Bötschi fragt Beatrice Egli: «Ich musste das auf schmerzhafte Art erfahren»

Von Bruno Bötschi

2.3.2021

«Wenn ich als Künstlerin politische Denkanstösse geben will, muss ich mich im jeweiligen Thema sehr gut auskennen und auch engagieren»: Beatrice Egli.
«Wenn ich als Künstlerin politische Denkanstösse geben will, muss ich mich im jeweiligen Thema sehr gut auskennen und auch engagieren»: Beatrice Egli.
Bild Keystone

Sie ist wohl die erfolgreichste Sängerin der Schweiz. Beatrice Egli über den Abend, der ihr Leben grundlegend verändert hat, ihren Umgang mit Kritik, und warum Glück als Schulfach unterrichtet werden sollte.

Kurz vor vier Uhr nachmittags in einem Garten einer Villa am Zürichberg. Der Fernsehsender TV24 hat zum Medientag für die zweite Staffel von «Sing meinen Song – das Schweizer Tauschkonzert» geladen. 45 Minuten Gesprächszeit sind mit Sängerin Beatrice Egli bestätigt.

Vor und in der Villa herrscht angestrengte Betriebsamkeit. Es wird geredet, es wird gelacht. Seven hängt gerade am Handy. Kunz und Ta’Shan geben zwei Radiostationen Interviews, erzählen von ihrer Teilnahme bei «Sing meinen Song». Die vier Sängerinnen und Sänger werden zusammen mit Jaël, Adrian Stern und Dodo, die an diesem Nachmittag nicht zu sehen sind, die Songs der jeweils anderen neu interpretieren.

Egli hatte eigentlich schon abgesagt für «Sing meinen Song». Doch dann kam das Coronavirus und mit ihm der Lockdown. Da sie aufgrund der Pandemie mehr Zeit hatte, sagte die Sängerin am Ende doch noch zu.

Und dann ist sie endlich da: Beatrice Egli. Platz nehmen auf dem Sofa auf der Terrasse. Die Frau von der Plattenfirma platziert sich unauffällig in fünf, sechs Metern Entfernung auf der Treppe. Der Journalist erklärt das Format, die Sängerin legt ihr Handy weg, sagt, dass sie gerne zu längeren Antworten neige. Freude, Gelächter. Und schon kann es losgehen mit den vielen Fragen.

Beatrice Egli, wir machen heute ein Frage-Antwort-Spiel: Ich stelle Ihnen in den nächsten 30 Minuten möglichst viele Fragen – und Sie antworten möglichst schnell und spontan. Passt Ihnen eine Frage nicht, sagen Sie einfach ‹weiter›.

Okay.

Schweiz oder Australien?

Schweiz. Ich bin ein Mensch, der gern reist, und habe deshalb auch meine Auszeit in Australien genossen. Heimkommen ist aber noch schöner.

Rosen oder Margeriten?

Margeriten sind spezieller.

Singen oder Kochen?

Singen.

Können Sie nicht gut kochen?

Doch, wenn ich will, kann ich sogar sehr gut kochen, aber noch lieber esse ich.

Wann spürten Sie zum ersten Mal, dass Sie besser singen können als andere Menschen?

Ach, es gibt viele Menschen, die wunderschön singen können. Ich liebe es auch, wenn mein kleiner Neffe singt, obwohl er noch keinen Ton richtig trifft. Dafür ist der Klang seiner Stimme wunderschön. Ich denke, jede Stimme klingt schön, aber es gibt solche, die einen berühren und andere weniger.

Wann realisierten Sie, dass Sie mit Ihrer Stimme die Menschen berühren?

Als ich mit 14 zum ersten Mal auf einer Bühne stand, spürte ich, dass ich mit meiner Stimme die Menschen zum Strahlen bringen kann. Ich sehe mich allerdings weniger als Sängerin, sondern mehr als Entertainerin.

Zum Autor: Bruno Bötschi
Bild: zVg

«blue News»-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten. Bötschi hat viel Erfahrung mit Interviews. Für die Zeitschrift «Schweizer Familie» betreute er jahrelang die Serie «Traumfänger». Über 200 Persönlichkeiten stellte er dafür die Frage: Als Kind hat man viele Träume – erinnern Sie sich? Das Buch zur Serie «Traumfänger» ist im Applaus Verlag, Zürich, erschienen. Es ist im Buchhandel erhältlich.

Mal für einen Taxifahrer gesungen?

Schon öfter. Es gibt immer wieder Taxifahrer, die Fan von mir sind und sich wünschen, dass ich ein Lied vortrage. Fragt einer nett, erfülle ich diesen Wunsch noch so gern.

Erfüllen Sie den Wunsch auch, wenn Sie nicht betrunken sind?

Ich trinke keinen Alkohol.

Mit welchem Ihrer Lieder sollte der Beatrice-Egli-Laie einsteigen?

Eine gute Frage. Ich finde, mein Song ‹Wohlfühlgarantie› beschreibt mich sehr gut.

In welchem Song erfährt der Egli-Kenner am meisten über Sie?

‹Wenn›.

Wirklich wahr, dass Sie gern Männer beim Einkaufen im Supermarkt beobachten?

Sagen wir es so: Ich finde es generell spannend, zu beobachten, was Menschen für Lebensmittel einkaufen. Ich denke, anhand seiner Einkaufsliste im Supermarkt kann man einen Menschen schnell und gut kennenlernen. Wenn ein Mann an der Kasse vor mir steht und viel Gemüse einkauft, dann nehme ich an, dass er gut und gern kocht.

Sind Schweizer Männer geschickte Einkäufer?

Sehr geschickt.

Ihre Wertung bitte auf einer Skala von 1 bis 10?

Acht Punkte.

Die Corona-Pandemie hat den Kulturbetrieb weltweit zum Stillstand gebracht: Wann traten Sie das letzte Mal vor grossem Publikum auf?

Das ist lange, sehr lange her … Moment, ich muss kurz rechnen: Jesses, es ist schon mehr als ein Jahr her.

Wie stark vermissen Sie die Bühne?

Die aktuelle Situation ist eine grosse Herausforderung. Die Bühne ist mein Glückselixier.

Vor anderthalb Wochen absolvierten Sie Ihr erstes Streaming-Konzert: Wie war es?

Es war wunderschön. Zum Ende des Konzertes war ich derart berührt, dass ich heftig weinen musste. Deshalb konnte ich das letzte Lied nicht mehr singen. Ich spürte in dem Moment, wie schmerzlich ich das Publikum vermisse. Gleichzeitig war viel Traurigkeit in mir, weil nach wie vor unklar ist, wann Konzerte in Hallen und Sälen wieder möglich sein werden.

«Als ich mit 14 zum ersten Mal auf einer Bühne stand, spürte ich, dass ich mit meiner Stimme die Menschen zum Strahlen bringen kann»: Beatrice Egli.
«Als ich mit 14 zum ersten Mal auf einer Bühne stand, spürte ich, dass ich mit meiner Stimme die Menschen zum Strahlen bringen kann»: Beatrice Egli.
Bild: Getty Images

Am 3. März startet auf TV24 die zweite Staffel von ‹Sing meinen Song – das Schweizer Tauschkonzert›. Blöde Frage: Warum machen Sie mit?

Ich hatte Lust auf ein neues, musikalisches Abenteuer. Musik machen zu dürfen, ist etwas Besonders – besonders jetzt, wo die Pandemie dafür sorgt, dass Bühnenauftritte fast unmöglich sind.

Neben Ihnen und Moderator Seven sind Dodo, Kunz, Jaël, Adrian Stern und Ta’Shan beim televisionären Tauschkonzert mit dabei. Kannten Sie alle sechs Sängerinnen und Sänger schon vor der Sendung persönlich?

Ich bin fast am Schluss dazu gekommen und wusste von daher, wer alles dabei sein wird. Persönlich kannte ich davor niemand. Deshalb freute ich mich umso mehr, mitzumachen, war aber gleichzeitig auch etwas nervös, weil ich nicht wusste, was auf mich zukommen würde.

Wen mögen Sie musikalisch am liebsten von Ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern?

Am besten kannte ich die Songs von Kunz. Seine Lieder finden sich schon seit Längerem auf meiner persönlichen Playlist.

Ihr Lieblingssong von Kunz?

‹Chliini Händ›.

Welcher Song, den Sie während ‹Sing meinen Song – das Schweizer Tauschkonzert› gesungen haben, hat Sie am meisten berührt?

Ebenfalls ‹Chliini Händ› von Kunz. Das Lied klingt wie meine eigene Biografie. Auch ich musste mir in der Vergangenheit immer wieder anhören: ‹Ach, du mit deiner Schlagermusik, das wird sowieso nichts werden.› Gefühlt war das genauso, wie es Kunz in seinem Lied beschreibt: ‹Chunt e Stei, stohni druf und schrei: Ich gibe sicher nid uf.› Ich kenne diese Situation nur zu gut und deshalb habe ich das Lied so richtig aus mir herausgeschrien.

Hat Kunz Ihre Cover-Version von ‹Chliini Händ› gefallen?

Schauen Sie ‹Sing meinen Song – das Schweizer Tauschkonzert›, dann erfahren Sie es (lacht).



Bei ‹Sing meinen Song – das Schweizer Tauschkonzert› dreht sich alles um Cover-Versionen. Was macht eine gute Cover-Version aus?

Mir geht es bei einem Cover nicht darum, einen Song besser machen zu wollen. Stattdessen will ich die Aura eines Liedes transportieren. Es geht also weniger um die Töne, sondern um das, was in der Seele meiner Zuhörerinnen und Zuhörer passiert.

Hits von heute sind nicht selten die Originale von gestern: Welche Cover-Version ist für Sie die Mutter aller Cover-Versionen?

‹I Will Always Love You› ist eines der bekanntesten Lieder von Whitney Houston. Lange Zeit dachte ich, es sei das Original – bis ich irgendwann erfuhr, dass das Original von Dolly Parton stammt und bereits 18 Jahre vor Houstons Version erschienen ist.

Die beste Schweizer Cover-Version?

Mein persönlicher Favorit ist ‹Alperose› von Polo Hofer. Ich liebe diesen Song sehr und sang ihn regelmässig während meiner Tourneen, auch in Deutschland und Österreich. Der Song löst bei mir Heimatgefühle aus. Mein ‹Alperose›-Cover war irgendwie auch der Ursprung zu meinem ersten in Schweizerdeutsch gesungenen Album ‹Mini Schwiiz, mini Heimat›, das im vergangenen August erschienen ist.

So grundsätzlich: Welchen Song, egal, ob von einem Schweizer oder einem internationalen Künstler, würden Sie gern einmal covern?

Ich stehe, wie gesagt, seit ich 14 bin, auf der Bühne. Jahrelang sang ich nur Covers. Ich habe mir damals immer nur eines gewünscht: Irgendwann stehe ich auf der Bühne und singe meine eigenen Songs.

Seit einigen Jahren ist dies Wirklichkeit …

… und ich geniesse das total.

«Ich hatte Lust auf ein neues, musikalisches Abenteuer»: Beatrice Egli (Mitte) mit Kunz, Ta’Shan, Dodo, Seven, Jaël und Adrian Stern während der Aufnahmen zu «Sing meinen Song – das Schweizer Tauschkonzert».
«Ich hatte Lust auf ein neues, musikalisches Abenteuer»: Beatrice Egli (Mitte) mit Kunz, Ta’Shan, Dodo, Seven, Jaël und Adrian Stern während der Aufnahmen zu «Sing meinen Song – das Schweizer Tauschkonzert».
Bild: TV24

Es scheinen ziemlich oft  Tränen geflossen zu sein während der Dreharbeiten zu ‹Sing meinen Song› – zumindest lässt der Trailer dies erahnen.

Es stimmt, es flossen oft Freudentränen und wir wurden alle immer wieder von unseren Emotionen durchgeschüttelt. Die Dreharbeiten waren intensiv, arbeits- und gefühlsmässig.

Gedreht wurde im Freien auf der Ferieninsel Teneriffa.

Das stimmt. Wir fingen erst abends an zu drehen, haben in jeder Nacht zwei Sendungen aufgenommen. Das war sehr intensiv. Bereits um 10 Uhr ging es weiter mit Interviews.

Sie meinen 10 Uhr am Morgen?

Ja.

Wann haben Sie geschlafen?

Zwischen 5 und 10 Uhr.

Zu ‹Sing meinen Song› gehört auch die Kritik, die die Sängerinnen und Sänger gegenseitig üben.

Die gegenseitigen Feedbacks waren immer respektvoll. Als Künstlerinnen und Künstler wissen wir alle nur zu gut, was es heisst, auf der Bühne zu stehen und abliefern zu müssen.

Nicht alle Menschen mögen Schlagermusik. So grundsätzlich: Wie gut stecken Sie Kritik an Ihren Liedern weg?

Kritik ist wichtig, also wenn dein Gegenüber damit erreichen will, dass du besser wirst. Diese Art von Kritik kann mich als Künstlerin weiterbringen. Kritik, die nur darauf abzielt, einen Menschen zu verletzen, ist hingegen absolut unnötig. Gerade in Zeiten von sozialen Medien ist das ein sehr grosses Thema. Nur weil man sich auf einem Medium anonym äussern kann, sollte man sich trotzdem sehr gut vorher überlegen, was und wie man auf Facebook, Instagram und Co. kommentiert.

Wie gehen Sie mit verletzenden Kritiken auf den sozialen Medien um?

Ich habe einen guten Umgang damit gefunden. Ich lasse es an mir vorbeigehen, versuche, keine unnötige Energie zu verschwenden, und konzentriere mich auf das Gute im Leben.

Warum singen Menschen?

Ich kann mit der Musik Dinge ausdrücken, die in mir schlummern, für die ich keine Worte finde. Musik berührt und schafft es immer wieder, uns aus der realen Welt entfliehen zu lassen.

Ihre Erklärung, warum Menschen unter der Dusche singen?

Unter der Dusche fühlt man sich frei und auch die Akustik ist dort meistens gut.

Welche Lieder singen Sie, wenn Sie mit dem Auto im Stau stecken?

Stecke ich am Gotthard im Stau, höre ich gern Laura Pausini, um mich innerlich auf das Tessin vorbereiten zu können. Stecke ich auf dem Weg zum Flughafen im Stau, ist ‹Über den Wolken› von Reinhard Mey einer meiner Lieblingssongs.

Heimat, was bedeutet das für Sie?

Familie, Freunde, Geborgenheit und absolutes Vertrauen – das bedeutet für mich Heimat. Die Schweiz ist meine Heimat, hier fühle ich mich wohl und daheim.

Ihr Lieblingsort in Pfäffikon SZ, wo Sie aufgewachsen sind?

Ich liebe die Insel Ufenau. Ein wunderbarer Ort.

Sind Sie schon auf die Ufenau geschwommen?

Ja. Aber es ist nur einmal im Jahr während des ‹Ufenau-Schwimmens› erlaubt.

Mal im Mondschein im Zürichsee gebadet?

Schon mehrmals.

Wenn ein ausländischer Tourist sich nach Pfäffikon verirren würde, was würden Sie ihm unbedingt zeigen wollen?

Den Etzel. Das ist der Hausberg von Pfäffikon. Von dort hätte er eine wunderbare Aussicht und könnte die ganze Region überblicken.

«Familie, Freunde, Geborgenheit und absolutes Vertrauen – das bedeutet für mich Heimat. Die Schweiz ist meine Heimat, hier fühle ich mich wohl und daheim»: Beatrice Egli.
«Familie, Freunde, Geborgenheit und absolutes Vertrauen – das bedeutet für mich Heimat. Die Schweiz ist meine Heimat, hier fühle ich mich wohl und daheim»: Beatrice Egli.
Bild: Keystone

Ihr Lieblingskuschelsong?

Ein spezieller Song kommt mir gerade nicht in den Sinn. Was immer geht, ist italienische Musik.

Laura Pausini passt demnach auch zum Kuscheln?

Kann man machen, ja.

Ihr Lieblingskuschelfilm?

‹The Green Book› ist nicht wirklich ein Kuschelfilm, aber ich mag ihn sehr, weil die Geschichte, die erzählt wird, so emotional ist. Dieser Film tut einfach gut.

Liebe machen – mit oder ohne Musik?

Geht beides.

Was haben Sie anderen Menschen öfter geraten: A) sich zu trennen? B) sich nicht zu trennen?

Diese Art von Tipps gebe ich nicht. Ich würde stattdessen Fragen stellen, damit mein Gegenüber die Antwort selber finden kann.

Welche Erinnerungen haben Sie an den Sonntagabend, 12. Mai 2013?

Das war ein sehr, sehr intensiver Abend und der Moment eines Neubeginns in meinem Leben.

Wann haben Sie zum allerersten Mal richtig realisiert, was Sie mit Ihrem Sieg bei ‹Deutschland sucht den Superstar› erreicht haben?

Richtig realisiert habe ich es erst nach zwei Jahren. Es gab da Momente der Rückschau, in denen ich merken musste, dass ich vieles, was in den vergangenen zwei Jahren passiert war, gar nicht richtig mitbekommen habe. Ich traf in jener Zeit manchmal Menschen, die zu mir sagten ‹Weisst du noch?› und ich musste antworten ‹Nein, ich weiss es nicht mehr›.

Wie ist es heute?

Heute kann ich alles mehr geniessen, was auch damit zu tun hat, dass ich eine gewisse Routine aufbauen und ich mir mit meiner Karriere eine gewisse Beständigkeit aufbauen konnte.

In einem Interview sagten Sie einmal, nach Ihrem Sieg bei ‹DSDS› hätten Sie ‹ein Leben auf der Überholspur› gelebt.

Dank meines Sieges durfte ich Dinge erleben, die ich mir in meiner Fantasie nicht schöner hätte vorstellen können. Gleichzeitig besteht beim Überholen aber auch die Gefahr, nicht im Moment zu leben. Ich war im Kopf oft schon bei meinem nächsten Auftritt, dabei war ich in Realität noch an einem anderen Ort. Heute bin ich nach wie vor viel unterwegs, aber ich habe einen Weg gefunden, mehr den Moment zu geniessen.

Wie haben Sie es geschafft?

Der erste Schritt zur Besserung war, als mir zum ersten Mal richtig bewusst wurde, dass ich zu wenig im Moment lebe und ich das Gefühl hatte, meine Seele komme zeitweise nicht mehr mit. Seither frage ich mich regelmässig: Wo bin ich mit meinen Gedanken? Sind sie jetzt da, wo auch mein Körper ist, oder sind sie schon beim nächsten Termin? Zudem lege ich heute öfter Pausen ein, um Erlebtes besser verdauen zu können. Die letzten zwei Wochen war ich zum Beispiel fast ständig unterwegs und dann kam noch mein erstes Streaming-Konzert. Am Ende meines Auftritts war ich, wie schon erwähnt, total aufgewühlt und es flossen ganz viele Tränen. Früher wäre ich danach einfach weitergehetzt, heute lasse ich mir in solchen Momenten mehr Zeit und übertünche das Gefühl der Traurigkeit nicht gleich wieder.

«Heute kann ich alles mehr geniessen, was auch damit zu tun hat, dass ich eine gewisse Routine aufbauen und ich mir mit meiner Karriere eine gewisse Beständigkeit aufbauen konnte»: Beatrice Egli.
«Heute kann ich alles mehr geniessen, was auch damit zu tun hat, dass ich eine gewisse Routine aufbauen und ich mir mit meiner Karriere eine gewisse Beständigkeit aufbauen konnte»: Beatrice Egli.
Bild: Keystone

Was ist das Wichtigste, was Sie seit Ihrem Sieg bei ‹DSDS› gelernt haben?

Das Wichtigste überhaupt ist: auf sich selber hören und seinen eigenen Weg gehen. Ganz egal, wie viel Ruhm und Ehre einem versprochen werden. Wichtig ist aber auch, offen für Veränderungen zu bleiben, denn die gehören zum Leben. Sich darauf einzustellen, ist nicht immer einfach. Auch ich musste das in den vergangenen Jahren teilweise auf schmerzhafte Art erfahren.

Bei wem würden Sie sich rückblickend gern entschuldigen?

Ich bin jemand, der sich gern sofort entschuldigt, wenn er realisiert, dass er einen Bockmist gemacht hat.

Haben Sie nach wie vor regelmässig Kontakt mit Dieter Bohlen?

Nein, wir haben keinen Kontakt mehr.

Was oder wer hält Sie nach grossen Erfolgen auf dem Boden?

Ich bin ein Mensch, der sich gut selber auf den Boden zurückbringen kann, weil ich weiss, wie wichtig es ist, geerdet zu sein. Falls ich in den vergangenen Jahren doch einmal drohte, zu stark abzuheben, sorgte die Normalität meiner Familie dafür, dass ich rasch wieder mit beiden Füssen auf dem Boden gestanden bin.

Was auffällt: Gewinnen Schweizer Künstlerinnen oder Künstler eine deutsche Castingshow, kommt es meistens gut mit der Karriere. Luca Hänni, Stephanie Heinzmann und Sie sind die besten Beispiele dafür. Schon mal überlegt, warum dem so ist?

Ich denke, wir Schweizerinnen und Schweizer sind beliebt in Deutschland. Zudem sind wir sehr fleissige Bienchen und dann gehört natürlich das Glück dazu, also dass du im richtigen Moment am richtigen Ort bist.



Als Sie begonnen haben, als Sängerin aufzutreten, wussten Sie nicht, wohin das führt. Wissen Sie es heute?

Das Leben ist das, was passiert, während wir andere Pläne schmieden.

Ich nenne Ihnen drei Beatrice-Egli-Sätze aus den Medien und Sie sagen, was sie bedeuten: ‹Ich weiss, dass nicht alles rosarot ist.›

In meinen Liedern singe ich oft, wie schön und rosarot die Welt ist. Gleichzeitig ist mir natürlich sehr bewusst, dass das Leben nicht nur schön ist.

‹Es ist gut, wenn Vorbilder nicht perfekt sind und sagen: Ich bin gut so, wie ich bin.›

Genau so ist es. Und trotzdem ist es wichtig, dass ein Mensch an sich arbeitet, nicht stehen bleibt und nicht irgendwann denkt: So, ich habe genug getan, jetzt ist nur noch ausruhen angesagt.

‹Wenn man Hüften und Oberweite hat, dann kann das auch gezeigt werden.›

Habe ich diesen Satz gesagt?

Anscheinend.

Wir haben vorhin über die sozialen Medien gesprochen, und dass ich manchmal Mühe habe mit verletzender Kritik, die dort geäussert wird. Was ich hingegen gut finde, dass sich auf den sozialen Medien das sogenannte Schönheitsideal stark verändert hat. Schönheit ist längst nicht mehr nur über ein einziges Bild definiert, sondern es gibt immer mehr Vielfalt, und gesellschaftlich auferlegte Schönheitsideale gehören zum Glück immer mehr der Vergangenheit an.

So grundsätzlich: Werden die musischen Fächer in den Schweizer Schulen genug gefördert?

Nein. Ich finde ganz grundsätzlich, dass die Persönlichkeit eines Menschen und seine Vielfältigkeit mehr gefördert werden sollten in der Schule. Es gibt Menschen, die sind vielleicht nicht besonders gut in Mathematik oder Geografie, aber dafür haben sie andere tolle Talente. Was ich zum Beispiel ganz wichtig finde und ein Computer niemals ersetzen kann, ist, Empathie zu haben. Ich fände es wichtig, dass dem künftig in der Schule mehr Platz eingeräumt würde. Denn ich glaube, irgendwann werden die Computer klüger sein als wir Menschen, aber was sie nie können werden, ist: aufeinander zugehen, sich gegenseitig spüren und einen eigenen Weg gehen können.

Was halten Sie davon, wenn das Fach Glück in der Schule unterrichtet würde?

Das fände ich toll – und auch um unsere Gedankenwelt sollte sich die Schule kümmern. Denn bevor eine Idee realisiert werden kann, muss ich ja zuerst auf den Gedanken kommen.

«Das Wichtigste überhaupt ist: auf sich selber hören und seinen eigenen Weg gehen. Ganz egal, wie viel Ruhm und Ehre einem versprochen werden»: Beatrice Egli.
«Das Wichtigste überhaupt ist: auf sich selber hören und seinen eigenen Weg gehen. Ganz egal, wie viel Ruhm und Ehre einem versprochen werden»: Beatrice Egli.
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Als Sängerin haben Sie ein grosses Publikum. Spüren Sie dadurch eine Verantwortung, Ihren Fans auch politische Denkanstösse zu geben?

Ich finde, wenn ich als Künstlerin politische Denkanstösse geben will, muss ich mich im jeweiligen Thema sehr gut auskennen und auch engagieren. Bislang war es bei mir jedoch immer so, dass ich dachte: Ich bin zu wenig im Thema. Ich tue gern meine Meinung kund, wenn ich voll dahinterstehen kann. Aber wenn ich das Gefühl habe, ich weiss zu wenig, bleibe ich lieber still.

Wann haben Sie sich das letzte Mal ohnmächtig gefühlt?

Wegen der Corona-Pandemie habe ich mich in den letzten Monaten öfter ohnmächtig gefühlt.

Wann hatten Sie zum ersten Mal das Gefühl, mächtig zu sein?

Noch nie.

Wann erscheint Ihre Biografie?

Das weiss ich nicht.

Bill Kaulitz, der Sänger von Tokio Hotel, hat gerade seine Autobiografie mit dem Titel ‹Career Suicide. Meine ersten 30 Jahren› veröffentlicht. Kaulitz ist fast gleich alt wie Sie.

Es gäbe sicher auch einiges über meine Karriere zu erzählen, aber bisher war der richtige Zeitpunkt noch nicht da.

Sie wurden demnach schon von Verlagen angefragt?

Ja.

Kaulitz schreibt in seiner Autobiografie, er sei sich, nachdem Tokio Hotel berühmt geworden waren, oft wie ein Tier in einem Gehege vorgekommen. Sass er mal ohne Bodyguard im Auto, bekam er Todesangst. Gab es bei Ihnen auch Momente, in denen Ihnen der Erfolg vor allem Angst machte?

Tokio Hotel haben noch ganz andere Dimensionen des Erfolgs erlebt als ich. Es muss unglaublich gewesen sein – und teilweise eben auch sehr beängstigend. Ich hingegen hatte bisher immer alle Freiheiten, und wenn ich das Gefühl hatte, ich habe sie nicht mehr, habe ich sie mir einfach genommen.



Als Luca Hänni 2012 bei ‹DSDS› gewonnen hat, zelteten immer wieder Fans vor seinem Elternhaus in Uetendorf BE. War das bei Ihnen auch so?

Zum Glück nicht. Was hin und wieder passiert, ist, dass Fans in die Metzgerei meiner Eltern pilgern, weil sie schauen möchten, wo ich früher gearbeitet habe.

Sind Sie abergläubisch?

Nein.

Kennen Sie Rituale kurz vor dem Konzert?

Meine Band und ich bilden vor jedem Konzert einen Kreis, also wir sitzen uns gegenseitig auf den Schoss und dann schreien wir alle zusammen los. Dieses Ritual soll uns verinnerlichen, dass wir nur gemeinsam auf der Bühne erfolgreich funktionieren können.

Wie würden Sie Ihren Geisteszustand während eines Konzerts beschreiben?

Euphorisiert, voller Glück und irgendwie ist da auch ein Gefühl, in einer anderen Welt zu sein.

Was ist das Verrückteste, was Sie je auf einer Bühne getan haben?

Mit meinen Stögis bin ich schon öfter von irgendwelchen hohen Podesten gesprungen.

Fallen Sie nach einem Konzert in ein Tief?

Nach einem Konzert bin ich gleichzeitig erfüllt und fix und fertig.

Wie hoch ist Ihre Stimme versichert?

Keine Ahnung.

In welchen Momenten – ausser im Bett, wenn Sie schlafen – möchten Sie unter keinen Umständen Musik hören?

Ich bin ein Mensch, der gern Ruhe hat. Bei mir daheim läuft deshalb auch nicht ständig das Radio. Höre ich Musik, dann tue ich das sehr bewusst.

Die beste Melodie zurzeit im Radio?

Die neue Version von ‹Daylight In Your Eyes› von den ‹No Angels›. Der Song wirkt bei mir wie ein Flashback.

Gibt es Musik, die Sie hassen?

Hassen ist das falsche Wort, aber Musik mit bösartigen Texten mag ich nicht.

Wie stellen Sie sich den lieben Gott vor?

Puh, wie stelle ich mir Gott vor? Ich glaube an das Gute und die positiven Energien im Universum.

Ihr Lieblingssatz in der Bibel?

Da muss ich passen, so bibelfest bin ich nicht.

Wann waren Sie zuletzt in einer Kirche?

Da gehe ich regelmässig hin, um ein Kerzli anzuzünden.

Welche Teenagersünde wollen Sie exklusiv auf ‹blue News› beichten?

Ich sündige nicht.

Warum gehen Sie dann regelmässig Kerzen anzünden?

Für andere Menschen.

«Hassen ist das falsche Wort, aber Musik mit bösartigen Texten mag ich nicht»: Beatrice Egli.
«Hassen ist das falsche Wort, aber Musik mit bösartigen Texten mag ich nicht»: Beatrice Egli.
Bild: Keystone

Zum Schluss der berühmte Self-Rating-Test: Sie benoten Ihr eigenes Talent von 0 Punkten, kein Talent, bis 10 Punkte, maximales Talent: Gärtnerin?

Zwei Punkte. Ich habe schon geschafft, im Garten statt Unkraut Blumen auszuziehen. Mehr sage ich dazu nicht (lacht).

Fotografin?

Sieben bis acht Punkte. Ich habe mittlerweile ein ziemlich gutes Auge.

Fussballerin?

Drei Punkte.

Grundsätzlich Mühe mit Bällen?

Nein, aber ich mag Basketball lieber.

Grilleurin?

Acht Punkte. Noch lieber als Kochen grilliere ich – und zwar am besten alles miteinander.

Es heisst zwar oft, jede Frage müsse erlaubt sein. Aber viele sind einfach nur unhöflich und abwertend. Welche Journalistenfragen möchten Sie nie mehr hören?

Die Frage nach dem Status …

… also, ob Sie gerade verliebt sind oder nicht?

Oder was auch immer der Status gerade ist.

Je ein Interview abgebrochen?

Nein, ich bin genug schlagfertig.

Auch nie darüber nachgedacht, ein Interview abzubrechen?

Nein, aber es gab natürlich schon das eine oder andere Interview, das sich wie ein Verkehrsunfall angefühlt hat. Aber bisher habe ich noch immer einen Ausweg gefunden.

Ihr Patentrezept während eines mühsamen Interviews?

Viel reden, ohne etwas Konkretes zu sagen.

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