Besuch im Sexshop«Mit der Affäre ist der Ehemann viel grosszügiger»
Bruno Bötschi
13.3.2019
Ursula Frei arbeitet seit 24 Jahren im Erotikmarkt in Volketswil. Ein Gespräch über das Verhältnis der Schweizerinnen und Schweizer zu Sexualität und Partnerschaft und die beliebtesten Sextoys.
Frau Frei, Sie arbeiten seit über zwei Jahrzehnten im Erotikmarkt in Volketswil, seit zehn Jahren als Geschäftsführerin. Welche Vorlieben haben die Schweizerinnen und Schweizer im Bett?
Früher wurde oft nur hinter vorgehaltener Hand über Sex gesprochen, und im Bett war Blümchensex angesagt. Heute sind die Menschen offener, das Verhältnis zur Sexualität ist weniger verklemmt. Einen eigentlichen Quantensprung ausgelöst hat 2015 der Erotikstreifen «Fifty Shades of Grey». Die Liebeskugeln und die anderen Sexspielzeuge, die im Film zu sehen waren, wurden zu Verkaufsrennern.
Wer waren früher Ihre Kunden?
Als ich 1995 anfing, im Erotikmarkt zu arbeiten, waren 80 Prozent der Kunden Männer. Sie steuerten auf direktem Weg in die Videoabteilung, kauften Filme und Sexheftchen, die dort palettenweise herumstanden, gingen zur Kasse und verliessen den Laden sofort wieder …
… und die Ware war in einen neutralen, schwarzen Plastiksack eingepackt?
Unsere Säcke waren blau und ohne Logo.
Wie sehen Ihre Tragtaschen heute aus?
Sie sind schwarz mit Logo.
Wer kommt heute alles zu Ihnen?
Die älteren Männer, die zu uns DVDs kaufen kommen, gibt es trotz des Internets nach wie vor – aber viel weniger. Deutlich zugelegt haben die Frauen, sie machen bis zu 60 Prozent unserer Kundschaft aus. Früher waren Sexshops meist schmuddelig eingerichtet, da hat es Frauen schnell einmal abgelöscht. Zum Glück ist das Vergangenheit. Oder finden Sie es schmuddelig bei uns?
Nein.
Ich sage immer, wir sind kein Sexshop, sondern ein Erotikfachgeschäft. Die Beratung ist viel wichtiger geworden. Es kommt vor, dass junge Männer über ihre sexuellen Probleme reden möchten. Etwa darüber, dass Sie immer zu früh kommen.
Ihr Ratschlag an diese Männer?
Sie sollen ein dickeres Kondom verwenden oder ein Verzögerungsspray benutzen. Damit wird der Penis sanft betäubt und ist so weniger lustempfindlich, was dafür sorgt, dass der Mann weniger schnell kommt.
Was kaufen die Frauen bei Ihnen ein?
Sie kommen gerne am Morgen zu uns, wenn es im Laden noch etwas ruhiger ist. Für die Frauen organisieren wir zudem Dessous-Partys, wenn der Laden geschlossen ist. Frauen nehmen sich gern Zeit beim Kauf von Sextoys. Sie nehmen einen Dildo auch gern einmal in die Hand, wollen ihn berühren, wollen das Material fühlen. Oder sie probieren gemeinsam mit Freundinnen Dessous an, geben sich gegenseitig Ratschläge oder lassen sich von uns beraten.
Früher waren Sexheftlis und -videos beliebt, welches sind heute Ihre Besteller?
Ganz klar die Sextoys. In diesem Bereich hat sich extrem viel getan. Statt aus Jelly werden die meisten heute aus medizinischem Silikon hergestellt. Es gibt aber auch Spielzeug wie den Dildo Paulchen, den wir seit über 20 Jahren im Sortiment haben. Früher mit Batterie betrieben, wird Paulchen heute an der Steckdose aufgeladen. Seit einiger Zeit vergrössert sich auch das Sortiment an Männer-Toys. Und gerade sehr angesagt ist der We-Vibe.
Was ist das?
Ein Paarvibrator, er kann von Frau und Mann gleichzeitig benutzt werden.
Müssen Sie eigentlich alle Sextoys daheim zusammen mit Ihrem Mann testen?
Muss ich nicht, aber in all den Jahren haben wir natürlich schon das eine oder andere Produkt verwendet. Wir sind da ganz offen.
Neuerdings gibt es Sexspielzeuge, welche per App gesteuert werden können.
Dazu kann ich nur sagen: Gib einem Mann eine Fernbedienung in die Hand, und er ist glücklich. Wenn ich allerdings den Männern erkläre, es gehe auch umgekehrt, dass er also während des Essens einen Penisring tragen könne, den die Frau via App steuere, sind sie weniger begeistert.
Demnach will der Mann nach wie vor das Sagen haben im Bett?
Heute sagen die Frauen klarer, was sie wollen. Aber es gibt leider nach wie vor solche, die im Bett vor allem das tun, was die Lust des Mannes steigern soll.
Wer weiss besser, was er kaufen will: die Männer oder die Frauen?
Die Männer sind zielorientierter. Manche kommen zur Kasse, zeigen auf dem Handy ein Bild zeigen und sagen: «Das muss ich haben.» Die Männer wollen meist auch keine langen Erklärungen, behaupten, sie wüssten bereits alles, hätten sich über die Funktionen des Sextoys im Internet aufklären lassen.
Und wenn Beratung gefragt ist.
Wir haben viele Paare, die bei uns einkaufen. Kürzlich interessierte sich ein Mann für einen Umschnalldildo. Die Frau sah mich erschreckt an und sagte: «Der ist mir jetzt fast zu gross.» Ich habe mich dann eingemischt: «Sie wissen schon, dass man dieses Teil auch umgekehrt, also beim Mann, verwenden kann» Da schaute mich der Mann mit grossen Augen an und sagte: «Ganz sicher nicht.» Da sagte ich zu dem Paar: Man müsse nicht mit allem einverstanden sein. Die Frau sah mich erleichtert an, der Mann schien weniger begeistert.
Geben Sie Stammkunden Tipps, welche Produkte Sie auch noch ausprobieren sollten?
Ein Stammkunde, er ist ledig, will regelmässig über die neuesten Sexspielzeuge informiert werden. Im Dezember stellte ich ihm den Womanizer vor. Keine zwei Wochen später stand er wieder im Laden und sagte völlig begeistert: «Hey, mein letztes Date ist total abgefahren auf das Teil. Und weisst du was: Ich habe den Womanizer nicht mehr, sie hat ihn grad mitgenommen. Deshalb brauche ich nochmals einen. Den gebe ich dann aber nicht mehr her.»
Im gleichen Haus wie der Erotikmarkt ist ein Swingerclub untergebracht.
Der bringt uns seit Jahren gute Stammgäste – besonders beliebt bei diesen Menschen sind Dessous und Massageöle. Und dann gibt es noch jene Männer, die, bevor sie hochgehen, bei uns ein Unterhösli kaufen – wahrscheinlich, weil die Ehefrauen nicht wissen, dass sie einen Swingerclub besuchen.
Woran erkennen Sie, ob jemand mit seiner langjährigen Partnerin oder mit einer Affäre einkaufen kommt?
Mit der Affäre ist der Mann viel grosszügiger, das Portemonnaie sitzt lockerer.
Bekamen Sie je von Kunden ein anzügliches Angebot?
Nein. Ich wurde auch noch nie belästigt, aber ich wurde schon von einem Mann gefragt, ob er mich zum Essen einladen dürfe. Ich lehnte dankend ab.
Haben Sie eigentlich Mitarbeiterrabatt?
Ja.
Wofür nutzen Sie ihn?
Schauen Sie meinen Pullover und meine Hosen an, die habe ich bei uns in der Streetwear-Abteilung gekauft. Natürlich habe ich auch schon Sextoys gekauft. Ich muss ja schliesslich immer auf dem neuesten Stand sein.
Leute, die bei McDonald’s oder Coca-Cola arbeiten, können die Produkte oftmals nicht mehr geniessen. Ist das im Erotikmarkt auch so?
Unser Sortiment ist derart breit gefächert, und es gibt immer wieder neue Toys, deshalb ist mir in all den Jahren noch nie langweilig geworden.
Was denken Sie, kann man auch ohne viel Sex eine liebevolle Partnerschaft leben?
Natürlich kann das auch funktionieren.
Können Sextoys eine Ehe spannender machen – oder sogar retten?
Retten glaube ich nicht, aber sie können eine Ehe beleben.
Wie sind Sie eigentlich vor 24 Jahren zu Ihrem Job gekommen?
Unser jüngster Sohn war zehn Jahre alt, als ich realisierte, dass ich neben Familie und Haushalt noch etwas anderes tun will. Kurz darauf sah ich in der Zeitung, dass der Erotikmarkt eine Teilzeit-Verkäuferin suche. Am Abend sagte ich meinem Mann, dass ich dort anrufen und mich bewerben werde.
Was hielt Ihr Mann von Ihrer Idee?
Er fand sie gut.
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