China Big Brother im Untergrund: Peking startet Gesichtserkennung in U-Bahn

tsha

4.11.2019

Sicherheitskontollen gehören für Fahrgäste der Pekinger U-Bahn zum Alltag (Archivbild).
Sicherheitskontollen gehören für Fahrgäste der Pekinger U-Bahn zum Alltag (Archivbild).
Bild: Keystone

Selbst George Orwell ist das nicht eingefallen: Peking will künftig alle U-Bahn-Passagiere in gute und schlechte Fahrgäste einteilen. Das System dient vorgeblich der Sicherheit.

Klingt doch gut: Die Stadt Peking will ein neues System einrichten, um den Zugang zur chronisch überlasteten U-Bahn zu beschleunigen. Bei genauerem Hinsehen aber entpuppt sich das Vorhaben als Albtraum für Datenschützer, wie ihn wohl nicht einmal George Orwell hätte vorhersagen können. Denn Peking will alle U-Bahn-Passagiere mittels Gesichtserkennung erfassen und in gute und schlechte Bürger einteilen, die entsprechend schneller oder erst nach genauer Überprüfung zum Bahnsteig weitereilen dürfen. Das berichtet unter anderem die parteinahe englischsprachige Zeitung «China Daily».

Schon heute müssen U-Bahn-Passagiere in Peking und in vielen anderen chinesischen Städten umfangreiche Sicherheitskontrollen durchlaufen, wie man sie hierzulande nur von Flughäfen kennt. Dabei wird zunächst das Gepäck durchleuchtet, bevor man selbst durch einen Metallscanner läuft. Die Regierung will so etwa Terroranschläge von Separatisten verhindern. Angesichts von mehr als zwölf Millionen werktäglichen Fahrgästen ein Aufwand, der viel Zeit und Personal kostet. Das System zur Gesichtserkennung soll diese Sicherheitkontrollen nun vereinfachen.

Vereinzelte Kritik

Dazu wird jeder Fahrgast mit Kameras erfasst und identifiziert. Die Passagiere werden dann in zwei Gruppen eingeteilt: Wer sich gemäss dem chinesischen Sozialkreditsystem nichts zu Schulden hat kommen lassen, kann ohne Sicherheitskontrolle zum Zug.

Schlägt das System allerdings Alarm, dann muss sich der Betroffene einem Check unterziehen. Negativpunkte im Sozialkreditsystem sammelt etwa, wer vorbestraft ist; Pluspunkte können mit «patriotischem» Verhalten erworben werden. «Intelligente Inspektion und Klassifizierung von Passagieren», so nennen das die zuständigen Behörden.

Wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtet, gibt es auch Widerstand gegen das System. So schreibe der Rechtswissenschaftler Lao Dongyan, die Gesichtserkennung unterlaufe das Prinzip der Unschuldsvermutung.

«Die derzeit diskutierten Sicherheitsmassnahmen beruhen jedoch auf der Vermutung, schuldig zu sein» so Lao im Magazin «Caixin». «Es wird angenommen, dass jeder Mensch ein Risiko für die öffentliche Sicherheit darstellt, und er muss ausnahmslos immer strengeren Sicherheitskontrollen unterzogen werden.»

Trotz der vereinzelt geäusserten Kritik sind Systeme zur Gesichtserkennung weit verbreitet in China, auch im Nahverkehrssystem. Erst im September wurden auf einer Linie der U-Bahn der zentralchinesischen Stadt Zhengzhou Kameras zur Identifizierung der Fahrgäste installiert, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete.

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