Kein Stubenhocker Der Fussball-Profi mit dem Gamepad

Christoph Widmer

16.12.2018

Mit seinem Gamepad spielt Luca Boller für den FC Basel.
Mit seinem Gamepad spielt Luca Boller für den FC Basel.
Christoph Widmer

Luca «LuBo» Boller ist Schweizer Fifa-Meister – und neuerdings Vollzeit-Mitglied im eSports-Team des FC Basel 1893. Dabei wird klar: Profi-Gamer sind alles andere als faule Stubenhocker.

Kaum ist der Startpfiff der Fussballpartie erklungen, schnellt Luca Boller schon nach vorne, dribbelt gekonnt die gegnerischen Spieler aus, schiesst – Tor! Nach nur wenigen Sekunden geht der FC Basel gegen YB in Führung. Jedoch nicht im St. Jakob-Park. Und auch nicht in einem anderen Fussballstadion. Sondern auf einem Monitor in einem Büro in Fehraltorf, wo Luca Boller gerade trainiert – mit Playstation und Gamepad.

Luca Boller ist professioneller «Fifa»-Spieler und Teil des vierköpfigen eSports-Team des FC Basel. Luca Boller gab dafür sogar seinen Job als Bankangestellter auf: «Ich habe gemerkt, dass ich neben meinem Job zu wenig Zeit investieren konnte, um im Gaming das Maximum aus mir herauszuholen», sagt er. «Praktisch jeder internationale Spieler ist Vollzeit engagiert – oder hat als Schüler oder Student viel Zeit für eSports. Darum bin ich froh, dass mir der FCB die Chance gegeben hat, als Vollzeit-Profi arbeiten zu können.»

Luca Boller ist professioneller «Fifa»-Spieler.
Luca Boller ist professioneller «Fifa»-Spieler.
Christoph Widmer

«LuBo» – so der Nickname Bollers – ist aber erst seit wenigen Wochen Vollzeitgamer. Für den 24-Jährigen eine relativ grosse Umstellung: Früher hatte er durch Schule und Beruf jahrelang die gleiche Tagesstruktur – nun hat sich diese verändert, jeder Tag sieht anders aus: « Ich habe jetzt mehr Freiheit bei der Einteilung meiner Arbeitsstunden, so kann ich besser an meiner Karriere im eSports arbeiten. Dies braucht sicher auch Selbstdisziplin», erklärt er. «Beim FCB spiele ich aber nicht nur Fifa, sondern helfe dem eSports-Team auch bei der Content-Produktion.»

Wer also denkt, dass eSportler wie Luca Boller nur auf dem Sofa rumgammeln und ununterbrochen zocken, der irrt gewaltig: Für gewöhnlich beginnt Boller seinen Tag mit dem Gang ins Fitnessstudio – schliesslich ist Sport nicht nur gut für den Körper, sondern auch für den Geist. Danach kommt eine erste zweistündige Game-Session, nach dem Mittagessen die zweite. Länger an einem Stück zu trainieren bringe nichts, man müsse dann spielen, wenn man sich auch wirklich konzentrieren kann. Bevor Luca Boller noch ein drittes Mal trainiert, produziert er noch Videos für seinen Youtube-Kanal oder streamt auf Twitch. Auch das ist Teil seiner Arbeit – und neben Turnier- und Sponsorengeldern eine weitere Einnahmequelle.

Das Fussballfeld auf seinem Bildschirm sieht aus wie ein echtes.
Das Fussballfeld auf seinem Bildschirm sieht aus wie ein echtes.
Christoph Widmer

eSport: Profis auf ganzer Linie

eSport: Profis auf ganzer Linie «Luca ist ein Vollprofi», sagt sein langjähriger Freund Hakan Pazarcikli, der früher selbst als eSportler zum Gamepad griff – und auch immer wieder Wettkämpfe veranstaltete. Pazarcikli wird nostalgisch: «Meine Turniere waren die ersten, an denen Luca teilnahm – oh mann, wie der Kleine damals noch nervös war!», plaudert er aus, gibt dann aber gleich zu: «Doch heute hätte ich wohl kaum eine Chance gegen ihn.» Mit seiner Agentur Level05 konzentriert sich Pazarcikli nun auf die Planung und Durchführung von eSports-Events.

Seinen Trainingsraum in Fehraltorf, den auch Luca Boller nutzt, stellt er hoffnungsvollen Nachwuchsspielern zur Verfügung. Unter anderem möchte Pazarcikli damit Vorurteile abbauen: «Die breite Masse denkt bei eSports immer noch an diese Gamer-Klischees: dick, faul, verschlossen, ohne Schulabschluss. Dabei ist das Gegenteil der Fall: eSportler gehen ins Fitness, achten auf ihre Ernährung, produzieren hochwertige Youtube-Videos und wissen, wie man sich in Interviews ausdrückt und sich vermarktet. Bei Luca ist es nicht anders.»

Gamer schon von klein auf

Luca Boller ist schon lange begeisterter Videospieler. Dank seines Vaters kam er bereits als kleines Kind mit Gaming in Berührung. Dieser liess Luca schon damals mitspielen – oder gaukelte es zumindest vor: «In Wahrheit hat mein Vater das Gamepad ausgesteckt, ohne dass ich es gemerkt habe. So hat er eigentlich gegen den Computer gespielt», lacht Boller. Doch schon bald war Luca seinem Vater tatsächlich überlegen – und auch anderen Spielern. Wie etwa an einem Turnier, das in einer Videothek in der Gegend stattfand. Alle anderen Spieler waren damals 20-jährig oder älter. Gewonnen hat aber Boller – mit gerade mal zehn Jahren.

Schnell war ihm klar, dass er auch weiterhin an Gaming-Turnieren spielen möchte – vielleicht ein bisschen zum Leidwesen seiner Mutter: «Sie zeigte sich schon besorgt, wenn ich wieder mal eine lange Gaming-Session hinter mir hatte, sagt er. «Solange ich ihr aber beweisen konnte, dass Schule und Ausbildung nicht unter meinem Hobby litten, duldete sie es. Dass die Schule nicht zu kurz kam war auch mir sehr wichtig.» Und auch heute hat sie kein Problem, dass Luca als Gaming-Profi durchstartet: «Wir haben zuhause etwa drei Fernseher, die ich an Turnieren gewonnen habe. Sie hat also auch etwas davon», lacht er.

Als Boller schliesslich die «Fifa»-Schweizermeisterschaft gewonnen hatte, waren gleich mehrere Fussballclubs an ihm interessiert. Die Wahl fiel letztlich auf den FC Basel: «Der FC Basel hat ein langfristiges Konzept und nimmt den eSport meiner Meinung nach wirklich ernst. Das war mir damals extrem wichtig.», hält Luca Boller fest.

Luca an seinem Arbeitsplatz. Im Vordergrund sind seine gewonnenen Trophäen.
Luca an seinem Arbeitsplatz. Im Vordergrund sind seine gewonnenen Trophäen.
Christoph Widmer

Unter seinesgleichen

Es sind solche Turniere, die für Boller überhaupt erst den Reiz von eSports ausmachen – und nicht mal wegen des lockenden Preisgelds oder des Nervenkitzels, sondern wegen der Community: An den Wettkämpfen ist er unter seinesgleichen, unter Menschen, die in Sachen Gaming genauso begeistert und ehrgeizig sind wie er. «Ich treffe dort Leute mit den gleichen Interessen. Und gerade durch die Wettkämpfe sind auch gute Freundschaften entstanden.»

Trotzdem gibt es auch Dinge, die ihn an seinem Job nerven: Auch wenn er manchmal keine Lust aufs Zocken hat, kommt er ums Training nicht herum. Ausserdem ist man als eSportler abhängig vom Spieleentwickler: Wenn dieser gewisse Wettkämpfe nicht mehr zulässt oder die Qualifikationsregeln ändert, müssen sich Spieler dem fügen. «Wie bei der Spielentwicklung hat man auch bei den Turnierbedingungen kein Mitspracherecht», sagt Boller. «Und ja, das macht auch die Zukunft als eSportler etwas ungewiss.»

Das wäre für Boller aber kein Weltuntergang. Denn er ist nicht nur Profi-Gamer, sondern studiert nebenbei auch Marketing. Dies könnte ihm später von grossem Nutzen sein: «Wahrscheinlich werde ich nicht für immer Profi-Gamer bleiben. Aus diesem Grund investiere ich in meine Ausbildung, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Ich könnte mir vorstellen, künftig im Marketing-Bereich einer Gaming-Agentur zu arbeiten. Oder ich mache mich selbstständig. Wer weiss.»

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