Sebastian Vettel tobt. Der zornige Ferrari-Star fühlt sich um den Grand-Prix-Sieg von Kanada betrogen. Vettel wird für eine schonungslose Aktion gegen Profiteur Lewis Hamilton bestraft. Ferrari will das nicht hinnehmen.
In rasender Wut sorgte Sebastian Vettel in seiner eigenen Formel-1-Welt kurzerhand für Ordnung. Nach einer folgenschweren Zeitstrafe wegen eines Knallhart-Manövers gegen Profiteur Lewis Hamilton fühlte sich der Ferrari-Star von den Rennkommissaren in Montréal um seinen ersten Sieg nach mehr als neun Monaten betrogen und erklärte sich trotzig selbst zum Grand-Prix-Gewinner von Kanada. Im Parc Fermé vertauschte der stinksaure Deutsche sogar die Nummerntafeln vor dem Siegerauto und erzeugte mit seinem Groll-Protest eine der denkwürdigsten Szenen in der jüngeren Formel-1-Historie. «Das ist nicht der Sport, in den ich mich verliebt habe», schimpfte Vettel.
Die Aufregerszene spielte sich am Sonntag in der 48. Runde ab. Nach einem Fahrfehler in der Schikane von Kurve drei und vier landete der vom Start weg führende Vettel im Rasen. Als er seinen Wagen wieder auf dem Asphalt unter Kontrolle hatte, drängte er Verfolger Hamilton fast in die Mauer. Der Mercedes-Pilot bremste, verhinderte einen Crash – wurde aber um die grosse Chance zum Überholen gebracht. «Es war ein kleiner Fehler, ich hatte das ganze Rennen mit der Hinterachse zu kämpfen», erläuterte Vettel. «Das ganze Rennen hat Lewis viel Druck ausgeübt, ich hatte nicht viel Luft.»
Die Regelhüter ahndeten die Aktion mit einer Fünf-Sekunden-Zeitstrafe. Vettels Manöver wurde als «gefährliche Rückkehr auf die Strecke» eingestuft. In der Endabrechnung hatte er einen Rückstand von 3,658 Sekunden auf Hamilton. «Man muss schon komplett blind sein, zu denken, dass man durch das Gras fährt und dann auch noch das Auto unter Kontrolle behält», schimpfte Vettel gegen die Rennleitung.
Ferrari legt Beschwerde ein
Abfinden will sich die Scuderia mit der Sanktionierung aber nicht. Deshalb legte Ferrari Teamchef Mattia Binotto zufolge auch Beschwerde ein. Innerhalb von 96 Stunden muss entschieden werden, ob die Causa von Kanada auch vor das Schiedsgericht des Weltverbandes FIA wandern kann. Dem Fachmagazin «Auto, Motor und Sport» zufolge wäre dabei grundlegend, dass Ferrari neue Beweise für Vettels Unschuld vorlegt, wie etwa neue Telemetrie-Daten.
Die Chancen, den aberkannten Sieg am Grünen Tisch zurückzuholen, seien aber gering. «Seb hat einen Fehler gemacht, man muss sich aber auch mal klar machen, dass er mit mehr als 160 km/h unterwegs war», meinte der frühere Weltmeister Jenson Button im TV-Sender Sky und beschrieb den Knackpunkt als reinen Rennvorfall. «Man kann den Wagen nicht einfach anhalten und weg vom Kurs bleiben.»
Kein Mitgefühl hingegen empfand Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. «Sie hätten den Sieg genauso genomme», sagte er in Richtung Vettel und Ferrari. «Ich kann aber den Frust eines Rennfahrers verstehen, wenn es gegen ihn läuft.» Dass die Strafe vor allem die italienischen Gemüter erhitzte, überraschte Wolff wenig. «Es ist ein bisschen wie bei den Schiedsrichtern im Fussball: Entscheidungen werden immer polarisieren. Am Ende ist es für den Sport aber grossartig, dass wir Emotionen haben.»
Ferrari und Vettel müssen ihre Gefühle in die richtigen Bahnen lenken. Sonst ist noch vor der Sommerpause ab Anfang August die WM für sie endgültig gelaufen. «Wir sind konkurrenzfähig, es sind noch viele Rennen. In Maranello werden wir noch härter arbeiten, das kann uns nur noch mehr Kraft geben», meinte Binotto. Entscheidend sei es, positiv zu bleiben. «Man sollte auch Sebastian unterstützen, dass er positiv bleibt.» Ein Vettel im Wutmodus hilft Ferrari jedenfalls nicht weiter.