Eingeständnis Facebook-Manager: Trump ist wegen uns Präsident

dj

8.1.2020

Facebook-Manager Andrew Bosworth schreibt gern lange Texte über die Macht seines Unternehmens.
Facebook-Manager Andrew Bosworth schreibt gern lange Texte über die Macht seines Unternehmens.
Getty Images

Der hochrangige Facebook-Manager und Zuckerberg-Vertraute Andrew Bosworth spricht aus, was viele denken: Donald Trump ist wegen Facebook US-Präsident. Ändern will er aber nichts und erklärt das mit «Herr der Ringe».

Andrew Bosworth, Facebooks Virtual-Reality-Chef, ist für seine offenen Worte bekannt. Bosworth gilt als enger Vertrauter von CEO Mark Zuckerberg, dem nachgesagt wird, dass er öfters mal laut ausspricht, was Zuckerberg nur denkt. Das tut er oftmals in Form von Posts auf seiner internen Facebook-Seite, die allerdings immer wieder ihren Weg in die Öffentlichkeit finden.

So auch im Fall seines neusten Essays mit dem unscheinbaren Titel «Gedanken für 2020», das der «New York Times» zugespielt wurde. Hier blickt Bosworth auf die US-Wahl 2016 zurück und legt dar, wie sich Facebook seiner Meinung nach bei der Präsidentschaftschaftswahl in diesem Jahr verhalten soll.

Trump hatte die «beste Kampagne»

In seinem Text macht Bosworth explizit, was viele amerikanische Politik-Beobachter genauso sehen: Ja, Donald Trump wurde wegen Facebook zum US-Präsidenten gewählt. Bosworth macht dafür allerdings nicht etwa die von Facebook zunächst ignorierte russische Desinformationskampagne oder ähnliches verantwortlich, sondern die «unglaubliche Arbeit» des Trump-Teams. Dieses hätte die «beste digitale Werbekampagne» geführt, die er je gesehen habe und deshalb gewonnen.

Bosworth schreibt aber auch fälschlicherweise, dass die Trump-Kampagne kein Mikrotargeting eingesetzt habe, obwohl Trumps Wahlkampfmanager Brad Parscale gerade diese Taktik als entscheidend für seinen Sieg bezeichnet hat.

Gleichzeitig spielt er den Einfluss der Analysefirma Cambridge Analytica — die Facebook in die schlimmste Krise seiner Existenz trieb — dramatisch herunter. Cambridge Analytica sei nur ein «Schlangenölverkäufer», der die eigene Macht weit übertrieben dargestellt habe. Jede einzelne von Cambridge Analyticas Behauptungen über sich selbst sei «Müll» gewesen.

Bosworth: Bloss nichts ändern

In Bezug auf 2020 argumentiert Bosworth, dass Facebook nichts an seinen Richtlinien ändern soll — die Position also, die offensichtlich auch Zuckerberg vertritt. Das heisst, es soll Politikern weiterhin gestattet sein, Desinformationen und unverblümte Lügen zu verbreiten und diese mittels Mikrotargeting gezielt auf besonders anfällige Bevölkerungsgruppen zu schicken.

Laut Bosworth könnte eine Nicht-Änderung von Facebooks Werberichtlinien wieder zum gleichen Ergebnis führen, ergo die Wiederwahl Trump. Als selbsternannter Linksliberaler würde er daher in Versuchung geraten, etwas zu ändern, aber er versucht mit einer missratenen «Herr der Ringe»-Analogie zu erklären, warum Facebook den Kurs halten sollte.



Moral der Geschichte nicht verstanden

In der Buch- und Filmserie will der Hauptcharakter Frodo den allmächtigen Ring an die weise Elfe Galandriel abgeben. Doch die lehnt ab, weil sie weiss, dass die Macht des Rings auch sie korrumpieren würde. Bosworth schliesst daraus, dass Facebook nicht durch allfällige Änderungen seiner Richtlinien in die Wahl eingreifen sollte.

«Herr der Ringe»-Analogien sind nicht Andrew Bosworths Stärke.
«Herr der Ringe»-Analogien sind nicht Andrew Bosworths Stärke.
Keystone

Doch wie «The Verge» hervorhebt, hat Bosworth die Moral von «Herr der Ringe» völlig missverstanden. Und so formuliert er unabsichtlich quasi ein Argument für die Zerschlagung von Facebook, da es ja in einer Demokratie kaum hinnehmbar ist, dass ein Privatunternehmen so riesigen Einfluss auf die Wahl des Staatsoberhauptes hat. Da ist es dann vielleicht besser, den Ring namens Facebook wie in «Herr der Ringe» im Lava des Schicksalsbergs einzuschmelzen.

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