Im Fussball dominierte in der jüngsten Vergangenheit lange der FC Basel, ehe die Young Boys die Vormachtstellung übernahmen. Auch im Hockey war der SC Bern lange die Nummer 1. Nun dominieren aber die Zürcher Klubs in den beiden grossen Team-Sportarten.
In den letzten neun Jahren gab es in Bern fast immer einen Grund etwas zu feiern. Im Eishockey gewann der SCB vier Mal die Meisterschaft (2013/2016/2017/2019), die Young Boys standen in den letzten vier Spielzeiten am Schluss stets zuoberst. Zudem triumphierte YB noch einmal im Cup (2020). Auch international sorgte Gäub-Schwarz für Furore.
Zusammen hatten die beiden Stadtklubs also neun nationale Titel eingeheimst – eine starke Bilanz. Doch nun hat die sportliche Grosswetterlage in der Schweizer Hauptstadt gedreht.
Tristesse beim SCB und bei den Young Boys
Der SC Bern hat sich in der Qualifikation blamiert und die Playoffs verpasst – gleichzeitig kündigte auch Marc Lüthi, 24 Jahre lang der starke Mann im Klub, seinen Rücktritt als CEO an. Nun muss Raeto Raffainer den schlafenden Bären wecken.
Auch die Young Boys stecken in einer Krise. Am Ostermontag droht dem Team des glücklosen Trainers Matteo Vanetta – dem Nachfolger des geschassten David Wagner gelang in fünf Super-League-Spielen noch kein Sieg – gar auf Rang 4 abzurutschen, wenn Lugano beim Tabellenschlusslicht Lausanne (um 16.30 Uhr live auf blue TV) erwartungsgemäss gewinnt. Das Minimal-Ziel Europa zu verpassen, wäre auch für Erfolgsmacher und Sportchef Christoph Spycher eine herbe Enttäuschung.
Mit Niederlagen umzugehen sind hingegen die beiden nächstgrössten Berner Vereine bestens vertraut. Im Eishockey sind für die SCL Tigers das Erreichen der Playoffs fast gleichzusetzen mit einem Gewinn der Meisterschaft des SCB. In dieser Saison landete man auf dem vorletzten Platz. Kein Wunder, schliesslich sind die wirtschaftlichen Bedingungen im Emmental alles andere als günstig. Etwas besser sieht es beim ECH Biel aus. Doch auch die ambitionierten Seeländer schieden im Halbfinale sieglos aus.
Richtig schlimm hat es den FC Thun erwischt, der 2020 nach zehn Jahren im Oberhaus gar in die Zweitklassigkeit abstieg. Aktuell ist der Klub aus dem Berner Oberland im Mittelfeld klassiert. Auch mit einem Sieg heute im Heimspiel gegen Aarau (19 Uhr live auf blue TV) bleibt die Rückkehr in die Super League höchstwahrscheinlich ein Traum, der unerfüllt bleibt. Im Schatten vom SCB und YB war und ist es halt schwierig, genügend Licht zu bekommen.
Winti peilt den Aufstieg an – auch die Fans sind erstklassig
So richtig wohl in dieser Gemengelage nebst den Grossen fühlt sich der FC Winterthur. Der Klub aus der sechstgrössten Stadt der Schweiz – und die zweitgrösste des Kantons Zürich – verkörpert quasi die Zweitklassigkeit. Mit sympathischem und bescheidenem Auftreten gab man sich unter der Ägide des umtriebigen Geschäftsführers Andreas Mösli mit der Rolle des kultigen Underdogs zufrieden, ein Aufstieg schien man nie wirklich mit aller Gewalt anzustreben. Zuletzt spielte der Verein in der Saison 1984/85 letztmals ganz oben mit.
Nun aber steuert der FCW unaufhaltsam auf die Super League zu. Am Samstag holte man im Spitzenspiel gegen Vaduz zwei Mal einen Rückstand auf und gewann am Schluss mit 4:2. Das Team von Coach Alex Frei festigte damit seine Leaderposition. 8200 begeisterte Zuschauer verfolgten das Spiel auf der Schützenwiese. Nur 350 Zuschauer fehlten, um offiziell «ausverkauft» melden zu können.
Mit dieser Kulisse wäre «Winti» eine Bereicherung für die Super League – und würde aktuell Klubs wie Servette, Sion, GC, Lausanne oder Lugano in der Zuschauergunst klar hinter sich lassen.
Auch wenn die Zuschauerzahlen bei GC seit langem zu wünschen übrig lassen – immerhin scheinen sich die Hoppers retten zu können. Im Abstiegskampf gelang am Samstagabend mit dem Sieg bei Servette ein Befreiungsschlag, Konkurrent Luzern muss heute gegen das formstarke St.Gallen erstmal nachziehen (live um 14.15 auf blue TV). Und mit den chinesischen Investoren im Rücken sind bei GC die lange prekären finanziellen Probleme vorerst Geschichte.
Noch etwas mehr Leute als auf der Schützenwiese fanden sich am Samstag im Letzigrund ein: 17'663 Zuschauer kamen, um die Wachablösung im Schweizer Fussball live mitanzusehen. Der FCZ machte mit dem 2:1-Erfolg über YB einen grossen Schritt in Richtung Meisterschaft.
Auf Verfolger Basel – der FCB war vor der YB-Ära mit sieben Meisterschaften (2010-2017) der hiesige Fussball-Dominator – weist man aktuell mit einem Spiel mehr 14 Punkte Vorsprung auf. Die Beppi müssen also in Sion am Montag (live um 16.30 Uhr auf blue TV) unbedingt gewinnen, wenn sie ihrem Erzrivalen nicht schon beim nächsten Spieltag die Chance geben wollen, sich frühzeitig den Titel zu sichern. In der letzten Dekade gab es für den FCZ nur drei Cup-Titel (2014/2016/2018) zu feiern.
Auch im Eishockey könnte es ein Zürcher Jahr werden
Zwar nicht ganz so sicher, aber ebenfalls aussichtsreich schaut die Lage im Eishockey aus. Die ZSC Lions fordern im Playoff-Finale den Meister EV Zug. Die 11'200 Tickets für die beiden Heimspiele im Hallenstadion waren schnell vergriffen. Immerhin drei Meisterschaften (2012/2014/2018) durften die ZSC-Fans in der jüngsten Vergangenheit bejubeln. Im nächsten Winter werden in der neuen Arena noch ein paar Hundert Zuschauer mehr möglich sein (Zuschauerkapazität: 12'000).
Gar ausverkauftes Haus konnte der langjährige Kantonsrivale Kloten melden. 7600 Zuschauer waren am Samstag im Schluefweg im Playoff-Final der Swiss League vor Ort. Das Heimteam ist nach einem 4:1-Sieg gegen Olten in der Best-of-7-Ausmarchung 2:1 voraus – nur noch zwei Siege fehlen dem Traditionsklub zur ersehnten Rückkehr in die National League. Am Ostermontag könnte man sich mit einem Sieg in Olten einen ersten Matchpuck holen.
Falls es tatsächlich dem FC Zürich und FC Winterthur sowie den ZSC Lions und dem EHC Kloten gelingen sollte, die angestrebten Titel abzuräumen, wäre es für viele Zürcher*innen eine grosse Genugtuung, sich als unbestrittene Sportstadt der Schweiz bezeichnen zu können. Der ansprechende Zuschaueraufmarsch in den jeweiligen Spielstätten nimmt man im bevölkerungsreichsten Kanton des Landes ebenfalls sicher gerne zur Kenntnis, zumal man sich deswegen ja auch öfters hämische (Stichwort: Fussballstadion) Kritik anhören durfte.