Kolumne Um sich herum: Drohnen statt Bienen

Herbie Schmidt

28.12.2018

Drohne sind augenscheinlich Fluch und Segen.
Drohne sind augenscheinlich Fluch und Segen.
Bild: Getty Images

George Orwells «1984», Jeff Bezos' Prophezeiung – die Drohne erobert den Raum, der doch ohnehin vollgestopft ist. Ach so, fixe Korridore sollen es bringen.

Es wird immer besser. Da summt beim Spaziergang an der Seepromenade nicht mehr ein Bienenschwarm, sondern ein Multikopter um einen herum. Der ist nicht auf der Suche nach Pollen für das Endprodukt Honig, sondern nach Bildmaterial und Daten für die Cloud.

Längst nicht mehr selten kommen Drohnen zum Einsatz, die für die Vermessung – also fürs Katasteramt – ihren Dienst tun. Und das erst noch autonom, also ohne einen Operateur, der das Fluggerät steuert.

Die schöne neue Zukunft erinnert immer mehr an Orwells «1984», wo Big Brother stets ein wachsames Auge auf uns wirft. Schon 2013 prophezeite Amazon-Chef Jeff Bezos: «Eines Tages werden Lieferdrohnen so alltäglich sein wie Lieferwagen.»

Das Chaos am Boden

Na bravo. Da sind wir kaum in der Lage, den Strassenverkehr in geordneten Bahnen zu halten, Unfälle zu vermeiden oder bloss dafür zu sorgen, dass die Verkehrsregeln eingehalten werden – rote Ampeln gelten auch für Velofahrer, das sehen aber nicht alle so eng. Entsprechend herrscht am Boden bereits das Chaos, der Stau regiert den Stadtverkehr.

Und jetzt soll also die Invasion der Plastikteile mit nähmaschinenartig aktiven Rotorblättern Abhilfe schaffen. Im Sommer sollten Drohnen regelmässig Blutproben von Arztpraxen und Spitälern über den Zürichsee zum Analyselabor transportieren. Obwohl das Projekt zunächst ob des hochfrequenten Brummens scheiterte, das so irritierend sein kann wie die solitäre Mücke im nächtlichen Schlafzimmer, hat die Post den regulären Betrieb gerade aufgenommen.

Fixe Korridore

Aber die Behörden sind offenbar besorgt, dass wir bald Unfälle und Staumeldungen in der Luft haben werden. Deshalb arbeiten das Bundesamt für Zivilluftfahrt und die Flugsicherungsbehörde Skyguide am Projekt U-Space, das in der ganzen Schweiz Drohnen für andere Drohnen und die Flugsicherung sichtbar machen soll. Das allein aber dürfte nicht reichen, um das Chaos auf der Strasse nicht auch in den Luftraum zu verlagern. Fixe Korridore sollen es bringen, in Japan und Österreich arbeitet man bereits daran.

Doch wäre es nicht schlauer, erst einmal die Verkehrsprobleme auf der Strasse zu lösen, als diese gleich noch mit der dritten Dimension zu multiplizieren? Mir brummt schon der Kopf.

An dieser Stelle gibt es an jedem Freitagmorgen eine Autoren-Kolumne –abwechselnd zu den Themen Mode, Digitales Leben, Essen und Muttersein. Heute: Digitales Leben.

Herbie Schmidt, 57, leitet bei der NZZ den Bereich Mobilität und treibt sich privat auch noch auf Rennstrecken herum – meist am Steuer sitzend. In seiner Vita stehen sechs Jahre beim Sauber-F1-Team und 13 Jahre als Autojournalist.

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