«Bitte Nick, häng dich immer so rein» Keine Krone, aber viel Respekt für Kyrgios

sda

10.7.2022 - 20:08

Verstehen sich mittlerweile bestens: Novak Djokovic (li.) und der unterlegene Finalgegner Nick Kyrgios
Verstehen sich mittlerweile bestens: Novak Djokovic (li.) und der unterlegene Finalgegner Nick Kyrgios
Keystone

Auch Nick Kyrgios schafft es nicht, Novak Djokovic in Wimbledon vom Thron zu stossen. Der eigenwillige Australier gewinnt aber viel Respekt und Sympathien.

So unterhaltsam war die Siegerzeremonie eines Grand-Slam-Finals selten. Und der Grund heisst natürlich in erster Linie Nick Kyrgios. Noch einmal provoziert er mit einer roten Kappe, eigentlich ein Sakrileg angesichts der in Wimbledon vorgeschriebenen weissen Kleidung. Doch der 27-jährige Australier, der kaum jemanden kalt lässt, findet die richtigen Worte.

«Ich habe eigentlich ziemlich gut gespielt», meinte er nach der Viersatz-Niederlage im Final gegen Novak Djokovic. «Aber gegenüber stand so etwas wie ein Gott.» Die Beziehung zu Djokovic war in der Vergangenheit nicht die beste, um es vorsichtig auszudrücken. Er hatte den Serben heftig kritisiert, als dieser mitten im Pandemie-Sommer 2020 Turniere ohne Einschränkungen organisiert und in einer Disco gefeiert hatte, während er selber Mahlzeiten an Benachteiligte ausfuhr. Doch Kyrgios war einer der wenigen, der im Januar Djokovic öffentlich den Rücken stärkte, als dieser in Australien wegen seiner Weigerung, sich impfen zu lassen, ausgewiesen wurde.

«Bromance» mit Djokovic

Das kam bei Djokovic gut an, vor dem Final verabredeten sich die beiden via Instagram sogar publikumswirksam zum gemeinsamen Nachtessen. «Also, ich sagte eigentlich zum Trinken an der Bar oder im Nachtclub», betonte Kyrgios lachend. «Das ist jetzt offiziell eine ‹Bromance›», nahm Djokovic den Ball auf. «Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals so viele gute Dinge über dich sagen würde.»

Vieles ist Show, doch die Szene zeigt auch, wie sehr sich Nick Kyrgios' Wahrnehmung in den letzten zwei Wochen verändert hat. Sein immenses Talent war seit Jahren – spätestens, seit er 2014 als Teenager mit einem Sieg über Rafael Nadal in den Wimbledon-Viertelfinal eingezogen war – unbestritten. Aber eben auch, dass er sich mit seinen Ausrastern und fehlender Motivation immer wieder selber im Weg stand.

Kyrgios zeigte sich selber überrascht, dass er es nun auf die Reihe gekriegt und erstmals einen Grand-Slam-Final erreicht hat. Er hatte zuvor offen darüber gesprochen, dass es ihm in den letzten Jahren psychisch zum Teil ganz schlecht gegangen war. Nach seiner zum Teil bösartigen Konfrontation in der 3. Runde mit Stefanos Tsitsipas hatte Kyrgios aber fast trotzig betont: «Ich habe in der Garderobe viele Freunde.»

Die Bitte von John McEnroe

Nach dem Final versuchte er sogar, mit den Offiziellen, die er sonst gerne harsch kritisiert, noch Frieden zu schliessen. «Ich danke allen Schiedsrichtern, auch wenn wir keine einfache Beziehung haben», sagte er. «Danke, dass ihr es mit mir aushaltet.»

Freunde hat er ganz sicher unter den Tennisfans. Stellvertretend sagte John McEnroe nach dem unterhaltsamen Final: «Bitte Nick, häng dich immer so rein und komm wieder. Du hast ein unglaubliches Talent.» Seit diesem Wimbledon glauben deutlich mehr Leute, dass er dieses doch noch ausschöpfen kann.

sda