«Instabiles» Kühlmittel Bill Gates baut Mini-AKW in der Prärie, und Experten sorgen sich

Von Dirk Jacquemien

21.11.2021

So soll das AKW von Gates aussehen.
So soll das AKW von Gates aussehen.
TerraPower

Mit einem eher kleinen Atomkraftwerk will Bill Gates gegen den Klimawandel kämpfen. Doch Expert*innen sind skeptisch.

Von Dirk Jacquemien

In Europa ist die Kernenergie umstritten. Die Schweiz will mittelfristig aussteigen, Deutschland bereits nächstes Jahr, während Frankreich gerade einen neuen Reaktor baut. Wenig Kontroverse um die Technologie gibt es in China. Dort sind über 50 neue Kernkraftwerke derzeit im Bau oder in Planung.

Aber auch in den USA wird die Kernenergie noch als Zukunftstechnologie angesehen, die beim Kampf gegen den Klimawandel helfen könne. Energieministerin Jennifer Granholm sagte jüngst an der Glasgower Klimakonferenz, ihr Land setze auf innovative und kompakte Kernkraftwerke. Genau ein solches soll nun im Bundesstaat Wyoming gebaut werden, von der von Ex-Microsoft-Chef Bill Gates gegründeten Energiefirma TerraPower.



Bisher kein Kraftwerk in Betrieb

TerraPower wurde vor 15 Jahren von Gates gegründet, der heute Verwaltungsratspräsident des Unternehmens ist. Bisher hat TerraPower noch kein einziges Kraftwerk gebaut, doch das soll sich nun in Kemmerer, Wyoming, ändern. In der 2600-Seelen-Gemeinde soll am bisherigen Standort eines Kohlekraftwerks ein hochmodernes Kernkraftwerk entstehen. Die Kosten von 4 Milliarden Dollar teilen sich TerraPower und die US-Regierung.

TerraPower setzt dabei auf eine Kühlung mit flüssigem Natrium statt Wasser sowie Energiespeicherung in Flüssigsalz. Das Werk in Kemmerer soll eine Leistung von 345 Megawatt (MW) liefern. Das ist nur rund ein Viertel der Energie, die das leistungsstärkste Kernkraftwerk der Schweiz erzeugen kann, das fast 40 Jahre alte KKW Leibstadt.



Sicherer und flexibler?

Der Mini-Reaktor, der 2028 in Betrieb gehen soll, ist zunächst als Demonstration des Reaktordesigns gedacht, die der derzeitigen Kernkrafttechnik überlegen sein soll. Flüssiges Natrium hat einen höheren Siedepunkt als Wasser, erleichtere dadurch die Kühlung und mache den Reaktor sicherer.

Durch Energiespeicherung in Flüssigsalz könne der TerraPower-Reaktor zeitweilig bis zu 500 MW ins Stromnetz abgeben. Konventionelle Kernkraftwerke sind extrem unflexibel, da das Hoch- und Herunterfahren der Reaktoren eine lange Zeit in Anspruch nimmt. Anders als etwa Gaskraftwerke können sie so nicht auf kurzfristige Nachfragespitzen reagieren. Dies sei mit ihrem Kernkraftwerk anders, so TerraPower.

«PowerPoint-Reaktor»

Unabhängige Expert*innen sind allerdings skeptisch, was die Versprechen vonseiten TerraPowers betrifft. So spricht Jan Haverkamp von Greenpeace gegenüber der «Deutschen Welle» von einem «Powerpoint-Reaktor», der also vor allem auf dem Papier existiert und seine Praktikabilität erst unter Beweis stellen muss. Haverkamp schätzt, dass das Jahr 2050 ein realistischerer Zeitpunkt für die Inbetriebnahme sei. Als Instrument im Kampf gegen die akute Klimakrise sei die Technik daher ungeeignet.

Edwin Lyman von der «Union of Concerned Scientists» zeigt sich besorgt über die Verwendung von flüssigem Natrium als Kühlmittel. Dies sei ein sehr «instabiles Material», das in Brand geraten könne, wenn es mit Wasser oder Luft in Kontakt komme, so Lyman zum «Guardian».