An der WM 2002 schiesst Hakan Sükür im Spiel um Platz drei bereits nach elf Sekunden das 1:0 für die Türkei, die zwei weiteren Treffer auf dem Weg zum 3:2-Sieg bereitet er vor. Lange ist es her, der Glanz vergangener Tage ist längst verflogen. Heute arbeitet Sükür in den USA als Uber-Fahrer.
Müsste man einige der grössten Fussballer der Türkei aufzählen, Hakan Sükür dürfte nicht fehlen. Laut «Transfermarkt» repräsentierte er sein Heimatland in 112 Spielen und erzielte dabei 51 Treffer, 16 weitere bereitete er vor. Eine eindrückliche Bilanz. Unvergessen natürlich sein Rekordtor nach elf Sekunden an der WM 2002 im Spiel um Platz drei.
Mit Parma hat Sükür den italienischen Pokal gewonnen, seine grössten Erfolge feierte er aber in seiner Heimat mit Galatasaray Istanbul. Acht Mal gewann er die Meisterschaft, sechs Mal den Cup und in der Saison 1999/2000 gewann er mit dem türkischen Traditionsverein den UEFA-Cup. In seiner Karriere bestritt er insgesamt 689 Klubspiele und erzielte dabei 440 Skorerpunkte (322 Tore, 118 Assists). Kurz: Hakan Sükür war wirklich eine ganz grosse Nummer im Fussball.
Der tiefe Fall: Erdogan erklärt Sükür zum Staatsfeind
In seiner Heimat wurde der einstige Nationalheld zum Staatsfeind erklärt. Dem 48-Jährigen wird vorgeworfen, dass er 2016 am Putschversuch mitgewirkt hat, der zum Ziel hatte, Präsident Recep Tayyip Erdogan zu stürzen. In einem Interview mit der «Welt am Sonntag» weist Sükür die Vorwürfe als haltlos zurück: «Was soll meine Rolle denn gewesen sein? Das konnte mir bis heute niemand erklären.»
Dass er kein Freund von Erdogans Politik ist, gibt er aber offen zu. Er sei ein Feind der Regierung, aber nicht des Staates und der türkischen Nation. «Ich liebe unsere Fahne, unser Land. Ich bin ein Feind der falschen Politik und einer Geisteshaltung, die eine Loslösung vom Westen bezweckt», sagt Sükür im Interview. Weil er solche Äusserungen öffentlich kundtut, macht ihm Erdogan und sein Staatsapparat das Leben zur Hölle.
Vor wenigen Jahren sah die Welt noch anders aus. 2011 trat Sükür, der seine Karriere bereits beendet hatte, Erdogans Regierungspartei AKP bei. Dort lernte er die türkische Politik kennen. Und er musste feststellen, dass man nur von seiner Popularität profitieren wollte. Und Sükür missfällt, wie sich die Regierung immer weiter von der Demokratie und Europa entfernt. Deshalb trat er 2013 zurück.
«Dann begannen die Feindseligkeiten», erzählt Sükür. Er und seine Familie seien regelrecht terrorisiert worden. Man habe ihn bedroht, die Boutique seiner Frau sei mit Steinen beworfen worden, die Kinder auf der Strasse angegangen und sein Vater landete im Gefängnis. Sükür sah keine Zukunft mehr in der Türkei und flüchtete mit seiner Familie in die USA.
Sükür appelliert an Erdogan: «Werde zu dem Präsidenten, den die Türkei braucht»
Heute lebt Sükür noch immer in den Staaten und führt dort ein einfaches Leben. Seinen Unterhalt verdient er als Uber-Fahrer und Buchverkäufer. Denn von seinen Ersparnissen ist nichts übrig geblieben. «Ich habe mein Vermögen in der Türkei investiert. Alles, was ich hatte, wurde jetzt konfisziert. Ich habe nichts mehr, nirgendwo auf der Welt», so Sükür.
Seinem Heimatland fühlt er sich aber immer noch verbunden, deshalb ist es sein Wunsch, dass sich auf politischer Ebene etwas ändert. Und dafür müsse man kämpfen, dies gehe aber nicht ohne die Unterstützung einflussreicher Länder. «Alle müssen zusammen den Kampf um Demokratie und Freiheit führen.»
In der «Welt am Sonntag» richtet Sükür auch ein paar Worte direkt an den türkischen Präsidenten: «Kehre zurück zu Demokratie, Gerechtigkeit und Menschenrechten. Sei einer, der sich für die Probleme der Menschen interessiert. Werde zu dem Präsidenten, den die Türkei braucht. Viele Menschen folgen dir, hören dir zu. Also verbreite Frieden. Das sind Werte, die für die ganze Welt gelten.»