Kolumne Wir dummen Guetzli

Anja Knabenhans

20.11.2018

Drölftausend Guetzli backen – das ist Weihnachten.
Drölftausend Guetzli backen – das ist Weihnachten.
Bild: Getty

Die einfache Wahrheit ist: Das Jahr beinhaltet elf Monate normalen Familienalltagswahnsinn, doch dann folgt der Dezember.

Elternsein ist eintönig. Die Tage tröpfeln dahin, nie ist was los. Kein Wunder, möchten wir einmal im Jahr eine Herausforderung und gestalten die Weihnachtszeit etwas abwechslungsreicher: Wohnung dekorieren, Guetzli backen, Geschenke basteln undsoweiter (sic), easy peasy.

Yep, sowas von gelogen.

Mal ehrlich: Nach elf Monaten mit dem normalen Familienalltagswahnsinn machen wir uns das Leben im Dezember zusätzlich schwer. Ansprüche so hoch wie der Christbaum im Zürcher Hauptbahnhof, eine To-Do-Liste so lang wie die Schlange vor dem Glühweinstand … – oh du unselige Stresszeit.

Wir wünschen uns besonders viele Hach-Momente – und wollen diese mit Ach und Krach erzwingen.

Hat das je funktioniert? Nein.

Geben wir deshalb auf? Nein.

Kurz vor dem Fest wirken die meisten Eltern drum nicht besinnlich, sondern besinnungslos.

Aber in ein paar Tagen ist alles überstanden:

·       Die täglichen Adventskalenderkämpfe. («Nur! Ein! Türchen!» «Nicht morgens um drei aufstehen, um das nächste Päckchen aufzumachen!»).

·       Die Kreativitäts-Challenge und Nervenprobe namens Geschenke basteln. (Und danach alle Kinderfinger, Körper und Utensilien, eigentlich die ganze Wohnung entglitzern und entkleistern.)

·       Das Backen von drölftausend Guetzli. (Und danach alle Kinderfinger, Körper und Utensilien, eigentlich die ganze Wohnung entteigen und entpuderzuckern.)

·       Das stundenlange Pinterest-Bingen. (Die Vielfalt an Dekorationsmöglichkeiten bestaunen, beim Umsetzen am eigenen Unvermögen und der kindlichen Ungeduld scheitern und nach viel Zeit und Gefluche doch die alte Deko vom Estrich holen.)

·       Das Einstudieren von Weihnachtsliedern – oder bei Übermotivation und totalem Realitätsverlust sogar Theater. (Unter den Augen der Grosseltern ist bei den Kleinen dann alles mühsam Eingeübte wie weggeblasen, was die Grosseltern zum Glück herzig finden.)

·       Das Rumpröbeln fürs originelle Festtagsmenü, das die Kinder dann nicht mal probieren wollen und die Erwachsenen nicht geniessen können (siehe nächster Punkt).

·       Das festtägliche Geschenke-Drama («Erst essen wir in aller Ruhe, dann dürft ihr auspacken! In! Aller! Ruhe! Nicht schlingen!» «Hör auf zu heulen, es kommt nicht auf die Anzahl oder Grösse der Geschenke an!»)

Ich muss gestehen: Vieles davon kenne ich erst vom Hörensagen und Mitansehen, meine Buben sind fürs grosse Weihnachtstamtam noch zu klein.

Ist mir all dies eine Warnung? Ja.

Werde ich in ein paar Jahren trotzdem komplett übertreiben? Ja.

Ich bin ein genauso unbelehrbares dummes Guetzli wie alle anderen Eltern.

Hier gibt es hier an jedem Freitagmorgen eine Autoren-Kolumne –abwechselnd zu den Themen Mode, Digitales Leben, Essen und Muttersein. Heute: zum Muttersein.

Anja Knabenhans ist Mutter von zwei Buben und Chefin der Schreibmaschinerie (www.schreibmaschinerie.ch). Gemeinsam mit Andrea Jansen leitet sie den Elternblog Any Working Mom (www.anyworkingmom.com).

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