zu leben.»

Es gibt verschiedene Gründe, warum Stars ins Reality-Genre einsteigen. Rehabilitierung kann ein Grund sein («Being Bobby Brown»), Narzissmus kann auch einer sein.

«Teilnahme ist eher eine Notlösung»

Geld spielt hingegen immer eine Rolle. Sicher auch bei den Stallones. «Reality-TV ist aber ein weiter Begriff», betont der in Los Angeles tätige Talent Manager Marc Mounier.

«Die Teilnahme als Kandidat oder Kandidatin in einer Wettbewerb-Show ist eher eine Notlösung. Doku-Soaps machen hingegen in der Regel aus zwei Gründen Sinn: Entweder als weitere Einnahme-Quelle oder als Neuausrichtung. Stars positionieren sich nämlich heute immer mehr als Marken mit bestimmten Werten und Anhängerschaften. Wenn sie Produkte lancieren möchten, hilft eine Reality-Show, ihre Markenbekanntheit zu erweitern.»

Als weitere Einnahme-Quelle, die Sinn ergibt, führt Mounier beispielsweise die Dokumentarfilme der Musikerinnen Billie Eilish («The World’s A Little Blurry Now») und Selena Gomez («My Mind & Me») an.

Man kann den Einblick hinter die Kulissen gut kontrollieren, den Film günstig produzieren und teuer verkaufen. Gemäss der Fachzeitschrift Hollywood Reporter hat Billie Eilish «The World’s A Little Blurry Now» für unter 2 Millionen Dollar produziert und dann für 25 Millionen Dollar an AppleTV+ verkauft.

Marken-Expansion durch Reality-TV machten sich beispielsweise Mark und Danny Wahlberg für ihre Wahlburger-Restaurant-Kette zunutze («Walburgers», 2014–2019).

Stallones hoffen auf Branding-Boost

Auch bei der Familie Stallone steht der Branding-Gedanke sicherlich im Vordergrund: Stallones Frau Jennifer Flavin Stallone ist Mitbesitzerin der Wellness-Marke Serious Skin Care. Töchter Sophia und Sistine haben einen Podcast. Sistine und Scarlet haben zudem Schauspiel-Ambitionen.

Scarlet tritt zurzeit in der Mobster-auf-dem-Land-Serie «Tulsa King» an der Seite ihres Vaters auf. Eine erfolgreiche Reality-Show dürfte den Schwestern in der Industrie diverse neue Möglichkeiten eröffnen.

Andere Stars lassen sich mit Reality-Shows ihre Hobbys finanzieren oder hoffen, durch ihre erweiterte Plattform die Welt zu verbessern. Oder gleich beides zusammen, wie beispielsweise Ewan McGregor in seiner «The Long Way Around»-Motorrad-Trip-Serie, in der er mit seinem Kumpel Charley Boorman auf gesponserten Harleys durch ganze Kontinente fuhr und für Unicef Abstecher zu Waisenhäusern machte.

Legitimer Karriere-Schritt

Was mit Ozzys Rocker-Familie «The Osbournes» 2002 anfing, ist inzwischen bei den Promis als ein legitimer Karriere-Schritt angekommen. Social Media spielt dabei eine wesentliche Rolle.

«Wir sind es inzwischen gewohnt, anderen Menschen unser Leben zu zeigen», so Mounier. «Oder zumindest eine kuratierte Version davon. Das gilt auch für Stars, die das öffentliche Narrativ um ihre Person immer mehr direkt kontrollieren.»

Ob ein Einstieg in den Reality-Bereich Sinn ergibt, hänge dann auch noch von Faktoren ab wie Zeitaufwand, Sender, Zielpublikum und dem Rest der Karrierepläne – wie beispielsweise die Möglichkeit, ein Résumé als Produzent*in aufzubauen. Oder als Chance, TV-Moderatorin zu werden, wie Ozzy Osbournes Frau Sharon und Tochter Kelly. 

Aber wie real sind von einer prominenten Figur kontrollierte Reality-Shows tatsächlich? Dieses Rätsel zu entschlüsseln, mache einen grossen Teil der Faszination seitens des Publikums aus, findet Medienwissenschaftlerin Ursula Ganz-Blättler: «Der Reiz dieser Dokusoaps ist es herauszufinden, was authentisch und was inszeniert ist und dass man diese Frage im Serienformat über eine längere Zeitspanne verfolgen kann. Das Drama-Potenzial ist kleiner, wenn die Hauptfigur die Kontrolle hat, was aber mit einem Einblick hinter die Kulissen einer Luxus-Villa wieder wettgemacht werden kann.»

Bei Sylvester Stallone (76), Ehe-Frau Jennifer Flavin Stallone (54) und den Töchtern Sophia (26), Sistine (24) und Scarlet (20) darf man wohl in erster Linie einen Gender- und einen Generationen-Konflikt erwarten. Dazu scheint beim Ehepaar Stallone nach 25 Jahren nicht mehr alles im Lot zu sein: Jennifer Flavin Stallone reichte letzten August die Scheidung ein, zog sie aber einen Monat später wieder zurück.

Für den Patriarchen hat die Serie, die im Frühling auf Paramount+ ausgestrahlt wird, sein Ziel bereits erfüllt, wie er im eingangs erwähnten Interview bestätigt: «Die Girls kommen fantastisch rüber und ich wie ein Idiot. Also ist es perfekt.»


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