Wettskandal aufgedeckt Marco Trungelliti deckte einen Wettskandal auf – und hat es seither schwer

jar

17.4.2019

Trungelliti spricht über die Wettmafia im Tennis

Trungelliti spricht über die Wettmafia im Tennis

Marco Trungelliti meldete Wettbetrüger, die ihn ansprachen, bei der Tennis Integrity Unit (TIU) und sorgte damit für die Sperren mehrerer Spieler. Unterstützt wurde er seither in der Szene von niemandem.

17.04.2019

Marco Trungelliti meldete Wettbetrüger, die ihn ansprachen, bei der Tennis Integrity Unit (TIU) und sorgte damit für die Sperren mehrerer Spieler. Unterstützt wurde er seither in der Szene von niemandem. Er wird als «Maulwurf» gesehen und musste sogar seine Heimat verlassen. Jetzt spricht Trungelliti ausführlich über sein schwieriges Leben.

Vor einem Jahr wurde Marco Trungelliti quasi über Nacht weltberühmt. Das hatte aber nicht mit einem Wettskandal zu tun, sondern mit einer verrückten Story an den French Open. Der Argentinier war damals nämlich in der Qualifikation gescheitert und verbrachte mit seiner Familie ein paar Tage Ferien in Barcelona, als er auf einmal einen Anruf erhielt und ihm mitgeteilt wurde, dass er doch noch ins Hauptfeld von Paris gerutscht ist. Weil Nick Kyrgios verletzungsbedingt Forfait erklären musste und dessen eigentlicher Ersatzmann schon bei einem anderen Turnier gemeldet war.

Die Flüge waren schon ausbegucht und Frankreich erlebte gerade einen Zugstreik, weshalb Trungelliti samt Grossmutter mit dem Auto zehn Stunden nach Paris fahren musste, um es rechtzeitig für die Startunde gegen Bernard Tomic zu schaffen. Trotz des langen Roadtrips und wenig Schlaf konnte Trungelliti die Partie gewinnen und erspielte sich so an den French Open ein Preisgeld von 59'000 Euro. Viel Geld für einen Spieler, der sich in der Weltrangliste nur knapp in den Top 200 befand.



Der heute 29-Jährige hätte in seiner Karriere aber locker noch viel mehr Geld verdienen können, wenn er denn gewollt hätte. Nicht durch Turniergewinne, sondern durch Niederlagen. Trungelliti hatte im Februar dieses Jahres der argentinischen Zeitung «La Nacion» berichtet, dass er 2015 von einem dubiosen Mann kontaktiert wurde, der ihm sein Geschäftsmodell vorstellen wollte. Der Mann war ein Wettbetrüger, der Spieler suchte, die bereit waren, Matches zu manipulieren. Bei einem Spiel auf ATP-Stufe sollen Manipulationen mit bis zu 100'000 Euro «belohnt» worden sein.

In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur «AP» spricht Trungelliti nun ausführlich über den Fall und sein schwieriges Leben nach Aufdeckung des Wettskandals: «Ich war damals die Nummer 250 der Welt und spielte vor allem Challenger-Turniere. Sie haben mir gesagt, dass ich 1000 Euro kriege, wenn ich einen Satz verliere. Und 2000, wenn ich das Spiel verliere. Für Partien auf höchster Stufe (ATP) gebe es noch viel mehr, erzählten sie. Wenn du mental nicht auf der Hut bist, wirst du mit Sicherheit einlenken. Eine Stunde arbeiten für 100'000 Euro – einfacheres und schnelleres Geld gibt es nicht.»

Die Wettbetrüger hätten ihm auch einige Namen von Spielern genannt, die involviert waren. Darunter auch die mittlerweile gesperrten Profis Nicolas Kicker, Federico Coria und Patricio Heras. «Für mich war es schwierig, weil ich einige Spieler, die Spiele manipulierten, kannte. Ich habe mir dann Spiele von ihnen angeschaut und es machte mich richtig wütend», so Trungelliti weiter. Auch viele Trainer seien involviert.

Missgunst aus der Szene

Die aktuelle Weltnummer 139 ging nicht auf die Angebote ein, sondern meldete den Fall der Tennis Integrity Unit (TIU), einer Organisation, die für die Untersuchung von Spielabsprachen beim Tennis zuständig ist. Die TIU hätte sich zwar für die Kontaktdaten bedankt, Unterstützung blieb danach aber aus. «Sie wollten nicht mit mir sprechen und auch nicht, dass ich damit an die Öffentlichkeit gehe. Sie haben mich einfach links liegen gelassen und wollten nichts mehr mit mir zu tun haben. Es war eine Katastrophe. Meiner Meinung nach war dies eines der schlimmsten Verfahren, das ich je gesehen habe.»

Doch nicht nur von der TIU fehlt seit seinen Aussagen die Unterstützung, sondern auch von den Spielerkollegen und Turnierorganisatoren. «Früher ging ich an ein Turnier und jeder Spieler hat 'Hallo' gesagt. Heute grüsst mich keiner mehr. Ich werde ignoriert und als Maulwurf dargestellt», sagt Trungelliti, der vor Gericht gegen Kicker, Coria und Heras ausgesagt hat und entscheidend für deren Verurteilungen war: Coria und Kicker wurden für zwei Monate bzw. drei Jahre gesperrt, Heras musste sogar ins Gefängnis.

Bei seinen Heimturnieren in Cordoba und Buenos Aires erhielt Trungelliti im Februar keine Wildcard, obwohl er noch nie zuvor in der Weltrangliste besser klassiert war als in diesem Jahr. Die Missgunst aus der Szene scheint dem 29-Jährigen zu schaffen machen. Sowohl in Cordoba als auch in Buenos Aires scheiterte Trungelliti schon in Runde eins der Qualifikation. «Es macht keinen Sinn, so weiterzuspielen, wenn der Kopf woanders ist», sagte er nach seiner Niederlage in Buenos Aires.

Die ganze Geschichte habe ihm so sehr zugesetzt, dass er sogar seine Heimat verlassen musste. «Argentinien ist kein sicherer Ort, vor allem nicht in diesem Fall. Sie wissen, wo ich lebe, wo ich mich aufhalte», hatte er die TIU damals erfolglos um Hilfe gebeten. Heute lebt Trungelliti in Andorra. 

Er fühle sich leichter, nachdem er die Wahrheit an die Öffentlichkeit bringen konnte, sagt er. Auch wenn er nun von vielen verachtet wird und ihm seine Aussagen eigentlich nur Nachteile brachten. Auch sportlich geht es aktuell nicht bergauf, in Monte Carlo ist Trungelliti erneut bereits in der Qualifikation gescheitert. Seinen mutigsten Kampf hat er aber schon lange gewonnen – zum Wohl des Tennis.

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