«Komplette Diskriminierung» Wimbledon-Aus für russische Profis spaltet die Tenniswelt

Von Syl Battistuzzi

22.4.2022

Andrey Rublew findet klare Worte für den Entscheid der Wimbledon-Organisatoren. 
Andrey Rublew findet klare Worte für den Entscheid der Wimbledon-Organisatoren. 
Bild: Getty

Wimbledon wird dieses Jahr ohne SpielerInnen aus Russland und Belarus stattfinden. Andrey Rublew kritisiert als Direktbetroffener den Entscheid der Organisatoren. Auch andere Exponenten finden die Sanktion zu drastisch. Die Ukrainerin Elina Switolina hingegen will Antworten sehen.

Von Syl Battistuzzi

Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine verkündeten die Wimbledon-Organisatoren am Mittwoch, dass Profis aus Russland und Belarus nicht dabei sein dürfen. Wimbledon ist das erste Tennisturnier, das diesen Schritt geht.

Der Rasen-Klassiker hat seit dem Zweiten Weltkrieg, als SpielerInnen aus Deutschland und Japan nicht antreten durften, keine Sportler und Sportlerinnen aus anderen Ländern gesperrt.

«Die Gründe, die sie uns nannten, hatten keinen Sinn, sie waren nicht logisch», hielt der Russe Andrey Rublew beim ATP-Turnier in Belgrad fest. «Was jetzt passiert, ist eine komplette Diskriminierung gegen uns.» Der 24-Jährige hatte im Februar beim Turnier in Dubai «No war please» («Kein Krieg bitte») auf die Linse einer TV-Kamera geschrieben. 

Auf der anschliessenden Pressekonferenz meinte Rublew: «Man erkennt, wie wichtig es ist, Frieden in der Welt zu haben und einander zu respektieren, egal was passiert und vereint zu sein.» Für die Ukrainerin Elina Switolina war die Kamera-Aktion von Rublew aber nicht genügend. «Ich glaube, das ist ein sehr seichtes Statement. Was bedeutet kein Krieg?», hielt die 27-Jährige in einem Interview mit der «BBC» fest. «Soll das etwa bedeuten, unsere ukrainischen Soldaten sollten einfach aufgeben und unser Land abschreiben?»

Die Weltranglisten-25. hatte zuvor in einem gemeinsamen Statement mit anderen Spielerinnen und Spielern aus der Ukraine den russischen und belarussischen Berufskollegen drei Fragen zu ihren Positionen zum Krieg gestellt. Sie verlange aber keinen generellen Ausschluss, präzisierte Svitolina. «Wir wollen nur, dass sie sich äussern, ob sie mit uns und dem Rest der Welt oder der russischen Regierung sind. Wenn sie sich nicht für diese Regierung entscheiden, wäre es fair, dass sie spielen dürfen», so ihr Fazit.

17 aus den Top 100

Gemäss «Tages-Anzeiger» sind fünf Männer und zwölf Frauen aus den Top 100 der Weltrangliste von Wimbledons Sperre betroffen. Die vier Russen gehören alle zu den Top 30 (2 Medwedew, 8 Rublew, 26 Chatschanow, 30 Karatsew) und wären in Wimbledon gesetzt gewesen.

Die Bestklassierte der neun russischen Top-100-Spielerinnen ist Anastassija Pawljutschenkowa. Weissrussland stellt vier Top-100-Mitglieder, mit dem Trio Aryna Sabalenka (4), Victoria Asarenka (18) und Aliaksandra Sasnowitsch (50) sowie Ilja Iwaschka (ATP 44).

Tennis-Stars sowie ATP und WTA verstehen Entscheid nicht

Vor Rublew hatte bereits Novak Djokovic Stellung bezogen und die Sanktion als «verrückt» bezeichnet. Kritik daran gab es auch von den beiden Profi-Organisationen ATP und WTA. Die WTA erwägt laut der französischen Sportzeitung «L'Equipe» Sanktionen gegen Wimbledon. Noch nie sei einer Spielerin die Teilnahme an einem Turnier aufgrund der Handlungen ihrer jeweiligen Regierung verwehrt worden, so der Vorsitzende Steve Simon.



Der Ausschluss verstosse gegen die Grand-Slam-Regeln und die Regeln der WTA. Als Massnahme könnten zum Beispiel die in Wimbledon erspielten Weltranglistenpunkte nicht gewertet werden, drohte der Amerikaner. Billie Jean King, die vor knapp 50 Jahren entscheidend an der Gründung der WTA beteiligt war, äusserte sich ebenfalls ablehnend zum Wimbledon-Beschluss. «Ich kann den Ausschluss einzelner Athletinnen von Turnieren nur wegen ihrer Nationalität nicht unterstützen», schrieb die 78-Jährige bei Twitter

Auch Martina Navratilova betonte: «Das ist nicht der richtige Weg. Tennis ist ein solch demokratischer Sport. Es ist hart zu sehen, wie die Politik dies zerstört.» Der Krieg sei schrecklich. Der Ausschluss gehe aber über das hinaus, was erforderlich sei.

Belarus will Rekurs einlegen, Russland bleibt gelassen

Nichtsdestotrotz kann das Turnier die Sanktions-Entscheidung eigenständig durchziehen, weil Wimbledon (wie alle Grand Slams) von der WTA- und ATP-Tour unabhängig ist.

Der belarussische Tennisverband teilte mit, dass er sich wegen der Entscheidung des All England Lawn Tennis Club (AELTC) und der Lawn Tennis Association (LTA) rechtlich beraten lässt. «Solche destruktiven Aktionen tragen in keiner Weise zur Lösung von Konflikten bei, sondern schüren nur Hass und Intoleranz auf nationaler Ebene», so der Verband. 

Ein Sprecher von Wladimir Putin sagte: «Da Russland ein sehr starkes Tennisland ist und unsere Tennisspieler in der Tat an der Spitze der Weltrangliste stehen, werden die Wettbewerbe selbst unter ihrer Aussetzung leiden.»