KolumneNeueste Rückspiegel – Modeding und Sicherheitsrisiko
Herbie Schmidt
22.2.2019
Mittlerweile füllen die Autohersteller den ganzen Rückspiegel mit dem Bild aus, das die Kamera im Heck produziert. Doch Vorsicht – wie bloss Distanzen und Geschwindigkeiten einschätzen?
Wieder so ein Modeding. Seit einigen Jahren gibt es Rückspiegel im Auto, bei denen sich auch ein Bild der Rückfahrkamera einblenden lässt. Soweit so gut. Aber mittlerweile füllen die Autohersteller den ganzen Rückspiegel mit dem Bild aus, das die Kamera im Heck produziert. Immerhin spiegelverkehrt, damit der Querverkehr hinter dem Wagen auch von der gleichen Seite kommt wie im wahren Leben. Wie im Spiegel eben.
Aber eben doch nicht wie im Spiegel. Denn was man sieht, ob bei Cadillac oder seit Neuestem auch im Toyota RAV4, ist nicht etwa die Realität. Stattdessen ist es ein Weitwinkelbild, das sogar einen viel grösseren Ausschnitt zeigt, als durch den Rückspiegel zu erkennen wäre. Ausserdem ist es der Rückfahrkamera egal, ob der Kombi-Kofferraum randvoll zugepackt ist, sodass die Sicht nach hinten eigentlich versperrt wäre. Oder wenn auf der Rückbank drei Grossgewachsene Platz genommen haben und so den Blick verstellen. Eigentlich hilfreich, so ein künstliches Rückspiegel-Live-Video. Aber eben doch nicht.
Einfach wegschalten
Denn was man sieht, ist ein 2D-Bild. Der Betrachter sieht nicht wie im richtigen Spiegel dreidimensional nach hinten, sondern eben nur platt auf die Oberfläche. Für Menschen mit Gleitsichtbrille kann das schon Probleme beim Fokussieren geben. Und für alle ergibt sich die Schwierigkeit, dass man Distanzen und Geschwindigkeiten im Verhältnis zum eigenen Auto nicht einschätzen kann. Ein Sicherheitsrisiko. Zum Glück lässt sich das Videobild einfach wegschalten, dann regiert wieder das gute alte Spiegelbild.
Anders sieht es bei den Seitenspiegeln aus. Nach langem Ringen hat die Autoindustrie endlich die Erlaubnis bekommen, auch hier statt echten Spiegeln Rückfahrkameras zu montieren. Der Vorteil: Die Dinger sind nicht so gross wie die Spiegel, deren Fläche auch noch vorgeschrieben ist. Stattdessen übertragen sie das Kamerabild in die Nähe der A-Säule, wo sich kleine Bildschirme einbauen lassen, die das Sichtfeld des Fahrers sonst nicht stören.
Noch ein Modeding
Bei gewissen Lkw gibt es das schon, und als erstes Serienauto kommt auch der Audi E-tron Quattro mit einem solchen optionalen System. Das aber lässt sich nicht abschalten, denn andere Seitenspiegel hat der Wagen dann nicht. Ausserdem sehen die Kamera-Arme, die links und rechts aus den Seitentüren wachsen, alles andere als ästhetisch aus. Halt wieder so ein Modeding. Wer's braucht.
Hier gibt es hier an jedem Freitagmorgen eine Autoren-Kolumne –abwechselnd zu den Themen Mode, Digitales Leben, Essen und Muttersein. Heute: Digitales Leben.
Herbie Schmidt, 57, leitet bei der NZZ den Bereich Mobilität und treibt sich privat auch noch auf Rennstrecken herum – meist am Steuer sitzend. In seiner Vita stehen sechs Jahre beim Sauber-F1-Team und 13 Jahre als Autojournalist.
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