Das Bomben-TraumaTuchel: «Ohne Anschlag wäre ich noch BVB-Trainer»
dpa
20.3.2018
Mehrere Spieler von Borussia Dortmund leiden seit dem Anschlag vor knapp einem Jahr unter Schlafstörungen und Angstzuständen. Damals habe ein Moment zur Besinnung nach dem Schock gefehlt. «Wir sind doch Menschen und keine Maschinen», sagt einer der Fussballer.
Fussballtrainer Thomas Tuchel (44) macht den Bombenanschlag auf die Mannschaft von Borussia Dortmund mitverantwortlich für seinen Weggang vom Bundesligisten im Sommer 2017. Im Dortmunder BVB-Prozess sagte Tuchel am Montag als Zeuge aus, es habe nach dem Attentat grosse Uneinigkeit zwischen ihm und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke geherrscht. «Der grösste Dissens war wahrscheinlich, dass ich im Bus sass und er nicht.» Daraus habe sich ein komplett unterschiedlicher Umgang mit dem Vorfall ergeben. Auf die Frage, ob er glaube, ohne den Anschlag heute noch Trainer des BVB zu sein, antwortete Tuchel: «Ja, davon würde ich ausgehen.»
Fast alle hatten Schlafstörungen und Angstzustände
Vor dem Ex-Trainer hatten auch mehrere Spieler von Borussia Dortmund in ihren Zeugenaussagen den Umgang mit dem Schockerlebnis kritisiert. Vor allem die Tatsache, dass das Champions-League-Spiel gegen AS Monaco bereits am nächsten Abend nachgeholt wurde, bewerten einige Beteiligte heute als falsch.
«Ich glaube, wir haben alle einen grossen Fehler gemacht», sagte der inzwischen nach Leverkusen gewechselte Sven Bender. Die Mannschaft hätte schliesslich durchaus das Recht gehabt, nicht anzutreten. Auch BVB-Mannschaftskapitän Marcel Schmelzer erinnert sich nur ungern an das Nachholspiel. «In dieser Nacht hatte keiner geschlafen. Keiner hat auch nur einen Gedanken an dieses Spiel verschwendet», sagte der Zeuge.
«Wenn heute irgendwo in einem Raum ein Teller runterfällt, zucke ich sofort zusammen und der Puls geht hoch.»
Dortmund-Captain Marcel Schmelzer
BVB-Ersatztorwart Roman Weidenfeller räumte sogar offen ein, bis heute psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. «Der Vorfall hat mein Leben verändert», sagte Weidenfeller. Und: «Die Aufarbeitung ist noch nicht abgeschlossen.»
Auch Weidenfeller hält es für einen Fehler, dass der BVB damals sofort wieder auf den Platz musste, um in der Champions League zu spielen. «Aus meiner Sicht ist es immer noch unverständlich, dass man uns nicht einmal einen Moment der Ruhe gegönnt hat», sagte der Ersatztorwart. «Wir sind doch Menschen und keine Maschinen.»
Fast alle am Montag vom Gericht gehörten Zeugen gaben an, nach dem Anschlag unter Schlafstörungen und Angstzuständen gelitten zu haben. «Ich glaube, dass mein Körper erst langsam wieder zur Ruhe findet», sagte Roman Weidenfeller. Und Marcel Schmelzer räumte ein: «Wenn heute irgendwo in einem Raum ein Teller runterfällt, zucke ich sofort zusammen und der Puls geht hoch.» Der Kapitän sagte den Richtern, er versuche, «das so gut wie möglich wegzudrücken».
Der Angeklagte zeigt keine Reue
Der Angeklagte Sergej W. sagte während des gesamten Verhandlungstages nicht ein einziges Wort. Er verzichtete auch darauf, sich persönlich bei den Betroffenen zu entschuldigen.
Der 28-Jährige, der in Russland geboren wurde und einen deutschen Pass besitzt, hat bereits zugegeben, den Bombenanschlag bei der Abfahrt des BVB am Mannschaftshotel verübt zu haben, um mit einer Wette auf einen fallenden Kurs der BVB-Aktie reich zu werden. W. beharrt jedoch darauf, die Sprengsätze bewusst so gebaut zu haben, dass «niemand getötet oder ensthaft verletzt» werde.
Tatsächlich erlitt im Inneren des Mannschaftsbusses der damalige BVB-Verteidiger Marc Bartra einen offenen Bruch des Unterarms. Ein Motorradpolizist wurde mit einem Knalltrauma ins Krankenhaus eingeliefert.