Roger Federer hat nirgends öfter gewonnen als in Halle. Der 10. Titel in Westfalen ist ein gutes Omen für Wimbledon, wie der Blick in die Vergangenheit zeigt.
Seinen Triumphen in Halle liess Federer im Lauf seiner Karriere bisher fünf Mal einen Sieg auf dem «Heiligen Rasen» von Wimbledon folgen. Ab kommendem Montag bietet sich dem Baselbieter die Möglichkeit, zum neunten Mal im Südwesten Londons zu gewinnen. Damit würde er die Marke seines Heimturniers in Basel egalisieren, wo er zwischen 2006 und 2018 ebenfalls neun Mal den Pokal in die Höhe stemmen konnte.
Federer – Kiefer 6:1, 6:3
Die Premiere
Das Endspiel 2003 ist eine klare Angelegenheit – und der Auftakt zu einer unfassbaren Serie. Nicolas Kiefer wird von Federer in zwei Sätzen vorgeführt. Der damals 21-jährige Schweizer ist bereits in den Top-Ten der Weltrangliste, aber noch ohne Major-Sieg. Das sollte sich kurz darauf ändern, als Federer im Juli 2003 erstmals an der Church Road triumphiert.
Wimbledon: Finalsieg gegen Philippoussis
Federer – Fish 6:0, 6:3
Die Demonstration
In den folgenden Jahren dominiert der Baselbieter das Geschehen auf der Tour fast nach Belieben – die French Open ausgeklammert. Auf die Machtdemonstration in Halle folgt auch in Wimbeldon das Double. Seit Februar 2004 ist Federer die Nummer eins der Welt – das spiegelt sich auch in den beiden Rasenturnieren im Sommer des Jahres.
Wimbledon: Finalsieg gegen Roddick
Federer – Safin 6:4, 6:7, 6:4
Der Hattrick
In den Dominanz-Jahren zwischen 2004 bis 2007 holt Federer nicht weniger als elf Grand-Slam-Titel. 2005 macht er den Hattrick in Halle perfekt, muss gegen Marat Safin aber über drei Sätze. Federer reist mit viel Selbstvertrauen nach London und gibt auf dem Weg zu seinem dritten Titel in Wimbledon gerade einmal einen Satz ab – in der dritten Runde gegen Nicolas Kiefer.
Wimbledon: Finalsieg gegen Roddick
Federer – Berdych 6:0, 6:7, 6:2
Die Willensleistung
Den vierten Titel in Halle muss sich Federer hart erarbeiten. Im Achtelfinal, Viertelfinal, Halbfinal und Final muss er jeweils über drei Sätze. Gegen Tomas Berdych folgt auf einen souveränen Startsatz ein leichter Einbruch, doch der Schweizer fängt sich im Entscheidungssatz. In Wimbledon läuft dann alles nach Plan. Federer fegt Berdych im Achtelfinal in drei Sätzen vom Court, gibt im Turnierverlauf nur einen Satz ab – im Endspiel gegen Rafael Nadal.
Wimbledon: Finalsieg gegen Nadal
Federer – Kohlschreiber 6:3, 6:4
Die Rückkehr
2007 fehlt Federer in Halle, er will sich nach der unmittelbar vorausgegangenen Finalniederlage an den French Open gegen Rafael Nadal keinem Verletzungsrisiko aussetzen. Es ist die richtige Entscheidung: Federer gewinnt in Wimbledon zum fünften Mal in Folge: Das hatte vor ihm erst Björn Borg geschafft. 2008 kehrt der Baselbieter nach Westfalen zurück, gibt auf seinem Weg zum fünften Titel keinen Satz ab. Der Rückschlag folgt kurz darauf in Federers Wohnzimmer, dem Centre Court von Wimbledon: Er unterliegt Rafael Nadal in einem epischen Fünfsatz-Marathon, der nach Regenunterbrüchen erst bei Einbruch der Dunkelheit beendet werden kann.
Wimbledon: Finalniederlage gegen Nadal
Federer – Juschni 6:7, 6:3, 6:4
Das halbe Dutzend
Nach dem Sieg 2008 folgt eine fünfjährige Durststrecke. Viele rechnen mit dem baldigen Rücktritt des Maestros, legen ihm diesen gar ans Herz. In Wimbledon gewinnt Federer zwar noch 2009 und 2012, aber die Tour dominieren andere. Insbesondere Rafael Nadal und zusehends auch Novak Djokovic. Auf den sechsten Titel in Halle folgt für Federer die grösste Niederlage bis heute auf Rasen: Das Zweitrunden-Aus gegen Sergej Sachowski schockiert die Tennis-Welt.
Wimbledon: Zweitrunden-Aus gegen Stachowski
Federer – Falla 7:6, 7:6
Der Nervensieg
Federer ist inzwischen fast 33 Jahre alt und bereits einer der ältesten Spieler auf der Tour. Seit 2012 hat er kein Grand-Slam-Turnier mehr gewinnen können, der Motor stockt nach 17 Major-Siegen. Das soll sich auch 2014 nicht ändern. Dennoch holt Federer in diesem Jahr fünf Titel, einen davon in Halle. Derweil geht der Stern eines anderen Schweizers so richtig auf: Stan Wawrinka holt in Melbourne seinen ersten von insgesamt drei Grand-Slam-Titel. Im Herbst des Jahres sollten die beiden dann mit dem Sieg im Davis Cup ein Stück Schweizer Sportgeschichte schreiben. In Wimbledon stösst Federer bis ins Endspiel vor, scheitert dort aber dramatisch in fünf Sätzen an Novak Djokovic.
Wimbledon: Finalniederlage gegen Djokovic
Federer – Seppi 7:6, 6:4
Die Ansage
Allen Rücktrittsforderungen zum Trotz bleibt Federer seiner Linie treu. Er holt 2015 die Titel 84 bis 88 – für einen Grand-Slam-Sieg wird es aber erneut nicht reichen. In Halle zittert Federer lediglich in der ersten Runde bei einem engen Sieg gegen Philip Kohlschreiber. Danach bleibt der Schweizer makellos. Auch in Wimbledon läuft bis zum Endspiel alles nach Plan, bis Federer erneut in Novak Djokovic seinen Meister findet.
Wimbledon: Finalniederlage gegen Djokovic
Federer – Zverev 6:1, 6:3
Die Gala
Es ist das Jahr, das Federer unsterblich macht. 2016 hatte der immer noch auf 17 Major-Siegen sitzende Ausnahmeathlet die Saison frühzeitg abgebrochen, er verpasste die Olympischen Spiele und den Rest der Saison und kehrte Ende des Jahres in Perth in den Tennis-Zirkus zurück. Was folgt, wird heute als eines der grössten Comebacks in der Sportgeschichte bezeichnet. Federer gewinnt in Melbourne und holt das Sunshine-Double in Indian Wells und Miami. Die Sand-Saison lässt er sausen, kehrt dann in Halle aber zum Siegen zurück. Federer holt seinen 9. Titel in Westfalen und lässt in Wimbledon den 19. Major-Sieg folgen. Er bleibt in der Kathedrale des Welt-Tennis in diesem Jahr ohne Satzverlust.
Wimbledon: Finalsieg gegen Cilic
Federer – Goffin 7:6, 6:1
Der 102. Titel
Das «Halle-Stängeli» ist Tatsache. Zum 10. Mal gewinnt Federer das Rasenturnier – es ist sein 102. Titel auf der ATP-Tour. Noch fehlen ihm sieben Siege bis zur Marke von Jimmy Connors (109). Hielt man diesen Rekord bis vor kurzem noch als uneinholbar, so scheint heute nicht mehr ausgeschlossen, dass Federer auch diesen Meilenstein knacken könnte. In Wimbledon ist der bald 38-Jährige Schweizer Favorit. Die Fragen dürften eher sein: Wie lange bleibt Federer der Tour noch erhalten? Und spielt er auch noch ein paar kleinere Turniere, um Connors einzuholen?
Wimbledon: ?