Leak enthülltUber hatte EU-Kommissarin und Macron auf seiner Seite
Von Dirk Jacquemien
11.7.2022
Ein riesiges Datenleck enthüllt die Geschäftspraktiken von Uber. Es zeigt unter anderem, dass eine EU-Kommissarin und Emmanuel Macron eng mit dem umstrittenen Unternehmen kooperierten.
Von Dirk Jacquemien
11.07.2022, 14:37
11.07.2022, 14:46
Dirk Jacquemien
Der Taxi-Dienst Uber, der nicht als Taxi-Dienst bezeichnet werden möchte, hatte über Jahre hinweg beste Beziehungen zu politischen Entscheidungsträgern, die überwiegend hinter den Kulissen abliefen. Die geheime Lobbyarbeit half Uber dabei, trotz eines in weiten Bereichen illegalen Geschäftsmodells erfolgreich zu sein.
Der britischen Tageszeitung «The Guardian» wurden rund 124'000 interne Dokumente des 2009 gegründeten Unternehmens zugespielt. Neben Einblicken in die rücksichtslosen Geschäftspraktiken von Uber zeigen sie auch, wie das Unternehmen im Verborgenen enge Verbindungen zu Spitzenpolitiker*innen knüpfte.
Eine davon war die ehemalige EU-Digitalkommssarin Nellie Kroes. Schon während ihrer Amtszeit von 2010 bis 2014 schlug sie sich auf Ubers Seite und kritisierte etwa Gerichtsentscheidungen, die den Dienst verboten hatten. Nach ihrem Ausscheiden als EU-Kommissarin galt eigentlich eine von der EU vorgeschriebene «Cooling-off»-Zeit, in der ehemalige Amtsträger keinen Lobbyismus betreiben durften.
Doch Kroes machte sich offenbar unmittelbar für Uber an die Arbeit. So rief sie etwa Regierungsmitglieder in ihrer Heimat Niederlande an, nachdem Ubers Amsterdamer Büro von der Polizei durchsucht worden war. Nach Aussage von Ubers europäischem Chef-Lobbyisten Mark MacGann hatte Kroes sogar einen Spitzenbeamten «belästigt», damit die Behörden von Uber ablassen.
Lukrativer Beraterjob versprochen
Bereits im September 2014, also noch während ihrer Amtszeit als EU-Kommissarin, wurde geplant, dass Kroes dem Uber-Beratungsrat mit einem Jahressalär von 200'000 Euro beitreten werde. Das sei aber noch «mega vertraulich», schrieb MacGann an einen Kollegen.
Als im März 2015 auf einem Uber-Dokument Kroes' Name niedergeschrieben wurde, nahm sich MacGann den dafür Verantwortlichen vor. «Ihr Name darf niemals auf einem internen oder externen Dokument erscheinen. Wir haben eine besondere Beziehung zu Nellie Kroes, die sensibel und hochgradig vertraulich ist», so MacGann in einem E-Mail.
Ausnahmegenehmigung verweigert
Im Mai 2016, als die offizielle «Cooling-off»-Zeit endete, wurde Kroes dann tatsächlich Mitglied des Beratungsrates. Zuvor hatte Kroes bei dem damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker um eine Ausnahmegenehmignung gebeten, um dem Beratungsrat bereits früher beitreten zu können. Als Juncker dies ablehnte, beschwerte sich Kroes bei MacGann, dass Juncker «sehr unhöflich» und «betrunken» gewesen sei.
Kroes bestreitet gegenüber dem «Guardian», dass sie unangemessen gehandelt habe. Sie sei Sonderbeauftragte der niederländischen Regierung für Start-ups gewesen und habe vor Mai 2016 weder offiziell noch inoffiziell für Uber gearbeitet.
Macron wollte Gesetze umgehen
Ebenfalls fest an Ubers Seite stand Emmanuel Macron, der vor seiner Wahl zum Präsidenten von 2014 bis 2016 Wirtschaftsminister Frankreichs war. Macron traf sich in dieser Zeit laut den geleakten Dokumenten viermal persönlich mit dem damaligen Uber-CEO Travis Kalanick – nur eines dieser Treffen wurde allerdings offiziell festgehalten.
Als die Nationalversammlung ein Gesetz verabschiedete, das die Aktivitäten von Uber stark einschränken sollte, versprach Macron bei einem Treffen mit Uber, nach Wegen zu suchen, um «um das Gesetz herum» zu arbeiten. Das sei ein «spektakuläres Meeting» gewesen, so etwas habe er noch nie zuvor gesehen, hielt MacGann danach fest.
Macrons Einfluss nicht unbegrenzt
Trotz Macrons Enthusiasmus für Uber war das Unternehmen nicht ganz glücklich mit ihm. Uber zweifelte offenbar daran, wie viel politischen Einfluss er damals wirklich hatte. Premierminister Manuel Valls und Innenminister Bernard Cazeneuve waren Uber deutlich weniger wohlgesonnen.
Als es wiederholt zu Durchsuchungen an Uber-Standorten kam, musste das Unternehmen frustriert feststellen, dass Macron nicht die Kontrolle über die Polizei hatte. In kleineren Angelegenheiten konnte Macron aber offenbar helfen.
Nachdem die Gemeindeverwaltung von Marseille 2015 ein Uber-Angebot untersagt hatte, beschwerte sich Uber bei Macron. Zwei Tage später wurde das Verbot zurückgenommen, der dafür verantwortliche Marseiller Beamte ist heute ein enger Berater Macrons im Élysée-Palast – bestreitet allerdings, damals von Macron beeinflusst worden zu sein.
Gewalt kam Uber zu Gute
Uber hatte in Frankreich einen besonders schweren Stand. Die strengen Arbeitsschutzgesetze und protestfreudigen Gewerkschaften passen kaum zum Geschäftsmodell. Entsprechend hart wurden die Auseinandersetzungen auch in der Öffentlichkeit geführt.
Als es 2016 teils gewalttätige Proteste von Taxi-Fahrer*innen gegen Uber gab, sah Kalanick das offensichtlich als eine Chance an. Uber-Fahrer*innen sollten grosse Gegendemonstrationen organisieren, so sein Vorschlag.
Wenn es dabei zu Gewalt gegen die Uber-Fahrer*innen kommen sollte, schien Kalanick das sogar als einen Vorteil zu sehen. «Gewalt garantiert Erfolg», schrieb Kalanick. Heute bestreitet Kalanick, dass er jemals Gewalt gegen Fahrer*innen ausnutzten wollte.
Legal, illegal, scheissegal
Nach einer Vielzahl von Skandalen, unter anderen auch wegen Vertuschung von sexueller Belästigung wurde Kalanick 2017 als Uber-CEO entlassen. Uber sagt heute, man verleugne vergangenes Fehlverhalten nicht. Inzwischen sei man in 10'000 Städten weltweit reguliert und habe stark in die Sicherheit von Fahrer*innen und Fahrgästen investiert. Seit Kalanicks Abgang sei Uber ein «anderes Unternehmen» geworden, das auf Zusammenarbeit statt Konfrontation setze.
Das mutmasslich der Vergangenheit angehörende Uber fasste die damalige Pressesprecherin Nairi Hourdajian 2014 in einer geleakten E-Mail dagegen so zusammen: «Manchmal haben wir Probleme, weil wir, tja, einfach verdammt illegal sind.»