Die entscheidende Regatta vor Valencia zum 5:2-Sieg von Alinghi über das Team New Zealand geht in die Geschichte des America’s Cup ein. Im Juli 2007 siegen die Schweizer mit einer Sekunde Vorsprung.
Im Kampf um die älteste Sporttrophäe der Welt hat sich einiges an Geschichten, Anekdoten und Legenden angesammelt. Was sich am letzten Tag des 32. America’s Cup abspielte, wird nicht vergessen gehen. Es war eine Situation wie geschaffen für Beni Thurnheer, den Kommentatoren mit ungebremstem Redefluss – auch beim für den Laien oft etwas langweiligen und in Sachen Technik, Physis und Taktik kaum durchschaubaren Segelsport. Der «Schnurri der Nation» bekam eine der verrücktesten Szenen im America’s Cup vorgesetzt und erlitt auch als Segelnovize keinen Schiffbruch.
Ein Windloch, Probleme bei Alinghi beim Einholen des Spinnakers und ein extremer Linksdreher des Windes stellten das Geschehen ein paar 100 m vor der Ziellinie auf den Kopf. Wider Erwarten schien Team New Zealand die Wende geglückt, doch auf den letzten Metern schob sich Alinghi mit einer Sekunde Vorsprung vorbei. Der Jubel brach erst aus, als die Jury das Resultat bestätigte.
Windloch machte die Situation unberechenbar
Der Reihe nach. Der Favorit Alinghi, der 2003 in Auckland die Neuseeländer in deren Heimat deklassiert und die America’s-Cup-Trophäe erstmals in ein Binnenland entführt hatte, geriet vor Valencia stark unter Druck. Das Syndikat von Ernesto Bertarelli lag in der Best-of-9-Serie 1:2 im Hintertreffen. Mit drei Siegen in Serie verschaffte sich Alinghi danach drei Match-Regatten und zeigte auch am 3. Juli 2007 eine starke Leistung. Nach mehreren Führungswechseln schien die entscheidende Szene bereits gekommen zu sein. Mit einem aggressiven Manöver vor der letzten Boje zwang Alinghi das Team New Zealand zu einem Penalty (Vortrittsrecht missachtet). Nebst dem Rückstand auf der letzten Gerade mit Rückenwind zum Ziel hatten die Neuseeländer somit auch noch das Handicap eines Strafkringels um 270 Grad, den sie noch nicht ausgeführt hatten.
Die Kommentatoren wurden in der Schlussphase des Rennens wider Erwarten gefordert. Statt die paar Minuten bis zum Ziel mit vorbereiteten Bilanzen zu überbrücken, galt es plötzlich einen dramatischen Rennverlauf zu schildern. Ein Windloch machte die Situation auf See wieder unberechenbar. Auf beiden Booten mussten in aller Eile der Spinnaker eingeholt und das Genua-Segel gesetzt werden, weil der wieder aufkommende Wind nun vor der Seite kam. Bei Alinghi traten in dieser Phase noch Probleme mit dem Spinnaker-Baum auf, das grosse, bauchige Segel fiel sogar ins Wasser.
Team New Zealand zog vorbei, der Vorsprung betrug über 50 m. Aber noch musste ein paar Meter vor der Ziellinie der Strafkringel gedreht werden. Die TV-Zuschauer gingen nach diesem Manöver von einem Sieg für die Kiwis aus. Das Boot der Neuseeländer lag bereits wieder optimal im Wind, als Alinghi noch nicht ganz aufgeschlossen hatte. Aber auch ein Segelboot muss zuerst beschleunigen. Die Jacht von Ernesto Bertarelli hatte doch genügend Speed, um die Kiwis just vor der virtuellen Ziellinie abzufangen.
Bertarelli: «Man muss diesen Sport einfach lieben»
«Eine Sekunde wie eine Ewigkeit, weil die letzten Meter der Regatta spannend waren wie ein 100-m-Final bei den Olympischen Spielen», bilanzierte die Sportzeitung «L’Equipe». Und der Alinghi-Patron Bertarelli sagte: «Das war die härteste Regatta und mit Sicherheit der schönste Sieg meines Lebens. Man muss diesen Sport einfach lieben.»
Nach dem Hitchcock-Finish begannen aber für den Genfer Milliardär im Segelsport die Sorgen. Der amerikanische Golden Gate Yacht Club mit Geldgeber Larry Ellison, dem Gründer des US-Softwarekonzerns Oracle, zweifelte die Rechtmässigkeit des von Alinghi zum «Challenger of Record» bestimmten Club Nautico Español de Vela (CNEV) an. Er bekam vor Gericht letztlich Recht, erwirkte somit ein Duell und setzte sich im Februar 2010 gegen Alinghi auf hoher See durch. Alinghi tauchte seither nicht mehr in der Elitekategorie des America’s Cup auf, auch nach 2017 nicht, als die Neuseeländer die Vorherrschaft von Larry Ellison und Team Oracle beendeten.