Kevin-Prince Boateng packt aus «Ich weinte zu Hause, davon wusste keiner»

Von Luca Betschart

7.12.2023

Boateng gesteht Depressionen: «Habe mich für einen Monat eingesperrt»

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29.11.2023

Kevin-Prince Boateng packt bei «Lässer» aus. Der ehemalige Weltklasse-Fussballer gesteht Depressionen, spricht über die dunkelsten Stunden seiner Profi-Zeit und verrät das Geheimnis hinter seinem Wandel.

Von Luca Betschart

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Im vergangenen August zieht Kevin-Prince Boateng einen Schlussstrich und tritt vom Profi-Fussball zurück. In der Talksendung «Lässer» gesteht er nun, dass er während seiner Karriere an Depressionen litt. 
  • «Ich hatte meine Dämonen, ich habe zu Hause geweint», sagt Boateng, der seine Probleme in der Öffentlichkeit überspielt und sich als «sehr guten Schauspieler» bezeichnet. 
  • Seit seinem Karriereende macht der zweifache Vater einen grossen Wandel durch, der von einem Besuch in einer Kirche in Sydney ausgelöst wird. «Ich habe Jesus gefunden», sagt Boateng. 

Im letzten Sommer entscheidet sich Kevin-Prince Boateng, seine Schuhe nach 18 Profi-Jahren an den Nagel zu hängen. Bis da spielt einer der schillerndsten Fussballstars für Milan, Barcelona oder Hertha Berlin und gewinnt Titel in Italien, England und Deutschland. Mit 36 Jahren hat der 15-fache ghanaische Nationalspieler aber genug vom Fussball-Business und zieht einen Schlussstrich.

«Ich war schon lange vorbereitet und habe mich dann irgendwie auch gefreut, dass ich endlich zurücktreten kann und andere Türen sich geöffnet haben. Deswegen geht es mir sehr, sehr gut», zeigt sich Boateng ein halbes Jahr nach seinem letzten Spiel für die Hertha bei «Lässer – die Talkshow» bestens gelaunt. 

Für das Leben nach der Karriere scheint er gerüstet. «Ich habe die Möglichkeit, eng mit FIFA-Präsident Infantino zusammenzuarbeiten, ein paar Projekte mit ihm auf die Beine zu stellen. Ich will meinen Trainerschein nächstes Jahr anfangen», so Boateng. «Und ich habe hier in der Schweiz einen Expertenjob angenommen, weil es für mich ein neuer Markt ist. Da passieren viele Sachen.»

Einen Oscar für die Schauspielerei

Während viele Sportstars nach ihrem Rücktritt in ein mentales Loch fallen, ist das bei Boateng komplett anders. «In so ein Loch fällst du, wenn du keine Ideen hast, was du danach machst oder wenn Fussball dein Leben ist, wenn sich alles nur um Fussball dreht. Das ist bei mir nicht der Fall. Ich vermisse es auch nicht», unterstreicht er.

Und trotzdem weiss der gebürtige Berliner aus Zeiten als Spieler genau, wie es sich anfühlt, in ein tiefes Loch zu fallen. «Ich bin durch Depressionen gegangen», verrät er im Gespräch mit Claudia Lässer und gesteht: «Ich hatte meine Dämonen, ich hatte meine Probleme, ich habe zu Hause geweint. Davon wusste keiner.» Gegen aussen überspielt er seine gesundheitlichen Probleme gekonnt. «Ich hätte einen Oscar gewinnen müssen, weil ich ein sehr, sehr guter Schauspieler war», sagt Boateng.

Er habe sich in dieser schwierigen Zeit leer und kraftlos gefühlt. Wie er in diesem Zustand erfolgreichen Profi-Fussball spielen konnte, versteht Boateng im Nachhinein nicht: «Keine Ahnung. Der liebe Gott hat mir so viel Talent in meinen Füssen gegeben, dass die Leute nicht in mein Gesicht geguckt haben.»

«Der beste Schritt meines Lebens»

Boateng realisiert schliesslich selbst, dass er Hilfe braucht. «Ich bin zum Psychologen gegangen, was ich niemals machen wollte, weil wir Männer ja so stolz und so ehrenvoll sind. Wir dürfen ja nicht zugeben, dass wir schwach sind, dass wir weinen.» Doch er sei über seinen Schatten gesprungen und unterstreicht: «Das war der beste Schritt meines Lebens, weil ich mir helfen lassen habe.»

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Mit der geholten Unterstützung kann sich Boateng aus seinem tiefen Loch befreien. «Ein grosser Schritt war auf jeden Fall, dass ich Menschen verzeiht habe – meinem Vater, meiner Mama, mehreren Leuten», sagt er rückblickend.

Umgekehrt muss Boateng auch seine Mitmenschen, darunter seinen älteren Sohn, um Entschuldigung beten. «Ich musste Leute fragen, ob sie mir in ihrem Herzen verzeihen können. Wenn du so stolz und ehrenvoll bist, kannst du das nicht, weil es für dich nicht möglich wäre, mal in die Knie zu gehen und Entschuldigung zu sagen. Das ist der Weg, den ich gerade gehe.»

«Ich habe Jesus gefunden»

In den vier Monaten, die seit seinem Rücktritts-Entscheid vergangen sind, lernt sich Boateng neu kennen. Dafür ausschlaggebend ist eine Fügung, wie er selbst sagt. «Ich habe zu Jesus gefunden, zum Glauben und lese sehr viel die Bibel und verinnerliche das Christentum», erzählt der Halbbruder von Deutschland-Star Jérôme.

Kevin-Prince Boateng: «Ich habe Jesus gefunden»

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29.11.2023

Sein Leben habe er seit einem einschneidenden Erlebnis in Australien komplett geändert. «Ich war in einer Kirche in Sydney, weil eine Person mir gesagt hat, ich soll da hin. Ich hab mich ganz hinten in die Ecke gesetzt, wie man das so macht, wenn man erst mal zuhören möchte. Und nach fünf Minuten stand ich mit beiden Armen ausgestreckt, weinend, da, weil der ‹Holy Spirit› mich getroffen hat. Seit dem Tag wusste ich, dass es nur noch einen Weg geben wird.»

Für den ehemaligen Mittelfeldspieler ist ab da klar: «Wenn man weiss, wie Gott arbeitet, gibt es keine Zufälle mehr.» Und so lässt sich Boateng im Meer von einem «christlichen Leader» taufen, was für ihn einer Befreiung gleichkommt. «Ich bin in einer Gegend aufgewachsen, wo es nicht immer schön war und wo sich sehr viel Wut staut. Ich habe viele Narben aus der Kindheit», erklärt er und sagt über seine Taufe: «Das war sehr extrem. Der alte Mensch ist gestorben und wurde als neuer wiedergeboren.»


Wie sehr Boateng während seiner Karriere vor allem während seiner Zeit in Monza mit Depressionen zu kämpfen hatte und wie er sich seinen zwischenzeitlich tiefen Fall erklärt, erfährst du im zweiten Teil des Interviews am Freitag – oder in der kompletten Sendung im Video unten. Auf blue Zoom wird die Sendung am Samstag um 20 Uhr erstmals gezeigt. 


Die ganze Sendung

LÄSSER – mit Kevin-Prince Boateng

LÄSSER – mit Kevin-Prince Boateng

Kevin Prince Boateng packt bei «Lässer» aus. Der ehemalige Weltklasse-Fussballer gesteht Depressionen, spricht über die dunkelsten Stunden seiner Profi-Zeit und verrät das Geheimnis hinter seinem Wandel.

29.11.2023

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