Vor zwei Jahren hatte eine Messerattacke beinahe die Karriere von Petra Kvitova beendet. Jetzt steht die Tschechin im Australian-Open-Final und kann die Weltranglistenspitze übernehmen.
«Es wäre sehr schlimm, wenn ich ans Aufhören gedacht hätte. Ich bin ein Mensch, der niemals aufgibt», sagt Petra Kvitova am Freitag nach ihrem Finaleinzug in Melbourne. Dass die 28-Jährige nicht nur wieder mit den Besten mithalten kann, sondern nun auch die Chance auf ihren dritten Grand-Slam-Titel hat, grenzt an ein kleines Wunder. Denn es ist noch nicht lange her, als ein Überfall fast ihre grosse Karriere zerstört hatte.
Es war der 20. Dezember 2016. Eigentlich hätte Kvitova sich in Australien auf die Aussie Open vorbereiten sollen, doch ein Ermüdungsbruch am Fuss zwang die zweifache Wimbledon-Siegerin (2011, 2014) zu einer Pause. Also war sie zuhause in ihrer Wohnung in Prostejov, als es an der Tür klingelte und sie einen Mann, der sich als Handwerker ausgab, in ihre Wohnung liess. Der Mann sagte, er müsse den Verbrauchszähler überprüfen, also brachte Kvitova ihn ins Badezimmer. Plötzlich zückte der vermeintliche Handwerker ein Messer und drückte es der Tennisspielerin an die Kehle. Kvitova wehrte sich, schlug um sich und stiess den Angreifer weg. Der Mann floh, die Linkshänderin bemerkte, dass ihre starke Hand voller Blut ist.
Sie hatte Schnittverletzungen an allen Fingern, die Bänder und Sehnen waren kaputt und zwei Nerven verletzt. In einer vierstündigen Notoperation versuchten die Ärzte, Kvitovas linke Hand zu retten. Mit Erfolg: Sie musste ihre Karriere nicht beenden. Doch der Weg zurück war steinig. Kvitova musste wieder lernen, Gegenstände zu greifen und Muskeln aufzubauen. Drei Monate nach der Attacke hielt sie erstmals wieder ein Tennisracket in der Hand. Die Kraft reichte aber nur, um mit Schaumstoffbällen zu trainieren.
Doch die Tschechin bewies grosses Kämpferherz und kehrte schliesslich im Mai 2017 an den French Open auf die Tour zurück. Schritt für Schritt spielte sich Kvitova zurück in die Weltspitze, erreichte 2017 die Viertelfinals an den US Open und holte 2018 wieder ihre ersten Turniersiege nach der Attacke. Zudem gewann sie Ende Jahr mit Tschechien zum sechsten mal den Fed Cup. Die grösste Erfolgsmeldung im Jahr 2018 war für die 28-Jährige aber wohl, dass im Sommer bei der Polizei neue Hinweise zur Messerattacke eingingen und der mutmassliche Täter gefasst werden konnte.
Als Weltnummer 6 kam Kvitova schliesslich nach Melbourne – und spielte sich da in einen Rausch. Ohne einen Satz zu verlieren erreichte sie zum ersten Mal seit dem Überfall wieder einen Grand-Slam-Halbfinal. «Ich hätte nie gedacht, dass ich es eines Tages wieder hier hin schaffe», sagte sie nach dem Sieg gegen Ashleigh Barty beim Platzinterview unter Tränen.
Im Halbfinal schlug Kvitova auch Danielle Collins in zwei Sätzen und steht nun ohne Satzverlust im Final, wo sie am Samstag US-Open-Siegerin Naomi Osaka fordert. Gewinnt Kvitova, ist sie nicht nur Australian-Open-Siegerin, sondern erstmals in ihrer Karriere auch die Weltnummer 1. Zu gönnen wäre es der grossen Kämpferin allemal.