In immer mehr Autos finden sich Sprachsteuerungen à la Siri oder Alexa – doch mit den Vorbildern aus dem Silicon Valley und Seattle können sie überhaupt nicht mithalten. Einer rachsüchtigen Ex-Freundin könnte das in die Karten spielen.
Das ist ja noch schöner. Da unterhält man sich am Steuer eines der neuesten automobilen Wunderwerke ganz ungezwungen mit seiner Beifahrerin – und schon quatscht eine Stimme dazwischen: «Ich habe Deinen Befehl nicht ganz verstanden. Kannst Du bitte wiederholen?»
Ich lasse mir doch von einem Auto nicht vorschreiben, was ich so rede, wenn ich drinsitze. Aber so ist das nun einmal mit diesen neuartigen Sprachsteuerungen in der automobilen Welt, ganz nach dem Vorbild von Apples Siri oder Amazons Alexa. Man spreche die magischen Worte «Hey Mercedes» oder «Hey BMW», und schon ist das System aktiv und will reagieren. Oder besser: mitreden.
Auf schnellstem Wege zum Durstlöscher
Immer mehr Autobauer bringen dieses System nun, vermutlich weil ein Zulieferer dies gerade universell allen Herstellern anbietet. Das Sprachsystem versteht nun auch komplexe Anliegen wie «Ich habe Durst» und ruft gleich die nächstliegenden Trinkhallen in der unmittelbaren Umgebung des Autos auf.
Auch kann man die Ansprache modifizieren und von «Hey Hersteller» wechseln auf einen Namen nach Wunsch. Also warum nicht «Hey Ueli», «Hey Gölä» oder «Hey Kunigunde»? Und dann kann man das Denken und Nachschlagen getrost dem kleinen willigen Wesen überlassen, das irgendwo hinter dem Touchscreen sitzt und wie ein Hund darauf wartet, dass man das Stöckchen wirft.
Wetter statt Kant und Hegel
Dass Autoingenieure weitgehend humorfrei sind, zeigt sich allerdings bei Wünschen wie: «Hey Ueli, erzähl mir einen Witz». Man erntet nur Unverständnis, das können Siri und Alexa eindeutig besser. Auch Philosophisches lässt sich dem Sprachassistenten nicht entlocken, höchstens die Wettervorhersage.
Man mag den Autoherstellern zugute halten, dass sie es mit den neuen Systemen immerhin schaffen, das Autofahren sicherer zu machen, muss man doch nicht mehr umständlich in Menüs der Bedienoberfläche herumsurfen, um etwa die Höhe des Head-up-Displays einzustellen, eine Telefonnummer herauszusuchen oder das nächste Navi-Ziel einzugeben.
Obacht vor der Ex-Freundin
Aber dass man jetzt auch noch aufpassen muss, was man sagt, damit sich Ueli nicht einmischt, das geht eindeutig zu weit. Und die Eingabesprache umstellen, puh, das geht schlicht zu einfach. Das könnte zum Beispiel die rachsüchtige Ex-Freundin, die mitunter früher beim ungewollten Abschied mit dem Schlüssel den Lack zerkratzte, perfide ausnutzen: «Hey Ueli, stell die Sprache auf Japanisch um.» Das Wiederumstellen auf Deutsch ginge dann nur noch auf Japanisch.
Künftig gibt es hier an jedem Freitagmorgen eine Autoren-Kolumne –abwechselnd zu den Themen Mode, Digitales Leben, Essen und Muttersein. Heute: Digitales Leben.
Herbie Schmidt, 57, leitet bei der NZZ den Bereich Mobilität und treibt sich privat auch noch auf Rennstrecken herum – meist am Steuer sitzend. In seiner Vita stehen sechs Jahre beim Sauber-F1-Team und 13 Jahre als Autojournalist.