Nur eine Woche nach den Lauberhorn-Rennen folgt für die Abfahrer auf der Streif der nächste Klassiker. blue Sport blickt auf die Schweizer Sternstunden in Kitzbühel zurück.
Ab Freitag stürzen sich die alpinen Skifahrer in Kitzbühel wieder mit halsbrecherischen Tempi die Streif herunter. Im Vorjahr schaute für die Schweiz gar ein Doppel-Sieg heraus – Beat Feuz triumphierte vor Marco Odermatt. Bereits in der Vergangenheit sorgten Schweizer Abfahrer immer wieder für Gänsehaut-Momente am Hahnenkamm.
Ein Schweizer Tag
Daniel Mahrer
Vor rund 25'000 Zuschauern holt sich der Churer seinen bis dahin wertvollstens Sieg im Weltcup und krönt dabei eine starke Schweizer Teamleistung mit drei Fahrern in den ersten Fünf. Pirmin Zurbriggen (4.) und Peter Müller (5.) verpassen dabei den Sprung aufs Podest nur knapp. Die Basis zu seinem Coup legt Mahrer im technisch anspruchsvollen Startteil, wo er in der Mausefalle und im Steilhang viel Zeit auf die Konkurrenz herausholt. Schlussendlich ist er mickrige sieben Hundertstel schneller als der Zweitplatzierte und Vortagessieger Marc Girardelli.
Ein Bubentraum geht in Erfüllung
Franz Heinzer
Mit dem exakt gleichen Vorsprung wie Mahrer sichert Franz Heinzer der Schweiz zwei Jahre später den insgesamt achten Abfahrtssieg am Hahnenkamm. In einem turbulenten Rennen mit viel Nebel und zahlreichen Unterbrüchen sichert sich der Schweizer mit der Startnummer 2 den lang ersehnten Sieg auf der Streif, nachdem ihm 1985 nur Pirmin Zurbriggen vor der Sonne stand. «Damit ist ein Bubentraum in Erfüllung gegangen. Ein Hahnenkamm-Sieg ist für jeden Skifahrer etwas Besonderes», sagt Heinzer.
Ein Schweizer Dreifachsieg und das Double
Franz Heinzer
Ein Jahr später doppelt der Rickenbacher gleich nach und feiert dabei mit den Schweizer Abfahrern einen noch nie dagewesenen Triumph auf der wohl schwierigsten Strecke der Welt. Hinter Heinzer belegen Daniel Mahrer und Xavier Gigandet die Plätze zwei und drei und sorgen für einen Schweizer Dreifachsieg. Hinter dem Norweger Arnesen rundet William Besse das sensationelle Teamergebnis als Fünfter ab. Heinzer: «Ich gab alles, was ich hatte. Ich versuchte am Start, mit einem hundertprozentigen Angriff zu explodieren und dabei den Körper und das Material zu beherrschen.» Ausserdem sei er durch die starken Leistungen der Teamkameraden zusätzlich motiviert worden.
Im Gegensatz zu diesen legte Heinzer bloss 24 Stunden später erneut nach und krönte sich gar zum dritten Mal in Serie zum grossen Sieger einer Abfahrt auf der Streif, was seit dem Österreicher Franz Klammer (1975-77) keinem Fahrer mehr gelang. Mit einer nahezu perfekten Fahrt unterbot er den eigens aufstellten Steckenrekord vom Vortag um ganze 64 Hundertstel. Mit Gigandet als Vierter, Mahrer als Sechster und Besse als Elfter konnten die restlichen Schweizer nicht ganz an die Auftritte der ersten Abfahrt anknüpfen. Trotzdem: Die Streif war zu dieser Zeit fest in Schweizer Hand.
Der «unechte» Triumph
Didier Cuche
Der damals 23-jährige Didier Cuche galt als die Neuentdeckung der Saison und sorgte in Kitzbühel für eine grosse Überraschung. Der Neuenburger gewann die in zwei Läufen ausgetragene Sprintabfahrt vor einem französischen Trio , obwohl er die Streif in diesem Jahr erst zum zweiten Mal befuhr. Als jüngster Abfahrtssieger des Winters wurde er darauf von Journalisten mit dem österreichischen Überflieger Hermann Maier verglichen. «Ich bin aus zwei Gründen kein Maier. Erstens kam Hermann erst sehr spät in die Kader, während ich alle Stufen durchlaufen habe. Zweitens fährt er viel besser Ski als ich», sagte Cuche dazu.
Der Durchbruch
Didier Cuche
Spätestens zehn Jahre später bewies Cuche, dass er an gewissen Tagen gar besser Ski fährt als der «Herminator». Der gelehrte Metzger triumphiert 2008 erstmals auch in der «echten» Hahnenkamm-Abfahrt und nimmt Maier (5. Rang) sechs Zehntelsekunden ab. Vor rund 42'000 Zuschauern verwies er die zeitgleichen Bode Miller und Mario Scheiber um 27 Hundertstel auf den zweiten Platz. Dank dem neuerlichen Triumph wurde anschliessend auch eine Gondel der Hahnenkamm-Bahn nach ihm benannt. Denn: Vor zehn Jahren war ihm diese Ehre als Sieger der Sprintabfahrt noch nicht zuteil geworden. «Damals kannte man noch nicht einmal meinen Namen», erinnert sich Cuche, der sich deshalb ein Mikrophon geschnappt und dem Publikum erklärt hatte: «Ich heisse nicht Küche, sondern 'Güsch'.»
Ein Sieg für Albrecht
Didier Défago
Drei Tage nach dem dramatischen Sturz von Daniel Albrecht herrschte im Schweizer Team dank Dider Défago so etwas wie gedämpfte Siegesfreude. Der Walliser gewann eine Woche nach der Lauberhorn- auch die Hahnenkamm-Abfahrt und schaffte damit das begehrte «Double», was vor ihm bloss zwölf Abfahrern gelang. Dadurch stieg der damals 31-Jährige vom unscheinbaren Platzfahrer, der in 87 Abfahrten nie auf dem Podest gestanden war, auf den Ski-Olymp und trat endgültig aus dem Schatten seines Namensvetters Didier Cuche. Den entscheidenden Vorsprung holte Défago am Hausberg heraus, wo er eine unglaubliche Kampflinie gewählt hatte. «Es war mehr Zufall als Absicht, dass ich diese Linie gefahren bin», gestand Défago hinterher.
Doch selbst in der Euphorie dachte er an seinen schwer verunglückten Kollegen Daniel Albrecht, der immer noch im künstlichen Koma in der Uni-Klinik Innsbruck liegt: «Ich hoffe, dass mein Sieg Dani Kraft geben wird, wenn er aus dem Tiefschlaf erwacht.»
Hattrick und Aufstieg zum Rekordsieger
Didier Cuche
2010 wurde Kitzbühel innert 24 Stunden zum «Cuche-bühel»: Nach dem Triumph im Super-G vom Freitag sichert sich Cuche vor unglaublichen 44'000 Zuschauern bereits seinen dritten Abfahrtssieg auf der Streif. Allerdings zum ersten Mal ohne jeglichen Makel: 1998 hatte er «nur» eine Sprint-Abfahrt gewonnen, 2008 war der Start oberhalb der Mausefalle erfolgt. Nun aber bezwang er die Streif auf der ganzen Länge von 3312 Metern.
Ein Jahr später legte der Romands noch einen drauf und distanzierte die gesamte Konkurrenz um beinahe eine Sekunde. Mit seinem vierten Abfahrtssieg egalisierte Cuche die Rekordmarke der Ski-Legende Franz Klammer. Dieser lobte den Schweizer anschliessend in den höchsten Tönen: «Es war unglaublich zum Zuschauen. Er hat es verdient.» Cuches erneuter Triumph sorgte gleichzeitig dafür, dass das Schweizer Abfahrtsteam beim Klassiker mittlerweile seit vier Jahren ungeschlagen blieb. Und die Serie sollte noch nicht zu Ende sein.
Denn Didier Cuche raste auch 2012 allen davon, sicherte sich zum fünften Mal den Sieg in der Hahnenkamm-Abfahrt und krönte sich damit zum alleinigen Rekordhalter. Im aufgrund des starken Schneefalls erneut als Sprint-Abfahrt ausgetragenen Rennen verhinderte Cuche, der zwei Tage zuvor seinen Rücktritt auf Ende Saison bekannt gab, einen dreifachen Heimsieg für Österreich. «Dass ich am Start wusste, dass ich hier zum letzten Mal starten werde, macht es noch spezieller.»
Das Warten hat ein Ende
Beat Feuz
Lange musste Beat Feuz auf seinen ersten Kitzbühel-Sieg warten. Nach vier 2. Plätzen war es am 22. Januar 2021 endlich so weit. Als Ersatzrennen für die Lauberhorn-Abfahrt kam die Streif zum Handkuss und wurde zum Schauplatz der 500. Abfahrt der Weltcup-Geschichte – und brachte Feuz als Sieger heraus. Zwei Tage später gewann er auch die zweite Abfahrt auf der Streif.
Im Jahr darauf konnte Feuz seinen Kitzbühel-Coup wiederholen. Die Schweiz feierte sogar einen Doppelsieg: Der Berner Oberländer gewann vor Marco Odermatt. Nach seinen drei Siegen hofft Feuz auch in diesem Jahr auf den Triumph, wiederum stehen zwei Abfahrten auf dem Programm. Für Feuz werden es die letzten Rennen in seiner Karriere sein. Im Dezember kündigte der 35-Jährige an, seine Laufbahn nach Kitzbühel zu beenden.