Lewis Hamilton ist nun auch offiziell ein Roter. Der Wechsel vom Team Mercedes zur Scuderia Ferrari schürt in Maranello und bei den Tifosi wieder einmal grosse Hoffnungen.
Hamilton hatte die ersten Worte bei seinem Amtsantritt beim neuen Arbeitgeber mit Bedacht gewählt. Seine Botschaft war passend für den neuen Abschnitt in seinem Berufsleben. «An alle, die in diesem Jahr den nächsten Schritt machen wollen: Nehmt die Veränderung an», liess er über die sozialen Netzwerke verlauten. Hamilton weiss, wovon er schreibt. Er macht diesen nächsten, einen durchaus gewagten Schritt. Der am Dienstag 40-jährig gewordene Rekord-Weltmeister stellt sich mit seinem Wechsel von Mercedes zu Ferrari einer enormen Herausforderung.
Hamilton hat klare Vorstellungen von seiner Mission. Er will die Scuderia wie einst Michael Schumacher, mit dem ihn die Bestmarke von sieben WM-Titeln verbindet, in der Formel 1 zurück auf den Thron führen. Er will es besser machen als andere grosse Namen vor ihm. Fernando Alonso hatte es als zweifacher Formel-1-Champion nicht geschafft, die Sehnsucht der Roten nach neuem Ruhm zu stillen. Ebenso wenig vermochte Sebastian Vettel nach seinen vier in Diensten des Teams Red Bull errungenen Titeln den hohen Erwartungen gerecht zu werden.
Die lange Sehnsucht
Die Sehnsucht nach dem nächsten Formel-1-Weltmeister in einem Ferrari zieht sich mittlerweile 17 Jahre hin. Kimi Räikkönen hatte als bisher Letzter für grenzenlose Ekstase gesorgt. Der Finne setzte sich in einem dramatischen Dreikampf gegen den damaligen Debütanten Hamilton und Alonso durch, die sich in den Autos der Equipe McLaren ein von Missgunst und gegenseitiger Verachtung geprägtes internes Duell geliefert und sich schliesslich gegenseitig ins Abseits manövriert hatten.
17 Jahre – eine lange Zeit, eine zu lange Phase ohne den ganz grossen Erfolg für die Institution Ferrari. Die ständigen Rückschläge waren umso schmerzvoller, als sie in Maranello aus technischer Warte, sprich beim Bau des Autos, sehr oft sehr vieles richtig gemacht hatten, sich durch eigenes Verschulden aber immer wieder selber im Weg gestanden hatten. Zu viel lief zu oft schief. Fehler zogen sich bei den Roten wie ein roter Faden durch manche Saison.
Mit der schon vor Beginn der letzten Weltmeisterschaft öffentlich gemachten Verpflichtung Hamiltons soll bei Ferrari wieder einmal alles besser werden. Der Engländer ist sich seiner Rolle des neuen Heilsbringers selbstredend bewusst. Er weiss um den Druck, der auf seinen Schultern lastet, um die Erwartungshaltung, die seine Unterschrift unter den für mehrere Jahre gültigen Vertrag ausgelöst hat.
Die besondere Symbiose
Ferrari und Hamilton. Das ist die Symbiose zwischen dem erfolgreichsten Fahrer und dem erfolgreichsten Rennstall der Formel-1-Geschichte. Natürlich weckt dieses Zusammengehen Begehrlichkeiten. Hamilton hat in seinem Palmarès neben den sieben WM-Titeln 105 Grand-Prix-Siege stehen. Ferrari ist das Team, von dem noch immer die grösste Faszination in der Elite-Klasse des Motorsports ausgeht. die Italiener haben als einziges Team seit 1950 alle Formel-1-Saisons bestritten und können auf die grösste Anzahl gewonnener Rennen und WM-Titel verweisen. Der Mythos der Marke hat fast alle Ikonen des Sports nach Maranello gelockt – von Alberto Ascari über Juan-Manuel Fangio und Hamiltons einstigen Förderer Niki Lauda bis hin zu Schumacher.
Trotz aller Euphorie rund um die Verpflichtung Hamiltons bleibt Platz für Unsicherheit. Die Frage, wozu er im Alter von 40 Jahren auf den Rennstrecken dieser Welt noch fähig ist, wird den Engländer begleiten. Die erste Möglichkeit, allfällige Zweifel aus der Welt zu schaffen, bieten die offiziellen Testfahrten Ende Februar auf dem Rundkurs von Sakhir in Bahrain. Der Saisonauftakt erfolgt Mitte März mit dem Grand Prix von Australien in Melbourne.
Der starke Teamkollege
Referenzpunkt für Hamilton wird natürlich sein neuer Teamkollege Charles Leclerc sein. Der nach sechs Jahren als Angestellter von Ferrari bestens integrierte Monegasse ist nicht gewillt, dem «Neuen» die grosse Bühne zu überlassen. Er ist bereit und auch fähig, Hamilton die Stirn zu bieten.
Der Engländer wird sich beweisen müssen. Hoffnung auf Sonderbehandlung darf er sich keine machen. Sein Status wird der gleiche sein wie der von Leclerc. Zählen wird einzig und allein die Leistung. Hamilton wird liefern müssen – und er wird alles daran setzen, den hohen Erwartungen gerecht zu werden. Die Aussicht, im Spätherbst seiner Karriere noch einmal ein dickes Ausrufezeichen zu setzen, ist für ihn verlockend genug, alles in seiner Macht Stehende zu tun.
Die Journaille und auch die Fachpresse in Italien glauben an Hamilton. «Er ist bereit, mit vierzig Jahren ein weiteres Kapitel, vielleicht das faszinierendste, seiner unglaublichen Karriere zu schreiben», urteilte der Kommentator der «Gazzetta dello Sport». Der Brite selber stärkte den Glauben ans Gelingen seines Unterfangens in einem weiteren Beitrag in den sozialen Medien zusätzlich. «Denkt daran, dass es gewaltig ist, sich neu zu erfinden», lässt er ausrichten. Die nächste Chance für Grosses sei immer in Reichweite. «Lasst es uns zu einem unvergesslichen Jahr machen.»